Sexualisierte Gewalt: Hauptrisiko sind gleichaltrige Jugendliche
PM des Hessischen Kultusministerium zur neuen Untersuchung zu Erfahrungen von Jugendlichen mit sexualisierter Gewalt
„Das Hauptrisiko für sexualisierte Gewalt sind andere Jugendliche, das heißt Gleichaltrige“, sagten Prof. Dr. Sabine Maschke und Prof. Dr. Ludwig Stecher und benannten damit einen zentralen Befund ihrer Untersuchung. Die Erziehungswissenschaftlerin von der Philipps-Universität Marburg und der Geschäftsführende Direktor des Instituts für Erziehungswissenschaft der Justus-Liebig-Universität Gießen haben heute in Wiesbaden die Ergebnisse der vom Hessischen Kultusministerium in Auftrag gegebenen SPEAK!-Studie über „Sexualisierte Gewalt in der Erfahrung Jugendlicher“ vorgestellt. „Die Ergebnisse zeigen, dass sexualisierte Gewalt – insbesondere in verbaler, aber auch in körperlicher Form – zur Erfahrungswelt vieler Jugendlicher gehört. Deshalb ist es für uns wichtig, Schulen als Schutz- und Präventionsorte weiter zu stärken“, erklärte Kultusminister Prof. Dr. R. Alexander Lorz und dankte den beiden Professoren für ihre Arbeit, die Licht ins Dunkel gebracht und dabei wertvolle Erkenntnisse auch für die pädagogische Arbeit an Schulen erbracht habe.
„Das Besondere an der Speak!-Studie ist, dass sie nicht nur die Perspektive der unmittelbar Betroffenen einbezieht, sondern auch die von Jugendlichen, die sexualisierte Gewalt beobachtet haben oder auch selbst ausgeübt haben“, erläuterte Prof. Maschke. Der Blick auf drei Perspektiven erlaube auch eine Darstellung der Zusammenhänge von sexualisierter Gewalt und der Lebenswelt der Jugendlichen, zu der bspw. Schulfreude oder auch Pornografiekonsum gehörten. „Die Schule ist für nicht-körperliche Formen sexualisierter Gewalt ein risikoreicher Ort. Gleichzeitig kann Schule ein bedeutender Ort für die Präventionsarbeit sein“, so Maschke. „Der Fragebogen wurde von allen Schülerinnen und Schülern mit großer Ernsthaftigkeit ausgefüllt. Die Jugendlichen geben im Fragebogen zu vielen Fragen zusätzlich wichtige Hinweise und Ratschläge für den Umgang mit sexualisierter Gewalt. Dafür möchten wir allen sehr herzlich danken.“
Was hat die Studie mit welchen Ergebnissen untersucht?
Als eines der sogenannten „Basis-Instrumente“ wurden Erfahrungen nicht-körperlicher sexualisierter Gewalt abgefragt. Das beginnt mit der Aussage „Jemand hat über mich Gerüchte sexuellen Inhalts verbreitet“ geht über die Konfrontation mit sexuellen Handlungen, wie bspw. jemanden dazu zu zwingen, pornografische Bilder oder Filme anzusehen bis dahin, dass ein Schüler oder eine Schülerin zum Opfer wird, indem von ihm oder ihr intime Fotos oder Filme ins Internet gestellt werden. „Knapp die Hälfte der Jugendlichen erlebt nicht-körperliche Formen sexualisierter Gewalt, es werden sexuelle Witze über sie gemacht, oder sie werden als schwul oder lesbisch in abwertender Form bezeichnet“, erläuterte Prof. Stecher. „Verbreitet ist aus unserer Sicht eine sexualisierte Beschimpfungs-‚Kultur‘ unter den Jugendlichen. Mädchen sind darüber hinaus im Besonderen von Exhibitionismus und von Belästigungen im Internet betroffen.“
„Knapp ein Viertel der 14- bis 16-Jährigen berichtet über körperliche sexualisierte Gewalterfahrungen wie gegen den Willen angetatscht, geküsst oder am Geschlechtsteil berührt zu werden. Erfahrungen, die jedes dritte Mädchen in diesem Alter bereits mindestens einmal gemacht hat“, so Stecher über die Ergebnisse der Befragung über das zweite Basis-Instrument körperliche sexualisierte Gewalt. Bei diesen Ergebnissen ist die Diskrepanz zwischen der Zahl der Mädchen, die solche Erfahrungen gemacht haben, und der Zahl der Jungen noch einmal deutlich größer als bei den Erfahrungen nicht-körperlicher sexualisierter Gewalt. „Mädchen sind einem besonders hohen Risiko ausgesetzt, sexualisierte Gewalt zu erleben“, hebt Stecher hervor. „Schwere Formen wiederholter körperlicher sexualisierter Gewalt erlebt mehr als jedes zehnte Mädchen (Jungen zu 3 Prozent).“
