Von der enormen Bedeutung der Familie
Christa Meves
Sie existiert noch auf unserem europäischen Terrain – die Familie in ihrer traditionellen Form mit einem Elternpaar, seinen leiblichen Kindern und einem Clan im Hintergrund; aber in einem doch recht zerrauften Zustand und mit einem sorgenvollen Antlitz. Sie ist mächtig abgemagert. Nur noch wenige Kinder gehen aus ihr hervor.
Seit Jahrzehnten verharrt die Familie deshalb in diesem unzureichenden, beklagenswerten Zustand. Und durch Scheidung kommt ihr häufig sogar ihre Lebenslänglichkeit abhanden.
Ja, und sie ist – jedenfalls scheint das vielen so – unansehnlich geworden, geradezu unattraktiv und deshalb nicht mehr anstrebenswert. Das ist nicht erstaunlich; denn in den vergangenen Jahrzehnten ist sie viel geschmäht, häufig auch lächerlich gemacht, manchmal sogar bespuckt worden.
Und so schleicht sie nur noch abgehalftert durch ein umdüstertes Terrain. Jedenfalls im medialen Mainstream ist sie von den Thronen der Hochachtung, des Respektes und des Ansehens längst gestürzt worden. Man hat sie ihres Wertes beraubt.
Wer oder was hat diesen bejammernswerten Zustand mit einem so großen Geburtenschwund hervorgerufen, der nicht mehr in der Lage ist, den Bestand der eigenen Bevölkerung stabil zu halten?
Was ist geschehen?
Schauen wir kurz zurück. Was ließ noch vor 50 Jahren die Familie als wertvoll erscheinen? Es war als Erstes der Nutzen, den sie für das zukünftige Gedeihen des Landes besaß – durch die Erzeugung von damals 2,6 Kindern pro Frau, einem gesunden Level für einen stabilen Status und die Erfüllung des Generationenvertrags.
Als Zweites gründete ihr Wert in der allgemein gemachten Erfahrung, dass gesunde, zusammenhaltende Elternpaare durch sorgsame erzieherische Bemühungen leistungsstarke junge Persönlichkeiten hervorzubringen pflegen, was zukunftsträchtige Wettbewerbsfähigkeit der Gesellschaft vorantreibt.
Mittlerweile hat sorgsame Forschung darüber hinaus diese Erfahrung bestätigt: Um in der jungen Generation seelisch gesunde, leistungs- und liebesfähige Erwachsene zu haben, taugt am besten der persönliche familiäre Einsatz durch die Kindheit hindurch, ja mehr noch: Das Fehlen solcher elterlichen Leistungen nährt die Gefahr von seelischen Störungen im jungen Alter.
Wie die leerstehenden Ausbildungsplätze für geeignete Auszubildende zu Fachkräften z. Z. zeigen, befinden wir uns jetzt bereits in diesem unzureichenden Zustand.
Wie ließ sich die Ressource Familie, die immerhin noch im Grundgesetz der BRD von 1949 einen angemessenen, würdevollen Platz einnimmt, verspielen? Wie konnte es geschehen, dass sie in den jetzt vorherrschenden beklemmenden Zustand der Entwertung geriet? Denn dass diese neumodische Missachtung die Hauptquelle der demografischen Krise darstellt, ist unverkennbar.
In welchen Zeitströmungen sind die Ursachen dieser bedenklichen Entwicklung zu suchen? Das müssen wir uns fragen, wenn wir auf Änderung hoffen wollen.
In den 50er-Jahren des letzten Jahrhunderts boomten die naturwissenschaftlichen Erfindungen. Gleichzeitig erlebten die Überlebenden des Krieges in der BRD erstaunt das Wirtschaftswunder. Eine Fülle von Umgestaltungen setzte ein. Allmählich lösten die technischen Veränderungen geradezu so etwas wie einen Machbarkeitswahn aus.
Wozu brauchen wir für unser Leben noch die Vorstellung eines unsichtbaren Gottes?
