Studie zeigt: Deutlicher Rückgang der IT-Kompetenzen bei Achtklässlern in Deutschland

Studie zeigt: Deutlicher Rückgang der IT-Kompetenzen bei Achtklässlern in Deutschland

Es klingt paradox: Die Generation der Digital Natives, aufgewachsen in einer Welt voller Smartphones, Tablets und anderer digitaler Geräte, hat ein zunehmend geringeres Verständnis für die technischen Grundlagen dieser Technologien. Zu diesem ernüchternden Ergebnis kommt die „International Computer and Information Literacy Study“ (ICILS) 2023, die am Dienstag von der Kultusministerkonferenz vorgestellt wurde.

Die Studie, geleitet von Birgit Eickelmann von der Universität Paderborn, untersucht alle fünf Jahre die computer- und informationsbezogenen Fähigkeiten von Achtklässlern im internationalen Vergleich. Das Fazit der aktuellen Untersuchung: Während Deutschland weiterhin leicht über dem EU-Durchschnitt und im globalen Mittelfeld der 35 untersuchten Länder liegt, zeigt der langfristige Trend eine bedenkliche Entwicklung.

Deutlicher Abwärtstrend über zehn Jahre

Die durchschnittlichen Punktzahlen deutscher Achtklässler sind in den vergangenen zehn Jahren signifikant gesunken. Während 2013 noch 523 Punkte erreicht wurden, fiel der Wert 2018 auf 518 und liegt 2023 nur noch bei 502 Punkten. Das bedeutet einen klaren Kompetenzverlust, wie auch die Studienautoren betonen. Besonders alarmierend: Über 40 Prozent der Schüler erreichen lediglich die grundlegenden Kompetenzstufen, was als „sehr besorgniserregend“ eingestuft wird.

Große Unterschiede zwischen den Schulformen

Die Ergebnisse variieren deutlich je nach Schultyp: Gymnasiasten erzielten mit 559 Punkten Werte im Bereich der internationalen Spitzengruppe, während Schüler anderer Schulformen mit durchschnittlich 472 Punkten deutlich zurückblieben.

Die Untersuchung zeigt auch, dass nur ein kleiner Teil der Jugendlichen über herausragende Fähigkeiten verfügt. So erreichen lediglich 1,1 Prozent der Schüler die höchste Kompetenzstufe. Gleichzeitig wächst der Anteil der Jugendlichen mit nur sehr rudimentären IT-Kenntnissen. Besonders betroffen sind Kinder aus sozial benachteiligten Familien, mit Migrationshintergrund oder nicht-deutscher Familiensprache.

Technische Ausstattung allein reicht nicht

Trotz einer besseren technischen Ausstattung durch den Digitalpakt Schule – mittlerweile teilen sich fünf Schüler ein Endgerät, 2018 waren es noch zehn – bleibt der erhoffte Lernfortschritt aus. Studienleiterin Eickelmann betont, dass Geräte allein nicht genügen. Entscheidend sei ein sinnvoller, didaktischer Einsatz digitaler Medien im Unterricht. „Diese Jugendlichen, von denen wir glauben, sie seien Digital Natives, können oft nicht mehr als klicken und wischen“, so Eickelmann.

Besonders schwach schnitten die Schüler beim sogenannten „Computational Thinking“ ab. Dabei geht es darum, Probleme mithilfe von Informationstechnologie zu analysieren und zu lösen. Hier ist der Durchschnitt zwar niedrig, gleichzeitig gibt es aber auch eine besonders starke Spitzengruppe. Das unterstreicht laut Eickelmann, dass qualitativ hochwertiger Informatikunterricht große Wirkung zeigen kann.

Bildungsminister fordert ganzheitliche Konzepte

Der Bundesminister für Bildung, Cem Özdemir, sieht die bessere Ausstattung durch den Digitalpakt Schule als wichtigen ersten Schritt, mahnt aber weitere Maßnahmen an. „Die Ergebnisse zeigen, dass wir uns nicht auf der technischen Infrastruktur ausruhen dürfen. Wir brauchen ein umfassendes Konzept für digitale Bildung“, sagte Özdemir.

Besonders wichtig sei es, die Fortbildung von Lehrkräften und den gezielten Einsatz digitaler Medien im Unterricht zu fördern. „Es kann nicht sein, dass in einem technologisch fortgeschrittenen Land wie Deutschland so viele Jugendliche nicht sicher mit digitalen Medien umgehen können“, so Özdemir.

Digitalpakt 2.0 in weiter Ferne

Ob der angestrebte Digitalpakt 2.0 in der aktuellen Legislaturperiode noch Realität wird, bleibt fraglich. Die Verhandlungen zwischen Bund und Ländern gestalten sich zäh. Özdemir zeigte sich dennoch optimistisch und setzt auf konstruktive Gespräche: „Digitalisierung ist eine kontinuierliche Aufgabe, die uns alle angeht.“

Die Ergebnisse der ICILS-Studie sind ein Weckruf. Es braucht entschlossene Maßnahmen, um sicherzustellen, dass die nächste Generation nicht nur Benutzer, sondern auch Gestalter der digitalen Welt wird.