„Sexualisierte Gewalterfahrungen sind nicht folgenlos für die Betroffenen, sondern wirken in viele Lebensbereiche der Jugendlichen hinein. Betroffene gehen weniger gerne zur Schule, fühlen sich in ihrer Familie weniger wohl, haben ein negativeres Bild von sich selbst und berichten häufiger von Mobbingerfahrungen in der Schule als andere Jugendliche“, erläutert Prof. Maschke die Folgen für betroffene Jugendliche. „Ein aus unserer Sicht ernst zu nehmender Befund ist der hohe Pornografiekonsum männlicher Jugendlicher. 42 Prozent der 14- bis 16-Jährigen schauen mindestens einmal in der Woche Pornos, für die in den meisten Fällen eine Altersbeschränkung von 18 Jahren gilt. Die Studie zeigt, dass sich das Bild auf Sexualität bei den Dauernutzern ändert.“
Prävention – Möglichkeiten in der Schule
Maschke und Stecher raten, den Fokus bei der Prävention nicht allein auf sexuellen Missbrauch und erwachsene Täter zu richten. Die Sensibilisierung für sexualisierte Gewalt müsse vor allem unter Gleichaltrigen erfolgen. Denn insbesondere von diesen gehe sie auch aus. Ziel müsse sein, durch geeignete Präventionsinstrumente der sexualisierten „Beschimpfungs-Kultur“ oder auch Homophobie entgegen zu wirken. Dazu beitragen könne bspw. der erfolgreiche Umgang mit Medien, also die Stärkung der Medienkompetenz, um diese ohne „erhobenen Zeigefinger“ besser bewerten und reflektieren zu können. Und: „Schule steht vor der Herausforderung, Sozialisations- und Erfahrungsräume zu schaffen, die Sicherheit gewährleisten, aber gleichzeitig dem Wunsch der Heranwachsenden nach Freiraum und Eigengestaltung nachkommen“, sagte Prof. Maschke.
Warum wurde die Studie in Auftrag gegeben?
Die Hessische Landesregierung hat im Mai 2012 den „Aktionsplan des Landes Hessen zum Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexueller Gewalt in Institutionen“ (LAK) beschlossen. Der Plan wurde unter der Federführung des Justizministeriums gemeinsam mit dem Innenministerium, dem Sozialministerium und dem Kultusministerium erarbeitet. „Schule kommt bei der Präventionsarbeit gegen sexuellen Kindesmissbrauch eine besondere Rolle zu“, betonte Kultusminister Lorz. „Als ein besonderer institutioneller Schutzraum hat die Schule präventiv gegen sexualisierte Gewalt zu arbeiten und sie muss in der Lage sein, Opfer zu schützen bzw. ihnen fachkundige Unterstützung zu vermitteln.“ Um Hilfe- und Unterstützungsangebote sowie Präventionsmaßnahmen bedarfsgerecht (weiter-)zu entwickeln, sei eine Arbeitsgrundlage notwendig gewesen, die den Bereich sexualisierter Gewalt aus der Sicht Jugendlicher detailliert erfasst. Denn: Präzise Statistiken und repräsentative Untersuchungen darüber, wie viele Fälle es in welchen Bereichen gibt, fehlten für Deutschland weitgehend. „Dank der Beauftragung der Philipps-Universität Marburg mit der Durchführung der nun vorliegenden Studie in Kooperation mit der Justus Liebig-Universität Gießen konnte diese Lücke nun geschlossen werden“, so Lorz.
Was tut Hessen bereits in Sachen Prävention?
Der Kultusminister verwies in diesem Zusammenhang aber auch auf den Katalog aktueller Maßnahmen, die für die hessischen Schulen bereits auf den Weg gebracht worden sind:
Die Handreichung zum Umgang mit sexuellen Übergriffen im schulischen Kontext liegt allen hessischen Schulen in einer überarbeiteten Fassung vor. Sie steht auch als Download zur Verfügung. Zur Unterstützung der Schulen im Umgang mit der Handreichung wird diese auch auf Schulleiter-Dienstversammlungen vorgestellt und diskutiert.