Zum Einfluss von Simone de Beauvoir
Der atheistische Existentialismus war vorgeprescht und hatte begonnen, einer hedonistischen, liberalistischen Lebensstimmung Raum zu geben, gekennzeichnet z. B. durch die Aussagen der Lebensgefährtin von Jean-Paul Sartre, Simone de Beauvoir. Sie wurde zur Gallionsfigur und zur Protagonistin der militanten Feministinnen, die sich in dieser Zeit formierten.
De Beauvoir bezeichnete Mutterschaft als „Falle“ der Frau und setzte damit ein entscheidendes Fanal zur Entwertung der Familie. Diese nichtswürdige Institution habe jahrhundertelang die Entfaltung der Frau verhindert, postulierte sie. Die Frau müsse sich daraus lösen, um sich selbst zu verwirklichen.
Ab 1969 stimmte deshalb eine erhebliche Zahl von Frauen in den Ruf der Neuen Linken ein, die traditionelle Familie als veraltet abzuschaffen. Mit Verve feierte so der Ruf von Engels im Verbund mit Marx in den Revoluzzer-Hirnen Urständ: Diese Lebensform – so behauptete man leichtfertig falsch und kühn – habe nun endlich ausgedient.
Die Familie erzeuge fortgesetzt ungerechte Unterschiede in der Gesellschaft und müsse um der Gerechtigkeit willen einer gleichförmigen Kollektivierung der Kinder und familiärer Auflösung durch Scheidungserleichterung weichen.
Die Befreiung der Frau aus der Versklavung durch den Paterfamilias und ihr Aufschwung zu unabhängiger Erwerbstätigkeit, statt zwischen „Kindern, Küche und Kirche zu vergammeln“, wurde nun – neben der Befreiung zur Sexualität und der Abschaffung auch aller weiteren machtanmaßenden Autoritäten – zum Mainstream der nächsten Jahrzehnte, und das alles mit vollmundiger medialer Unterstützung – bis auf den heutigen Tag.
Von hier an geriet die Bewertung der Familie in eine Schieflage, von der sie sich nie wieder erholte.
Da eine vorrangige Eigenschaft der Frau in ihrer Suggestions- und Anpassungsbereitschaft besteht, ließ sich bereits damals nicht erwarten, dass sich nach Einführung der Anti-Baby-Pille die Talfahrt der Geburten würde aufhalten lassen. Was nicht anerkannt ist, das machen wir Frauen nicht gern – und schon ganz und gar nicht als Dauerlebensform!
So ging die Großfamilie langsam zugrunde
Das zu gesellschaftlichem Ansehen einseitig hochgezüchtete Geltungsbedürfnis der Frau ließ sich deshalb von nun ab als Vehikel zur Bevorzugung der erwerbstätigen Frau verwenden. Mutterschaft – womöglich in einer Großfamilie mit sehr vielen Kindern – das löste in der erwerbstätigen topfit seienden Frauengeneration bald nur noch herablassendes Kopfschütteln aus. Und so ist mittlerweile die Großfamilie auch bereits seufzerlos zugrunde gegangen.
Nicht einmal eine Million großformatiger Zukunftsbereiter dieser Art haben wir hierzulande heute noch! Und nur unter vielen nachbarschaftlichen Schmähungen halten kinderreiche Eltern noch heute stand.
Aber nicht einmal der schöne Kompromiss einer kurzzeitigen Familienpause, solange die Kinder klein sind, und mit einer Halbtags-Erwerbstätigkeit danach, solange Kinder elterlich zu betreuen sind, schlägt als Vorschlag so weit durch, dass genug Kinder geboren würden. Die Mühsal der Familienarbeit wird eher als töricht und damit für junge Menschen als unattraktiv erlebt.
Was ist dem Staat die Familie noch wert?
Und wo bleibt eine alarmierte Reaktion des Staates auf die fortschleichende existenzielle Bedrohung? Was ist unserer Regierung die Familie wert?
„Alle Frauen werden arbeiten“, tönte Ursula von der Leyen schon in ihrer Phase als Familienministerin. Berufsausbildung der Frau war zwar seit der Emanzipation bereits vor dem Ersten Weltkrieg berechtigterweise erwirkt worden – war bis dahin aber für die Familie bildende Frau eher als Absicherung und Lebenserweiterung nach der Kinderpause in der Familie in Anspruch genommen worden.
