Wenn aus Spiel Ernst wird

<p>Christiane Jurczik</p> <p>Die Spielmethode "Original Play" ist nach Missbrauchsvorwürfen bundesweit verrufen und teilweise untersagt. Der Kinderschutzbund fordert ein bundesweites Verbot.</p> <p>Das Training soll helfen, Aggressionen von Kindern abzubauen. Original Play heißt das Geschäftsmodell eines dubiosen, international tätigen Vereins. Während Eltern nicht ahnen, was in der Kita passiert, dürfen wildfremde Männer mit ihren Kindern „spielen“. Eltern in Berlin und Hamburg zeigten Missbrauchsfälle und sogar Vergewaltigungen an.</p> <p>Anmoderation 1: Ein Kind spielt mit einem erwachsenen Mann...</p> <p>Es wird gekabbelt, gestreichelt, gedrückt. Doch die beiden sind nicht verwandt, sie kennen sich vielleicht auch überhaupt nicht. Es ist ein organisierter Spieletreff, in Kindereinrichtungen bei uns und weltweit - und oft: Ohne Wissen der Eltern.</p> <p>Anmoderation 2: Original Play - ursprüngliches Spielen heißt das. Wer eine Kursgebühr bezahlt, kann einfach so rein zu den Kindern. Gemeinsam mit dem ORF zeigen wir erstmals und exklusiv wie gefährlich einfach es damit Pädokriminellen gemacht wird, an Kinder ranzukommen.</p> <p>In Videosequenzen ist zu sehen, wie Männer mit Kindern auf Matten raufen und toben, wie es zu verschiedensten Berührungen kommt, wie zum Beispiel ein Junge kurz wie ein Reiter auf dem liegenden Fred Donaldson sitzt und immer wieder von ihm in die Höhe geworfen wird.</p> <p>Rund 30 bis 60 Minuten dauert den Angaben zufolge eine Spieleinheit. Die Methode könne nicht unterrichtet, sondern nur durch Erfahrung erlernt werden. Wer die Spielzeit in Kitas und Schulen als "Original Play"-Trainer anbieten will, kann sich auf der Website der Stiftung als "Lehrling" listen lassen. Dazu müssen Interessierte keine pädagogische Ausbildung vorweisen.</p> <p>Sie sollen aber innerhalb von drei Jahren mit mindestens 3000 Kindern nach der Donaldson-Methode gespielt haben. Das Konzept wird den Angaben zufolge in mehreren Ländern weltweit umgesetzt. Wie weit es verbreitet ist, wird nicht in Zahlen erfasst.</p> <p>Grund zur Sorge gibt ein ARD-Bericht über mutmaßliche sexuelle Gewalt an zwei Kitas in Berlin und Hamburg im Zusammenhang mit der Spielmethode Original Play. In dem Beitrag ging es um Vorwürfe, die Eltern im vergangenen Jahr erhoben hatten. Zwei Kitas in Hamburg und Berlin hatten demnach mehrfach "Original Play"-Trainer zu sich eingeladen, auch Erzieher praktizierten die Methode. Kinder sollen bei diesen Spielzeiten dem Bericht zufolge verletzt worden sein. Einige Eltern schlossen zudem aus Erzählungen ihrer Kinder, es könne zu Übergriffen und sogar sexuellem Missbrauch gekommen sein.</p> <p>Die Hamburger Staatsanwaltschaft hat die Ermittlungen aus Mangel an Beweisen eingestellt, wie sie dem Spiegel bestätigt. Aus Berlin heißt es, die Vorwürfe hätten sich nicht bestätigen lassen.</p> <p>Berlin reagiert angemessen</p> <p>Der Berliner Bildungssenat zog nach der Veröffentlichung des ARD-Berichts dennoch Konsequenzen und erließ ein Verbot. Niemand darf "Original Play" mehr mit Kindern in Berliner Kitas praktizieren, wegen einer möglichen Gefährdung des Kindeswohls.</p> <p>Hamburg sprach kein Verbot aus. Man rate Kitas aber ausdrücklich davon ab, die Methode anzuwenden, heißt es aus der Sozialbehörde.</p> <p>Einige Träger zeigen sich alarmiert: "Wir warnen, die Methode 'Original Play' zu praktizieren, da es zu Grenzüberschreitungen im Umgang mit Nähe und Distanz kommen könnte", heißt es von der Evangelischen Kirche Deutschland und der Diakonie in einer gemeinsamen Erklärung.</p> <p>Bayern geht noch einen Schritt weiter: 'Original Play' entbehrt jedweder wissenschaftlichen Grundlage", teilt das Familienministerium mit. Man behalte sich vor, Einrichtungen nicht länger zu fördern, die diese Methode anwenden oder Räume dafür anbieten. Zwei Petitionen reicht das nicht, sie fordern Bildungsministerien in Deutschland und Österreich dazu auf, "Original Play" flächendeckend zu untersagen.</p> <p>Der Deutsche Kinderschutzbund unterstützt die Forderung nach einem bundesweiten Verbot. "Jedes pädagogische Handeln sollte die Rechte, Interessen und Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen im Zentrum haben", schreibt Vizepräsidentin Sabine Andresen in einer Stellungnahme "Dass dies bei Original Play der Fall ist, daran bestehen berechtigte Zweifel."</p> <p>CDU-Fraktionschef Burkard Dregger findet es skandalös, dass ein solches Spiel als pädagogisches Konzept in Kitas angewendet wurde: "Die Kita ist ein geschützter Ort und Eltern wollen ihre Kinder in der Kita wohlbehütet sehen. Dieses Vertrauen in die Kita wird diametral erschüttert", so Dregger. "Ich weiß auch nicht, wer sich als Erwachsener dafür interessiert, mit ihm fremden Kindern Kuschelspiele zu machen - da muss man ja die Befürchtung haben, dass das nur eine ganz bestimmte Personengruppe ist."</p>