Sprachstörung: Trotz enormen technischen Fortschritts entwickeln wir uns zum Agrammatismus

Christiane Jurczik

Jeder Humanwissenschaftler, ob Biologe, Pädagoge, Psychologe oder Mediziner weiß, dass Bildung nur aufgrund einer sprachlich differenzierten Basis gelingen kann, wie ihn Elternhäuser seit Menschengedenken garantieren. Entgegen allen wissenschaftlichen Erkenntnissen haben es in Europa Politik und Wirtschaft durchgesetzt, dass Klein- und Schulkinder auf die Präsenz ihrer Eltern zu verzichten haben. Das Ergebnis lässt sich an jeder neuen Statistik ablesen: Das Bildungsniveau sinkt beständig.

Das Kultusministerium spricht von 40 Prozent der Kinder mit Sprachproblemen. Außerdem entspreche der Entwicklungsstand von 25 bis 30 Prozent aller Kinder und Jugendlichen nicht ihrem Alter, sind also zurückgeblieben. Nie gekannte Defizite innerhalb von knapp zwei Jahrzehnten! Kann es ein größeres Desaster für eine Bildungsnation geben? Die Schuld der Kinder ist dies nicht, sondern unser sträflicher Umgang mit ihnen.

Um die Muttersprache zu erlernen braucht ein Kind den sprachlichen und interaktiven Austausch, die „Zuwendung und Ansprache durch die Eltern“ – wie die Deutsche Gesellschaft für Sprachwissenschaft fordert. Präsente Eltern können folglich ohne Sprachlernprogramme im täglichen Allerlei sozusagen nebenher den Lernprozess begleiten. Wenn allerdings in einer Kitagruppe von bis zu acht Kindern für jedes Kleinkind nur höchstens 30 Minuten direkte Ansprache durch eine Betreuerin bleibt (so eine einschlägige Studie), so verhungert ein Kind sprachlich. Von den anderen sieben Kleinkindern lernt es nur Babysprache. Vorstellbar ist auch, dass sensible Kinder eine psychische Barriere gegenüber der Sprache einer Nicht-Mama entwickeln. Sie weigern sich, deren Sprache zu akzeptieren.

Wir müssen uns also schon fragen, wie sinnvoll es ist, Kindern zuerst ihre natürlichen Bezugspersonen zu verweigern, um hinterher mit vielen Millionen deren misslungenen Spracherwerb künstlich zu reparieren.

Mit Informationen aus Schwäbische Zeitung 25. 01. 2019

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