Ab 1969 aber wurde Erwerbstätigkeit nun auch für die junge Familienmutter zu einer vorrangigen gesellschaftlichen Unabdingbarkeit.
Die Folgen traten rasch ein.
Mit einer die Familie abstützenden Politik ließ sich keine Wahl mehr gewinnen. Ein verantwortungsbewusstes familienpolitisches Denken wurde im gesellschaftlichen Getriebe über weitere Jahrzehnte hinweg zu einem der Realität entrückten Ideal. Aber dieser Trend ist insofern uneinheitlich, als es bisher keiner Volksbefragung gelungen ist, das immer gleiche erstaunliche Ergebnis bereitzuhalten:
Für eine hohe Mehrzahl von Menschen ist das Leben in einer Familie dennoch die eigentlich erwünschte Lebensform – trotz des permanent seit Jahrzehnten boomenden Scheidungslevels, trotz der Zunahme von Singles, Alleinerziehenden und nun auch von groß propagierten Gruppen von LSBTIQ in all der nun auch schulisch schmackhaft gemachten „Vielfältigkeit“!
Das Gender-Programm in der EU
Seit 1995 ist zudem in der EU mit wohlausgestatteten Instituten Gender-Mainstreaming installiert worden. Als ein pädagogisches Programm soll hier den Kindern bereits im Vorschulalter jeder Geschmack auf Familie aus dem Kopf gebracht werden. Sogar das Wort „Familie“ wird dort aus den Kinderbüchern gestrichen!
Sie sollen auch daran gehindert werden, in diesem Alter ihre geschlechtliche Identität zu festigen, wie es normalerweise geschieht. Stattdessen soll diese offengehalten werden, um nicht jenseits der Geschlechtsreife eine einseitige Mann-Frau-Anziehung zu bevorzugen, die natürlicherweise auf Familienbildung traditioneller Art abzielt.
Dem soll eben durch andere, angepriesen bessere, modernere, eben „vielfältige“ Lebensformen entgegengewirkt werden. Obgleich die Anlage als Mann oder als Frau – so weiß die Forschung heute – bereits im Fötus hormonell festgelegt wird, setzt man sich über diese hieb- und stichfesten Forschungsergebnisse einfach hinweg.
Die Abwertung der Familie wird auf dem Boden solcher Trends weitere gravierende negative Folgen haben. Diese ungute Fehleinschätzung ist jetzt bereits schuld daran, dass sich in der jungen Generation eine müde Heiratsscheu ausgebreitet hat: Immer mehr junge Frauen und junge Männer bleiben Singles, meist mit der Begründung, den passenden Partner nicht gefunden zu haben.
Bei den Männern ergibt die Befragung, dass sie unter ihren so selbstbewussten Kolleginnen keine entdeckt hätten, mit der sie sich Familiengründung vorstellen könnten: „Beherrschtwerden“ – das liege ihnen nicht, heißt es dann lakonisch.
Abschied von der klassischen Familie?
Eine Entwertung der Familie bedeutet es auch, dass die kinderlosen Paare sowie nun auch die Gleichgeschlechtlichen-Ehe der traditionellen Familie gesetzlich und steuerlich angenähert worden sind. Ja, mittlerweile sind wir so weit, dass in den Medien jegliche Form, die von der traditionellen Familiengestaltung abweicht, als das interessantere, als das modernere Lebensmodell hochgelobt wird.
Das ist das Nonplusultra der Erweiterung des Familienbegriffs durch den Bundeskanzler Schröder als Großtat seiner Regierungszeit mit seiner neuen Definition: „Familie ist da, wo Kinder sind.“ Schon in der Schule soll nun durch diese überdehnte Definition von eheähnlichen Familiengemeinschaften auf die Langweiligkeit der traditionellen Familie hingewiesen werden.
Doch neuerdings hat sich gegen die Abwertung der Familie vielseitiger Widerstand entwickelt, in den Nachbarländern mehr noch als in Deutschland. Es scheint so, als forderen die negativen Erfahrungen mit den neuen Modellen dazu ebenso heraus wie die übertreibenden Absurditäten im Hauptstrom der Presse und deren digitalen Begeisterung für neue Auswüchse.
