Wie Islamisten Kinder und Jugendliche in Social Media anwerben

(PM von Jugendschutz.net) Lagebericht "Islamismus im Netz 2018" vorgestellt

Bundesfamilienministerin Dr. Franziska Giffey hat heute (2. April 2019) den Lagebericht "Islamismus im Netz 2018" vorgestellt. Erarbeitet und herausgegeben wird er von jugendschutz.net. Der Bericht macht deutlich, wie islamistische Akteure auf subtile Art und Weise ihre Deutungsmuster an junge Menschen herantragen. Dabei docken sie bewusst am medialen Kommunikationsverhalten vieler Jugendlicher an.

Bundesjugendministerin Dr. Franziska Giffey: "Islamistische Gruppen ködern Kinder und Jugendliche mit provokanten Videos, Anleihen aus Comics und Computerspielen oder mit subtilen Hassbotschaften. Sie geben sich harmlos, nutzen gesellschaftliche Debatten als Einfallstor und kaschieren den extremistischen Kontext. Besonders empfänglich sind die Jugendlichen, die selber Diskriminierung erfahren haben, sich ausgegrenzt und benachteiligt fühlen. Der Bericht 'Islamismus im Netz 2018' macht einmal mehr deutlich, mit welchen Strategien extremistische Propaganda Kinder und Jugendliche adressiert. Um dagegen vorzugehen, werden wir noch im Jahr 2019 einen Gesetzesvorschlag zur Novellierung des Jugendmedienschutzes vorlegen. Ziel ist, die Betreiber stärker in die Pflicht zu nehmen – zum Beispiel durch sichere Voreinstellungen in Online-Chats, niedrigschwellige Melde- und Hilfesysteme oder klare Alterskennzeichnungen. Anbieter von Plattformen und Diensten im Internet müssen sicherstellen, dass Kinder und Jugendliche nicht mit extremistischen Inhalten konfrontiert und radikalisiert werden. Und wir müssen junge Menschen zum eigenverantwortlichen Handeln befähigen. Dazu unterstützen wir Projekte zur Stärkung der Medienkompetenz junger Menschen. Zum Beispiel fördern wir die Broschüre 'Salafismus Online', die Material für Präventionsarbeit in der Schule und in außerschulischer Jugendarbeit aufbereitet“.

"Für islamistische Akteure sind Instagram, YouTube und Telegram ein ideales Rekrutierungsfeld", sagt Stefan Glaser, Leiter von jugendschutz.net. Zwar sei ein Rückgang von strafbaren Angeboten festzustellen, das Gefährdungspotenzial für junge Userinnen und User habe sich aber kaum verringert. "Die mobile Nutzung dieser Dienste gehört für Kinder und Jugendliche zum Alltag, so dass sich die Ansprache leicht außerhalb der Einflussräume von Eltern oder Bezugspersonen vollziehen kann." Strategie der Extremisten sei es, über jugendkulturelle Phänomene einen niedrigschwelligen Zugang zur islamistischen Weltanschauung zu schaffen.

"Wir müssen islamistische Propaganda im Internet auf mehreren Ebenen bekämpfen", betont Dr. Marc Jan Eumann, Direktor der Medienanstalt Rheinland-Pfalz und stellvertretender Vorsitzender der Kommission für Jugendmedienschutz (KJM). "Geltendes Recht muss effektiv durchgesetzt, also Verstöße geahndet und Täter belangt werden. Parallel ist es notwendig, junge Menschen zu stärken und Erziehungsverantwortlichen Instrumente für die Medienbildung an die Hand zu geben. Letzteres wollen wir mit unserer heute vorgelegten Handreichung 'Salafismus Online' tun", so Eumann weiter.

Vorgestellt wurde der Bericht in den Räumen von Ufuq e.V. – einem in Berlin-Kreuzberg angesiedelten Verein, der durch das Bundesfamilienministerium unterstützt wird und sich gegen islamistische Radikalisierung im Netz engagiert. Dr. Götz Nordbruch, Co-Geschäftsführer des Vereins, betont die Vielfalt der Themen, die von Islamisten angesprochen werden. "Religion steht nicht immer im Vordergrund. Oft geht es auch um Fragen von Identität, Gemeinschaft, Geschlechterrollen oder Gerechtigkeit, auf die Jugendliche hier einfache Schwarz-Weiß-Antworten bekommen. Präventionsarbeit zielt daher darauf, Jugendliche zu empowern, um für sich eigene Antworten auf diese Fragen finden."

Für den Bericht hat jugendschutz.net insgesamt 19.200 Angebote mit islamistischen Inhalten gesichtet. In 649 Beiträge in sozialen Medien wurden insgesamt 872 Verstöße gegen jugendschutzrechtliche Bestimmungen festgestellt und untersucht. Zu 56% bezogen sich die Verstöße auf Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. In 20% der Fälle ging es um Kriegsverherrlichung, zum Beispiel in Form der Glorifizierung des Dschihads. In 14% der Fälle wurde die Menschenwürde verletzt, beispielsweise durch Leidensdarstellung von Kriegsopfern und in 6% der Fälle ging es um Gewaltdarstellungen wie Hinrichtungs- oder Foltervideos. Im Vergleich zu 2017 ging die Zahl der Gewaltdarstellungen von 195 registrierten Verstößen auf 48 im Jahr 2018 zurück. Der Großteil der 2018 gesichteten Fälle islamistischer Propaganda (87%) befand sich auf ausländischen Social-Media-Diensten wie YouTube, Facebook, Instagram oder Telegram. YouTube löschte die Beiträge nach Hinweis in 99% der Fälle, Instagram in 98%, Facebook in 82% und Telegram lediglich in 58% der gemeldeten Verstöße.

Der Bericht "Islamismus im Netz 2018" steht unter https://www.hass-im-netz.info/bericht2018/ zum Download bereit. Die Broschüre "Salafismus Online" stellt Arbeitsmaterialien für die praktische Arbeit in der Schule bereit und bietet Hintergrundinformationen über Propagandastrategien im Netz. Sie wird von jugendschutz.net und klicksafe in Kooperation mit ufuq.de herausgegeben und kann unter https://www.klicksafe.de/salafismus/ abgerufen werden.