Wahlanalyse I: Fatale Vogel-Strauß-Politik der Union

Wahlanalyse I: Fatale Vogel-Strauß-Politik der Union

Mathias von Gersdorff

In einem Interview mit der „Welt am Sonntag“ am 13. Juni 2021 erklärte CSU-Generalsekretär Markus Blume, das Thema Gender sei für die Grünen und die AfD geeignet, nicht aber für die Union:

„über Identität zu theoretisieren, führt nur zu Spaltung, von der zwei Parteien profitieren“: die Grünen und die AfD.

Dem Berliner „Tagespiegel“ gegenüber sagte der CSU-Generalsekretär Markus Blume zum selben Thema:

„Identitätsthemen [wozu Gender gehört] sind wichtig, aber wir dürfen uns in ihnen nicht erschöpfen, weil es diesmal um viel mehr geht“ und später: „Wir sind eine Partei, die immer sehr stark aus der Identität gelebt hat. Wir haben da keinen Nachholbedarf, im Gegensatz zu linken Parteien.“

Hier werden zwei wichtige Aussagen getroffen:

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  1. Das Thema braucht CDU und CSU nicht zu interessieren.
  2. Was „Identität“ betrifft, so müssten CDU und CSU nichts liefern, denn ihre „Identität“ sei für alle leicht sichtbar.

Beides zeigt eine unfassbare Unkenntnis der Union über die eigene Basis. Die Pateileitung weiß nicht mehr, wie ihre Partei auf die Menschen wirkt.

Gender ist dabei eines der Themen, die seit Jahren die Gemüter heftig bewegt.

Kein Wunder, denn hier ist eine wahre Revolution im Gange!

Hat die Union vergessen, welche Reaktionen die Gender-Lehrpläne in Baden-Württemberg und Hessen hervorgerufen haben?

Hat die Union etwa nicht gemerkt, dass „Gender“ eines der Themen ist, das am meisten die Gesellschaft polarisiert?

Und die vielen Umfragen zur Gendersprache: Sie alle ergeben zwischen 65 und 70 Prozent Ablehnung der Gendersprache.

Selbst unter den Wählern der Grünen gibt es eine relative Mehrheit, die Gender Ablehnt!

Einige C-Politiker haben in der Tat versucht, das Gender-Thema im Wahlkampf zu behandelt, etwa der Chef der Hamburger CDU, Christoph Ploß.

Aber den Strategen war die Bedeutung des Themas gar nicht bewusst: Die Spitze der Union hatte keine Ahnung, was ihre Basis interessiert.

Sie haben die strategische Bedeutung der Gesellschaftspolitik groß unterschätzt und sie weitgehend den Grünen überlassen.

Gegen Ende des Wahlkampfes haben manche noch versucht, gesellschaftspolitische Akzente zu setzen.

So sprach sich die Kultusministerin Schleswig-Holsteins und Mitglied des „Zukunftsteams“ Laschets, Karin Prien, gegen die Verwendung der Gender-Sprache in Schulen aus.

Auch CSU-Chef Markus Söder kritisierte beim letzten CSU-Parteitag am 11. September 2021 das Gendern beim CSU-Parteitag.

In den letzten zwei Wochen vor der Wahl verteidigten einige C-Politiker in der TV-Debatten das Ehegattensplitting (welches vor allem traditionellen Familien zugutekommt), ebenfalls ein wichtiges gesellschaftspolitisches Thema.

Doch das alles kam viel zu spät: Die Union entwickelte gesellschaftspolitisch fast kein Profil, weil sie die große Bedeutung des Themas schlicht und ergreifend nicht verstanden hat.

Zudem hatte sich die Union auf eine Koalition mit den Grünen eingestellt. Dann musste sie wenige Wochen vor der Wahl entsetzt feststellen, dass die Grünen nur solange an einem Bündnis mit ihnen interessiert waren, wie keine Aussicht auf eine rot-rot-grüne Mehrheit bestand.

Und so kommen wir zum zweiten Punkt: Die Identität der Partei.

Schon Monate vor der Wahl behaupteten alle Kommentatoren, auch solche von der Union gewogenen Zeitungen, wie etwa „Die Welt“, dass die Menschen nicht wüssten, wofür CDU und CSU stünden.

Die Behauptung Markus Blumes, die Union hätte genug „Identität“ zeigt, in welcher Hybris viele an der Unions-Spitze gefangen sind und unfähig sind, die Realität zu erkennen.

Das Ergebnis dieser Wahl ist Folge eines langen Prozesses der Demontage christlicher Positionen innerhalb der Partei.

Christlich-motivierten Wählern, Eltern mit Sorgen um ihre Kinder, Anhänger der traditionellen Familie hat die Union fast nichts zu sagen.

Ganze soziale Segmente sind ihr dadurch in den letzten Jahren weggebrochen.

Das Wahlergebnis ist kein Unfall, sondern die logische Konsequenz eines langen Dekadenzprozesses.