Studie: Berliner Schüler verklären DDR-Diktatur


Jugendliche aus den neuen Bundesländern wissen deutlich weniger über die DDR als ihre Altersgenossen in Bayern oder Nordrhein-Westfalen. Das geht aus einer Studie des Forschungsverbundes SED-Staat an der Freien Universität hervor, die gestern präsentiert worden ist. Befragt wurden insgesamt 5200 Schüler im Alter von 16 und 17 Jahren in Bayern, NRW, Brandenburg und Berlin.

Demnach gibt es erhebliche Wissenslücken unter den Jugendlichen. So wußten die meisten nicht, wer 1961 die Mauer errichtet hat. Viele tippten auf die Bundesrepublik oder die Alliierten. Fast die Hälfte der ostdeutschen und 66 Prozent der westdeutschen Schüler bejahte die Aussage "Die DDR war keine Diktatur, die Menschen mußten sich nur wie überall anpassen." Die meisten kannten nicht einmal die Unterschiede zwischen Diktatur und Demokratie.

Der Vergleich der Bundesländer zeigt, daß vor allem die Schüler im Osten Berlins die geringsten Kenntnisse über die DDR haben.

Erstaunlich sei, so der Autor der Studie, Klaus Schroeder, daß die Verharmlosung der DDR im Laufe der Jahre eher zunehme. Nach der Wende hätten die Ostdeutschen den DDR-Staat noch deutlich kritischer gesehen als heute.

Versagen wirft Schroeder der Verwaltung vor allem bei der Personalpolitik vor. Lehrer, die bereits in der DDR ideologisch belastete Fächer unterrichtet haben, sollten heute nicht mehr Geschichte und Sozialkunde geben, so Schroeder.

Schroeder plädiert dafür, alle Berliner Schulen zu einem Besuch einer Gedenkstätte zu verpflichten.

Die jüngsten Besucherzahlen des Stasi-Gefängnisses in Hohenschönhausen untermauern diese Aussage. Demnach ist die Zahl der jungen Berliner Besucher in der Gedenkstätte seit 2003 von 9500 auf 5950 im Jahr 2007 gesunken. Gleichzeitig hat sich die Zahl der westdeutschen Besucher verdreifacht.

Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) äußerte sich besorgt über die Ergebnisse der Studie. «Die Wissenslücken mit Blick auf die jüngste Geschichte sind schon frappierend», sagte er.

Die CDU hat im Abgeordnetenhaus einen Antrag eingebracht, nach dem in der Grundstufe, in der Mittelstufe und in der Oberstufe jeweils ein Besuch der kommunistischen Folter- und Gefangenenlager zur Pflicht gemacht wird.

Der Vorstandsvorsitzende der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, Rainer Eppelmann, regte an, die Lehrpläne für den Geschichtsunterricht zu aktualisieren.

Die Thüringer CDU-Landtagsfraktion forderte von den Schulen und anderen Bildungseinrichtungen, das vom Kultusministerium für 2009 vorbereitete «Jahr der Demokratie» zu nutzen, um ein zutreffendes DDR-Bild zu vermitteln. Durch fehlende zeitgeschichtliche Kenntnisse leide das politische Urteilsvermögen von Schülern, erklärte die jugendpolitische Sprecherin der CDU-Fraktion, Beate Meißner, am 19. Juli 2008 in Erfurt.

Auch die hessische FDP-Landtagsfraktion sprach sich für eine Änderung der Lehrpläne aus. «Daß DDR und Stasi für Bespitzelung, Unterdrückung der Bevölkerung und in Mauerdrähten und Minenfeldern ermordete Menschen stehen, ist den meisten Schülern nicht bewußt», sagte der innenpolitische Sprecher der FDP-Landtagsfraktion in Hessen, Wolfgang Greilich.