Hessen beteiligt sich an der Kampagne des Unabhängigen Beauftragten für Fragen sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM) „Schule gegen sexuelle Gewalt“ und hat allen hessischen Schulen entsprechende Infomappen zur Verfügung gestellt. Die UBSKM-Initiative unterstützt Schulen bei der Erarbeitung eigener Schutzkonzepte durch gezielte Informationen und das Fachportal "Schule gegen sexuelle Gewalt". Auf diesem sind auch die hessischen Landesseiten freigeschaltet.
Es wird weitere Qualifizierungsreihen zur Schulung der schulischen Ansprechpersonen gegen sexuelle Übergriffe in den einzelnen Schulamtsbezirken geben: 2016 Kassel und Weilburg, 2017 in Gießen, Fulda, Bebra, Offenbach und Wiesbaden. 2018 dann in den restlichen Schulamtsbezirken.
Das Theaterstück „Trau dich!“, das Kinder informieren, ihnen Selbstbewusstsein geben und sie zum Thema Missbrauch aufklären soll, wird 2017 an mehreren Standorten in Hessen stattfinden und zukünftig vom Schultheaterstudio Frankfurt im Rahmen einer Kooperation des Kultusministeriums mit der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung angeboten!
Kultusminister Lorz versicherte zum Abschluss, dass das Land auch weiterhin alle sinnvollen Präventionsmaßnahmen unterstützen und die Schulen zur Umsetzung animieren werde. „Klar ist für uns auch, dass die Erkenntnisse der Studie auch in die Lehreraus- und -fortbildung einfließen sollen. Der Auftrag für eine Folgestudie an den Förderschulen ist bereits erteilt. Für den Bereich der Schulen wollen wir unseren Beitrag leisten, dass sexualisierte Gewalt für Jugendliche künftig wieder seltener zur persönlichen Erfahrung wird und stattdessen der wertschätzende und diskriminierungsfreie Umgang miteinander gestärkt und gefördert wird.“
Hintergrund zur Methodik:
Die groß angelegte Studie mit dem Titel „SPEAK! Sexualisierte Gewalt in der Erfahrung Jugendlicher“ ist eine repräsentative Befragung von Jugendlichen im Alter zwischen 14 und 16 Jahren. Insgesamt 2.719 Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufen 9 und 10 an allgemeinbildenden Schulen in Hessen wurden dafür mittels eines standardisierten Fragebogens anonym befragt.
„Das Hauptrisiko für sexualisierte Gewalt sind andere Jugendliche, das heißt Gleichaltrige“, sagten Prof. Dr. Sabine Maschke und Prof. Dr. Ludwig Stecher und benannten damit einen zentralen Befund ihrer Untersuchung. Die Erziehungswissenschaftlerin von der Philipps-Universität Marburg und der Geschäftsführende Direktor des Instituts für Erziehungswissenschaft der Justus-Liebig-Universität Gießen haben heute in Wiesbaden die Ergebnisse der vom Hessischen Kultusministerium in Auftrag gegebenen SPEAK!-Studie über „Sexualisierte Gewalt in der Erfahrung Jugendlicher“ vorgestellt. „Die Ergebnisse zeigen, dass sexualisierte Gewalt – insbesondere in verbaler, aber auch in körperlicher Form – zur Erfahrungswelt vieler Jugendlicher gehört. Deshalb ist es für uns wichtig, Schulen als Schutz- und Präventionsorte weiter zu stärken“, erklärte Kultusminister Prof. Dr. R. Alexander Lorz und dankte den beiden Professoren für ihre Arbeit, die Licht ins Dunkel gebracht und dabei wertvolle Erkenntnisse auch für die pädagogische Arbeit an Schulen erbracht habe.
„Das Besondere an der Speak!-Studie ist, dass sie nicht nur die Perspektive der unmittelbar Betroffenen einbezieht, sondern auch die von Jugendlichen, die sexualisierte Gewalt beobachtet haben oder auch selbst ausgeübt haben“, erläuterte Prof. Maschke. Der Blick auf drei Perspektiven erlaube auch eine Darstellung der Zusammenhänge von sexualisierter Gewalt und der Lebenswelt der Jugendlichen, zu der bspw. Schulfreude oder auch Pornografiekonsum gehörten. „Die Schule ist für nicht-körperliche Formen sexualisierter Gewalt ein risikoreicher Ort. Gleichzeitig kann Schule ein bedeutender Ort für die Präventionsarbeit sein“, so Maschke. „Der Fragebogen wurde von allen Schülerinnen und Schülern mit großer Ernsthaftigkeit ausgefüllt. Die Jugendlichen geben im Fragebogen zu vielen Fragen zusätzlich wichtige Hinweise und Ratschläge für den Umgang mit sexualisierter Gewalt. Dafür möchten wir allen sehr herzlich danken.“
Was hat die Studie mit welchen Ergebnissen untersucht?
