Wie das Europa-Parlament die Verkündigung eines “Rechts auf Abtreibung“ vorbereitet

Mathias von Gersdorff


Am 4. September wurde im Europäischen Parlament einer Entschließung mehrheitlich zugestimmt, die wenig Beachtung in der Öffentlichkeit fand. Ihr Thema ist die Verbesserung der Gesundheit der Mütter. Der komplette Name der Resolution ist „Entschließung des Europäischen Parlaments vom 4. September 2008 zu dem Thema Müttersterblichkeit im Vorfeld der hochrangigen Veranstaltung der Vereinten Nationen zur Überprüfung der Millenniums-Entwicklungsziele am 25. September 2008“.

Die Resolution wurde also beschlossen im Hinblick auf eine Veranstaltung der Vereinten Nationen, in der Ziele für das Jahrtausend überprüft werden sollen. Ziel Nummer 5 ist die Verbesserung der Gesundheit von Müttern. An und für sich ein gutes Ziel.

Dabei geht es vor allem um die sog. sexuelle und reproduktive Gesundheit.

Dieser Sperrige Begriff spielte eine zentrale Rolle in der Kairo Konferenz von 1994. Der vollständige Name dieser Konferenz lautet „Internationale Konferenz der Vereinten Nationen zu Bevölkerung und Entwicklung (ICPD)“ und fand vom 5 bis zum 13. September 1994 in Kairo statt.

Als es dort um die Definition von „Sexuelle und reproduktive Gesundheit“ ging, haben Abtreibungsbefürworter versucht, ein Recht auf Abtreibung in der Endfassung des sog. Aktionsplanes einzufügen.

Dies mißlang und es wurde definiert, daß Abtreibung keinesfalls als Mittel der Familienplanung dienen darf. Sonstige gesetzliche Regelungen hinsichtlich der Abtreibung wurden auf die nationalen Gesetzgebungen verwiesen.

Abtreibungsbefürworter haben sich aber niemals mit dieser Regelung abgefunden und haben stets versucht, auf internationaler Ebene ein angebliches „recht auf Abtreibung“ zu erarbeiten.

So schreibt beispielsweise die Pro-Abtreibungsorganisation Pro-Familia in seinem Bericht über die Tagung vom 15. Mai 2004 zum Thema „Sexuelle und reproduktive Rechte sind Menschenrechte“, in der es um die Kairo Konferenz von 1994 folgendes zur Abtreibung: „Auf nationaler Ebene hat pro familia auf vielfältige Weise Anstrengungen unternommen, den Paradigmenwechsel von Kairo in die tägliche Arbeit einfließen zu lassen. So hat zum Beispiel der pro familia-Bundesverband in seinem „Arbeitsprogramm 1996 bis 2002“ der Forderung von Kairo nach mehr sozialer Gerechtigkeit und besserer Gesundheitsversorgung für benachteiligte Menschen entsprochen und die Schwerpunkte Sexualität und Älterwerden, Sexualität und Behinderung, Sexualität und andere Kulturen sowie KlientInnenrechte gewählt. Im Zusammenhang mit den Methoden zum Schwangerschaftsabbruch hat sich pro familia erfolgreich für die Wahlfreiheit von Frauen und die Einführung des medikamentösen Schwangerschaftsabbruchs in Deutschland mit Mifegyne eingesetzt.“

Auch in der Bundesregierung hat sich diese Ansicht in gewissem Maße breitgemacht. So berichtet beispielsweise das deutsche „Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung“, daß medizinisches Personal für Abtreibungen im Zusammenhang mit dem Milleniumsziel „Gesundheit der Mütter“ zur Verfügung gestellt wird. (http://www.bmz.de/de/themen/MDG/Entwicklung/dokument04/ziel05.html?PHPSESSID=439e1003e26238c35afb846399846ebe).

Doch nun zurück zur Resolution des Europäischen Parlamentes vom 4. September 2004. Der lange Text muß genau gelesen werden, um die Hinweise auf die Abtreibung zu entdecken.

