Wieder aktuell? Kirsten Heisigs Buch „Das Ende der Geduld“

Mathias von Gersdorff


Die Berliner Jugendrichterin sorgte mit ihrem engagierten Buch über jugendliche Gewalttäter im Sommer des Jahres 2010 für erheblichen Medienwirbel. In einer Kombination von Sachbuch und Streitschrift schildert sie das Leben einer Großstadt, in der der Rechtsstaat zunehmend die Kontrolle über das öffentliche Leben verliert. Viele Passagen könnten genauso gut den Untergang des Römischen Reiches schildern, als dieses von "Barbaren" erobert wurde und die öffentliche Ordnung zusammenbrach.

Dabei ist sie durchaus differenziert in der Beschreibung diverser Konfliktgruppen. Es gibt rechts- und linksextreme Chaoten, deren Randale und Gewalttaten sich schnell mit der konsequenten Anwendung des Strafrechts beenden ließen. Anhand mehrerer Beispiele zeigt sie die Effektivität einer strikten Null-Toleranz-Methode mit diesen Gruppen. Dabei stellt sie auch fest, daß man auf dem linken Auge oft blind ist und deshalb die linksextreme Gewalt zunehmend ausufert.

Doch das Buch konzentriert sich vor allem auf jugendliche Kriminelle mit "Migrationshintergrund": manche sehr jung, viele in Randalierergruppen zusammengerottet und einige in ein System organisierter Kriminalität eingebunden. Die Verbrechensszenen, die sie schildert, würden in Filme à la Mad Max passen. Es sind Szenen einer sich auflösenden Zivilisation, in der Recht und Ordnung durch blanke Gewalt und die Macht des Stärkeren verdrängt werden.

Berlin erscheint wie ein Laboratorium einer postzivilisierten Welt, wie ein Biotop, in der eine Gesellschaft vorgeführt wird, die sich der Unvernunft und dem Sadismus ausliefert. Ist es nicht im Grunde genommen die Welt des Antichrists?

Kirsten Heisig erklärt, daß das Ursachengeflecht zwischen mangelhafter Bildung, Abrutschen in Armut und Kriminalität bei Migrantenkinder sehr groß ist. Nicht nur, daß diese Kinder die Schule oft nicht besuchen wollen oder allenfalls zum Randalieren dort aufkreuzen. Selbst ihre Eltern sehen die Schule meist als einen "Hort der Verderbnis" und haben nichts dagegen, wenn ihre männlichen Kinder gewalttätig werden, denn das gehöre schließlich zum Mannsein dazu.

Die Schule ist für Jugendrichterin Heisig das Hauptinstrument für die Bekämpfung dieses zivilisatorischen Untergangs. Sie plädiert für eine drakonische Durchsetzung der Schulpflicht. Das würde sicherlich helfen, kriminellen Kindern und Jugendlichen vernünftige Lebensperspektiven zu geben und sie dem Einfluß verantwortungsloser Eltern zu entziehen, die – den Schilderungen zufolge – am liebsten im Steinzeitalter leben würden und offenbar Berlin für den besten Ort hierfür halten.

Doch bei diesen Vorschlägen treten auch die Schwachpunkte in Kirsten Heisigs Buch in Erscheinung: Was sie nämlich in ihrem – übrigens äußerst lesenswerten Werk – beschreibt, ist das Ergebnis einer Kulturrevolution, die seit Jahrzehnten dabei ist, die sittliche Basis für ein gedeihliches Zusammenleben zu zerstören. In diese Welt, die nichts anderes als die Wunschwelt der 1968er ist, können sich die Migranten letztlich gar nicht integrieren. Warum nicht? Die Schule müßte eine doppelte Aufgabe vollbringen: Die Kulturrevolution der "68er" rückgängig machen, um wieder eine Ordnung zu ermöglichen, die überhaupt in der Lage ist, Migranten zu integrieren und zweitens eben diese Integration als solche. Daß dies mit einem rot-roten Senat möglich ist unter der Führung einer Person wie Klaus Wowereit und in einer Stadt, in der die Grünen – die Partei der 68er – Umfragewerte von 27 % erzielen (höher als SPD und CDU), darf bezweifelt werden.

Diese Buchbesprechung wurde kurz nach Erscheinen im Jahr 2010 geschrieben und veröffentlicht