Als eines der sogenannten „Basis-Instrumente“ wurden Erfahrungen nicht-körperlicher sexualisierter Gewalt abgefragt. Das beginnt mit der Aussage „Jemand hat über mich Gerüchte sexuellen Inhalts verbreitet“ geht über die Konfrontation mit sexuellen Handlungen, wie bspw. jemanden dazu zu zwingen, pornografische Bilder oder Filme anzusehen bis dahin, dass ein Schüler oder eine Schülerin zum Opfer wird, indem von ihm oder ihr intime Fotos oder Filme ins Internet gestellt werden. „Knapp die Hälfte der Jugendlichen erlebt nicht-körperliche Formen sexualisierter Gewalt, es werden sexuelle Witze über sie gemacht, oder sie werden als schwul oder lesbisch in abwertender Form bezeichnet“, erläuterte Prof. Stecher. „Verbreitet ist aus unserer Sicht eine sexualisierte Beschimpfungs-‚Kultur‘ unter den Jugendlichen. Mädchen sind darüber hinaus im Besonderen von Exhibitionismus und von Belästigungen im Internet betroffen.“
„Knapp ein Viertel der 14- bis 16-Jährigen berichtet über körperliche sexualisierte Gewalterfahrungen wie gegen den Willen angetatscht, geküsst oder am Geschlechtsteil berührt zu werden. Erfahrungen, die jedes dritte Mädchen in diesem Alter bereits mindestens einmal gemacht hat“, so Stecher über die Ergebnisse der Befragung über das zweite Basis-Instrument körperliche sexualisierte Gewalt. Bei diesen Ergebnissen ist die Diskrepanz zwischen der Zahl der Mädchen, die solche Erfahrungen gemacht haben, und der Zahl der Jungen noch einmal deutlich größer als bei den Erfahrungen nicht-körperlicher sexualisierter Gewalt. „Mädchen sind einem besonders hohen Risiko ausgesetzt, sexualisierte Gewalt zu erleben“, hebt Stecher hervor. „Schwere Formen wiederholter körperlicher sexualisierter Gewalt erlebt mehr als jedes zehnte Mädchen (Jungen zu 3 Prozent).“
„Sexualisierte Gewalterfahrungen sind nicht folgenlos für die Betroffenen, sondern wirken in viele Lebensbereiche der Jugendlichen hinein. Betroffene gehen weniger gerne zur Schule, fühlen sich in ihrer Familie weniger wohl, haben ein negativeres Bild von sich selbst und berichten häufiger von Mobbingerfahrungen in der Schule als andere Jugendliche“, erläutert Prof. Maschke die Folgen für betroffene Jugendliche. „Ein aus unserer Sicht ernst zu nehmender Befund ist der hohe Pornografiekonsum männlicher Jugendlicher. 42 Prozent der 14- bis 16-Jährigen schauen mindestens einmal in der Woche Pornos, für die in den meisten Fällen eine Altersbeschränkung von 18 Jahren gilt. Die Studie zeigt, dass sich das Bild auf Sexualität bei den Dauernutzern ändert.“
Prävention – Möglichkeiten in der Schule
Maschke und Stecher raten, den Fokus bei der Prävention nicht allein auf sexuellen Missbrauch und erwachsene Täter zu richten. Die Sensibilisierung für sexualisierte Gewalt müsse vor allem unter Gleichaltrigen erfolgen. Denn insbesondere von diesen gehe sie auch aus. Ziel müsse sein, durch geeignete Präventionsinstrumente der sexualisierten „Beschimpfungs-Kultur“ oder auch Homophobie entgegen zu wirken. Dazu beitragen könne bspw. der erfolgreiche Umgang mit Medien, also die Stärkung der Medienkompetenz, um diese ohne „erhobenen Zeigefinger“ besser bewerten und reflektieren zu können. Und: „Schule steht vor der Herausforderung, Sozialisations- und Erfahrungsräume zu schaffen, die Sicherheit gewährleisten, aber gleichzeitig dem Wunsch der Heranwachsenden nach Freiraum und Eigengestaltung nachkommen“, sagte Prof. Maschke.
Warum wurde die Studie in Auftrag gegeben?