So lautet eine der Erwägungen:

„In der Erwägung, dass sich die Ursachen für die Müttersterblichkeit durch zuverlässige Betreuung der Mütter und Zugang zu sicherer Empfängnisverhütung sowie zu legalen und unbedenklichen Abtreibungen vermeiden ließen.“

Und später, in einer der Forderungen, heißt es:

„(Das Europa-Parlament) fordert den Rat und die Kommission auf, die gesundheitliche Versorgung von Müttern im Rahmen der medizinischen Grundversorgung umfassender zu gestalten, wobei Folgendes maßgeblich sein sollte: . . . Beratungsdienste auf den Gebieten Schwangerschaft, Geburt und Abtreibungskomplikationen, postnatale Betreuung und Familienplanung.“

Unter den sog. „Hinweisen“ steht nicht nur die Kairo-Konferenz, sondern auch das Maputo-Protokoll.

Dieser ist ein unverbindlicher, höchst umstrittener Aktionsplan für Afrika für die Implementierung der sexuellen und reproduktiven Rechte bzw. die Verbesserung der sexuellen und reproduktiven Gesundheit.

Im Maputo-Protokoll wird allerdings offen der Zugang zu legalen Abtreibungen gefordert.

Die Resolution des Europa-Parlamentes vom 4. September schreibt erwähnt folgendermaßen Maputo:

„Unter Hinweis auf das Protokoll zu der Afrikanischen Charta der Menschenrechte und der Rechte der Völker über die Rechte der Frau in Afrika, auch als "Protokoll von Maputo" bekannt, das am 25. November 2005 in Kraft trat, und den Aktionsplan von Maputo für die Umsetzung des kontinentalen Politikrahmens für sexuelle und reproduktive Gesundheit und Rechte 2007–2010, der auf der Sondertagung der Konferenz der Gesundheitsminister der Afrikanischen Union im September 2006 angenommen wurde“.

In diesem Abschnitt wird die Abtreibung sehr wohl zu den sexuellen und reproduktiven und Rechte gezählt. Ansonsten könnte das Dokument nicht für die Erwägungen und Forderungen der Resolution herangezogen werden.

Die Resolution ignoriert nicht nur die Unverbindlichkeit von Maputo, sondern auch die Tatsache, daß dort der Zugang zur Abtreibung gefordert wird, was dem Aktionsplan der Kairo-Konferenz zumindest theoretisch widerspricht.

Schließlich werden in der Resolution vom 4. September 2008 die Vereinigten Staaten scharf kritisiert, weil sie Organisationen, die Abtreibungen vornehmen oder unterstützen, nicht finanziell unterstützen: „ (Das Europa Parlament) missbilligt die "Global Gag Rule" der USA, mit der ausländische Nichtregierungsorganisationen, die Beihilfen für den Bereich Familienplanung von der US-Behörde für internationale Entwicklung (USAID) erhalten, daran gehindert werden, ihre eigenen Finanzmittel, die nicht aus offiziellen US-Quellen stammen, zu nutzen, um legale Abtreibungsdienste, medizinische Beratung oder Empfehlungen für Abtreibungen anzubieten.“

Zusammenfassend läßt sich sagen, daß die Resolution vom 4. September zwar nicht explizit ein „Recht auf Abtreibung“ für Europa fordert, aber davon ausgeht, daß ein solches im Rest der Welt, vor allem in der sog. Dritten Welt, existiert oder existieren sollte. Und wenn ein solches Recht außerhalb Europas existieren soll, wie das vom Europa-Parlament gefordert wird, ist nicht einzusehen, wieso ein solches Recht auch nicht in Europa vorhanden sein soll.

Um die Tragweite der Resolution zu ermessen muß man bloß die Stellen, in denen die „Welt“, „Afrika“ oder eine andere Geografische Region erwähnt wird, beispielsweise durch Polen ersetzen.

Aus diesen Gründen dürfen wir uns nicht mit dieser Resolution abfinden, sondern müssen dagegen protestieren und dahin wirken, daß sie niemals verbindlich wird.