Schafft sich die Wahrheit unter der Betondecke zerstörerischer Übertreibungen wieder Raum? Denn die Familie ist ja nicht etwa eine veraltete, bourgeoise Einrichtung eines vergangenen 19. Jahrhunderts – wie weiter nachhaltig behauptet wird. Es gibt sie vielmehr vom Beginn der Menschheit an. Sie hat sich zwischen Dornen und Disteln durch ihren Zusammenhalt bewährt, besonders auch durch die Ausweitung zu einem Clan.
Sie erweist sich aber auch bis heute durch das Gedeihen derjenigen Kinder als unaufgebbar, die von liebevollen leiblichen Eltern abstammen; denn diese haben nun einmal, wenn sie seelisch gesund sind, das intensive Bedürfnis, ihre Kinder zu umlieben, sie zu beschützen und verantwortungsbewusst aufzuziehen. Das hat sich in der Geschichte als ein mächtiger kultivierender, die Gesellschaft erhaltender Faktor erwiesen.
Die Familie ist darüber hinaus eine besonders gute Basis für einen Weg, der zur Lebenserfüllung führt. Gesund herangewachsene Kinder zu haben, erzeugt ein tiefes Empfinden der Befriedigung. Familiendurchführung ist eine Chance, an der Fortführung der Menschheit mitzuwirken, ja mehr noch, etwas vom Schöpfer unvergänglich Gewolltes zu erfüllen: durch freiwillige Mitarbeit an der Schöpfung mitzuwirken.
Was sollte für Ehe und Familie unternommen werden?
Welche gesellschaftlichen Maßnahmen könnten eine konstruktive Änderung hervorrufen?
1.) Subventioniert werden sollten vor allem jene Mütter, die sich sonst eine ausschließliche Familienphase aus finanziellen Gründen nicht leisten könnten.
2.) Eine echte eigene Rente für Mütter müsste bereitgehalten werden, um ihrem hohen Arbeitseinsatz bei der Erziehung der Kinder Rechnung zu tragen und ihn so angemessen zu werten.
3.) Familienmüttern sollten nach der Familienpause Fortbildungskurse angeboten werden, um den Anschluss zum Erwerbsleben wiederzufinden.
4.) Das Gelingen der Familienarbeit sollte durch vorbereitende Erziehungskurse der werdenden Eltern unterstützt werden; denn die positiven Erfahrungen am Lebensanfang schaffen schließlich eine enorme Erleichterung der Fähigkeit, später zwischenmenschliche Beziehungen eingehen und erhalten zu können und zu Gott zu finden; denn die Verbindung zwischen Gott und Mensch kann gleichnishaft und unverkrampft am besten vorbereitend in einer christlichen Familie eingeübt werden.
FAZIT
Daraus wird deutlich: In der Familie manifestiert sich ein Auftrag Gottes. Psychologische Forschung und christliches Menschenbild haben sich in jüngster Zeit geradezu als deckungsgleich erwiesen. Nach christlicher Vorstellung ist der Mensch auf eine personale Liebesbeziehung zu seinem Gott, seinem Vater, hin angelegt.
Über Jesus Christus hat er die Möglichkeit bekommen, diese Beziehung zu verwirklichen. Er kann sich durch dessen Leben, seine Lehre und sein Sterben als ein von seinem Vater geliebtes Kind erleben, das auf dem Boden dieser Erkenntnis mit bewusster Gegenliebe antwortet. Dadurch wird eine innige und krafterfüllte Liebesbeziehung möglich, die den Menschen befähigt, diese Liebe an seine Mitmenschen weiterzugeben.
Die Kraft, die durch diese Liebesbeziehung gewonnen wird, macht es ihm möglich, seinen „natürlichen“ Menschen – den vitalen Egoismus – in zunehmendem Maße zu überwinden und von innen her im Geist Christi zu einer unverkrampften Opfer- und Vergebungsbereitschaft zu kommen.
Auf diese Weise wird der Mensch durch den Geist der Liebe aus materialistischer Gefangenschaft befreit, sodass er seinen Egoismus immer häufiger besiegen kann.
Die besten Voraussetzungen, um zu einer solchen Lebenserfüllung zu gelangen, bietet die Familie.