Die Hessische Landesregierung hat im Mai 2012 den „Aktionsplan des Landes Hessen zum Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexueller Gewalt in Institutionen“ (LAK) beschlossen. Der Plan wurde unter der Federführung des Justizministeriums gemeinsam mit dem Innenministerium, dem Sozialministerium und dem Kultusministerium erarbeitet. „Schule kommt bei der Präventionsarbeit gegen sexuellen Kindesmissbrauch eine besondere Rolle zu“, betonte Kultusminister Lorz. „Als ein besonderer institutioneller Schutzraum hat die Schule präventiv gegen sexualisierte Gewalt zu arbeiten und sie muss in der Lage sein, Opfer zu schützen bzw. ihnen fachkundige Unterstützung zu vermitteln.“ Um Hilfe- und Unterstützungsangebote sowie Präventionsmaßnahmen bedarfsgerecht (weiter-)zu entwickeln, sei eine Arbeitsgrundlage notwendig gewesen, die den Bereich sexualisierter Gewalt aus der Sicht Jugendlicher detailliert erfasst. Denn: Präzise Statistiken und repräsentative Untersuchungen darüber, wie viele Fälle es in welchen Bereichen gibt, fehlten für Deutschland weitgehend. „Dank der Beauftragung der Philipps-Universität Marburg mit der Durchführung der nun vorliegenden Studie in Kooperation mit der Justus Liebig-Universität Gießen konnte diese Lücke nun geschlossen werden“, so Lorz.
Was tut Hessen bereits in Sachen Prävention?
Der Kultusminister verwies in diesem Zusammenhang aber auch auf den Katalog aktueller Maßnahmen, die für die hessischen Schulen bereits auf den Weg gebracht worden sind:
Die Handreichung zum Umgang mit sexuellen Übergriffen im schulischen Kontext liegt allen hessischen Schulen in einer überarbeiteten Fassung vor. Sie steht auch als Download zur Verfügung. Zur Unterstützung der Schulen im Umgang mit der Handreichung wird diese auch auf Schulleiter-Dienstversammlungen vorgestellt und diskutiert.
Hessen beteiligt sich an der Kampagne des Unabhängigen Beauftragten für Fragen sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM) „Schule gegen sexuelle Gewalt“ und hat allen hessischen Schulen entsprechende Infomappen zur Verfügung gestellt. Die UBSKM-Initiative unterstützt Schulen bei der Erarbeitung eigener Schutzkonzepte durch gezielte Informationen und das Fachportal "Schule gegen sexuelle Gewalt". Auf diesem sind auch die hessischen Landesseiten freigeschaltet.
Es wird weitere Qualifizierungsreihen zur Schulung der schulischen Ansprechpersonen gegen sexuelle Übergriffe in den einzelnen Schulamtsbezirken geben: 2016 Kassel und Weilburg, 2017 in Gießen, Fulda, Bebra, Offenbach und Wiesbaden. 2018 dann in den restlichen Schulamtsbezirken.
Das Theaterstück „Trau dich!“, das Kinder informieren, ihnen Selbstbewusstsein geben und sie zum Thema Missbrauch aufklären soll, wird 2017 an mehreren Standorten in Hessen stattfinden und zukünftig vom Schultheaterstudio Frankfurt im Rahmen einer Kooperation des Kultusministeriums mit der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung angeboten!
Kultusminister Lorz versicherte zum Abschluss, dass das Land auch weiterhin alle sinnvollen Präventionsmaßnahmen unterstützen und die Schulen zur Umsetzung animieren werde. „Klar ist für uns auch, dass die Erkenntnisse der Studie auch in die Lehreraus- und -fortbildung einfließen sollen. Der Auftrag für eine Folgestudie an den Förderschulen ist bereits erteilt. Für den Bereich der Schulen wollen wir unseren Beitrag leisten, dass sexualisierte Gewalt für Jugendliche künftig wieder seltener zur persönlichen Erfahrung wird und stattdessen der wertschätzende und diskriminierungsfreie Umgang miteinander gestärkt und gefördert wird.“
Hintergrund zur Methodik:
Die groß angelegte Studie mit dem Titel „SPEAK! Sexualisierte Gewalt in der Erfahrung Jugendlicher“ ist eine repräsentative Befragung von Jugendlichen im Alter zwischen 14 und 16 Jahren. Insgesamt 2.719 Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufen 9 und 10 an allgemeinbildenden Schulen in Hessen wurden dafür mittels eines standardisierten Fragebogens anonym befragt.