„Schaut nicht weg!“ – Stephanie zu Guttenberg’s Kirchenschelte ist wenig hilfreich
Paul Herzog von Oldenburg„Haben wir nicht schon immer gewusst, dass gerade die Machtstrukturen der katholischen Kirche und deren teils weltfremde Sexualmoral den sexuellen Missbrauch von Kindern und Jugendlichen durch einzelne Täter erst begünstigen?“
Sie meinen, das ist ein Auszug aus einem Artikel der TAZ, der Frankfurter Rundschau oder von Wir sind Kirche? Nein, dies stammt aus dem Buch (S.116) von Stephanie Freifrau zu Guttenberg, „Schaut nicht weg!“, in dem sie den Mißbrauch von Kindern thematisiert.
Es ist zu begrüßen, daß die prominente Ministergattin sich zu diesem Thema äußert. Doch mit dem Einschlagen auf die katholische Kirche, in der „massenhaft“ sexueller Mißbrauch betrieben wurde, was „wir [...] schon immer geahnt [haben]“ geht sie zu weit.
Diese Wortwahl hatten wir eigentlich schon hinter uns gelassen und erkannt, daß das Problem des Mißbrauchs von Kindern eben kein spezifisches Problem der katholischen Kirche ist.
Ganz im Gegenteil. Massimo Introvigne, Autor des Buches „Preti pedofili: La vergogna, il dolore e la verità sull'attacco a Benedetto XVI (dt. Pädophile Priester, der Schmerz und die Wahrheit über die Angriffe auf Benedikt XVI.) zitiert die Studie von Philip Jenkins aus dem Jahr 1996 „Pedophiles and Priests. Anatomy of a Contemporary Crisis“. Diese zeigt, daß in den Vereinigten Staaten der Prozentsatz pädophiler katholischer Priester abhängig von der Region zwischen 0,2 und 1,7 % schwankt. Bei den Protestanten, bei denen es ja bekanntlich keinen Zölibat gibt, sind 10 % an sexuellen Mißbräuchen beteiligt und 2 – 3 % sind pädophil. Besonders schwerwiegend ist die Situation unter den Anglikanern. So schreibt ein Bericht des evangelischen Informationsdienstes „Christian Ministry Resources“, daß es in den Vereinigten Staaten 70 Anzeigen (keine Verurteilungen!) im Jahr 2002 pro Woche gab. Der schon zitierte Jenkins berichtet von 39 Fällen allein im Jahr 1992. Wesentlich höher sind die Zahlen von Mißbräuchen seitens Sportlehrer und sonstigen Lehrkräften an den Schulen.
Aber auch sonstige Statistiken zeigen: Die Fälle sexuellen Mißbrauchs in der katholischen Kirche sind prozentual viel geringer, als die in anderen Organisationen, Berufsgruppen oder gesellschaftliche Gruppen.
Es ist also ein Phänomen, das die gesamte Gesellschaft betrifft.
Selbst der SPIEGEL hat dies einsehen müssen und die Alt68er zu Recht aufgefordert, ihre große Mitschuld an dieser Entwicklung einzugestehen. (siehe http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-71029982.html )
Leider irrt Stephanie zu Guttenberg auch in einem weiteren Punkt. „Natürlich ist es nicht per se bedenklich, wenn sich Jugendliche im Internet hin und wieder Pornos ansehen“, kann man unter Staunen auf Seite 136 nachlesen. Per se, verehrte Autorin, sind aber Pornos für alle, und insbesondere für Kinder und Jugendliche, schädlich. Die Bilder graben sich tief ein in die Seele und wirken verstörend und zerstören die Scham und die Unschuld der Kinder. Es wird nicht bei einem Mal bleiben, denn die Anziehungskraft ist zu groß. In den vielen Büchern von Christa Meves kann man das nachlesen.
„Während wir früher also verschämt Pornoheftchen in irgendwelchen Schränkchen bei irgendwelchen Eltern, Großeltern oder Bekannten ausfindig machten, gehen die Teenager von heute eben online“ so liest man weiter auf Seite 136. Nein, Stephanie zu Guttenberg hätte auch früher keine Pornohefte ausfindig machen dürfen, ebensowenig wie heute die Kinder nicht mit Pornos in Berührung kommen dürfen, was immer schwieriger wird zu kontrollieren.
Die Sexualisierung der Kinder und Jugendlichen ist eines der gravierendsten Themen, mit dem sich unsere Gesellschaft auseinander zu setzen hat. Diese Entwicklung begann vor über 40 Jahren und die Früchte sind erschreckend. Deshalb ist es so immens wichtig, dieses Problem von der Wurzel her zu analysieren. Wir müssen wieder über Moral sprechen. Wir müssen über Tugenden sprechen, die vergessen sind. Schon 1936 hat Wilhelm Reich über die Sexuelle Revolution geschrieben, mit Hilfe derer die bestehende bürgerlich kapitalistische Gesellschaftsstruktur zerstört werden muß. Die Sexualisierung der Kinder steht bei ihm an vorderster Stelle der Prioritäten.
Die einzige Institution, die hier ein Standardwerk zu bieten hat, ist die katholische Kirche. Die Sexualmoral der Kirche sorgt sich um die gesamte Natur des Menschen. Das erkennt derjenige, der sich wirklich mit ihr auseinander setzt.