Rundfunk- und Telemedien-Prüffälle der KJM im zweiten Halbjahr 2014

(KJM-Pressemitteilung) Die Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) hat im zweiten Halbjahr 2014 insgesamt 50 Verstöße gegen die Bestimmungen des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags (JMStV) festgestellt. 18 davon kommen aus dem Rundfunk-, 32 aus dem Telemedienbereich. Die KJM beschloss – je nach Art und Schwere der Verstöße – Beanstandungen, Untersagungen und/oder Geldbußen. Die entsprechenden Verwaltungs- und Ordnungswidrigkeitenverfahren führen die jeweils zuständigen Landesmedienanstalten durch. Strafrechtlich relevante Inhalte geben die Landesmedienanstalten an die zuständigen Staatsanwaltschaften ab.

Bei der Aufsicht über den Rundfunk arbeitet die KJM Hand in Hand mit den Landesmedienanstalten: Sie beobachten, prüfen und bewerten potenziell problematische Rundfunkangebote und leiten – bei Feststellen eines Anfangsverdachts auf einen Verstoß gegen den JMStV – der KJM die entsprechenden Prüffälle zur Entscheidung zu. Im Internetbereich unterstützen jugendschutz.net und die Landesmedienanstalten die KJM bei ihren Aufgaben: So treten jugendschutz.net oder auch die Landesmedienanstalten bei der Annahme von Verstößen vorab an die Anbieter heran und fordern, entsprechende Inhalte freiwillig herauszunehmen. Auf diese Weise können viele Internetfälle ohne aufwändiges Verfahren geklärt werden. Erst bei Nichtabhilfe oder in besonders schweren Fällen schreitet die KJM ein.

Indizierungen fallen in das Aufgabengebiet der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM). Die KJM ist in dem Zusammenhang einerseits für die Abgabe von Stellungnahmen zu Indizierungsanträgen im Bereich der Telemedien zuständig und kann andererseits selbst Indizierungsanträge stellen.

Rundfunk

Eine Entwicklungsbeeinträchtigung für unter 16-Jährige (Sendezeitgrenze 22:00 Uhr) stellte die KJM in folgenden Fällen fest:

N24 verbreitete ab 17:08 Uhr die Sendung „N24 Reportage: Krieg im Frieden - Die War and Peace Show“. Das Angebot berichtet von der jährlich in Süd-England stattfindenden „War and Peace Show“, bei der historische Schlachten vergangener Kriege möglichst originalgetreu nachgestellt werden. Zusätzlich zeigt die Reportage auch originales Bildmaterial historischer Kriege. Aufgrund der weitgehend einseitigen und unkritischen Präsentation des Themas „Krieg“, sowie des ironisch-sarkastischen Grundtons der Off-Kommentare, ist die Sendung nach Auffassung der KJM entwicklungsbeeinträchtigend für Kinder oder Jugendliche unter 16 Jahren.

ProSieben MAXX strahlte an zwei Tagen jeweils ab 20:15 Uhr die dritte Staffel der US-Serie „Die Borgias“ aus. Dabei handelt es sich nach Auffassung der KJM an beiden Abenden um jeweils eine inhaltlich zusammenhängende Sendung. Die im 15. Jahrhundert angesiedelte Serie handelt von Machterhaltung und -gewinnung der Familie Borgia durch Gewalt, Mord und Verrat. Gewalt- bzw. Ermordungs- und Folterszenen werden dabei oft ausführlich ausgespielt und Verletzungen sind meist deutlich im Bild zu sehen. Dabei werden diese Bilder häufig durch zynische bzw. verachtende Kommentare der Täter begleitet. Außerdem werden sexuelle Handlungen teilweise explizit dargestellt, wie z. B. im Falle einer inzestuösen Beziehung, die zudem nicht kritisch hinterfragt wird. Nach Auffassung der KJM sind die Sendungen für Kinder oder Jugendliche unter 16 Jahren entwicklungsbeeinträchtigend.

Weiterhin zeigte ProSieben MAXX die Sendung „Joko gegen Klaas – Das Duell um die Welt“, bestehend aus zwei Sendeteilen ab 20:15 Uhr. Die Sendung war zunächst im Programm von ProSieben ausgestrahlt worden und gelangte zur Zweitausstrahlung bei ProSieben MAXX. In der jugendaffinen Show treten die bei Jugendlichen beliebten Protagonisten zueinander in Konkurrenz und bestreiten Aufgaben, die gesundheitliche Risiken beinhalten. Die KJM problematisierte besonders die Sequenz, in der einem der Protagonisten die Lippen zugenäht werden, sowie die Bestrafungen eines der Protagonisten durch Boxschläge gegen den Kopf und mittels Stromschlägen in die Oberarme. Nach Auffassung der KJM ist die Sendung für Kinder oder Jugendliche unter 16 Jahren entwicklungsbeeinträchtigend.

SAT.1 zeigte ab 20:15 Uhr eine Folge der Spiel-Show „Mein Mann kann“, in der sich Paare miteinander messen. Bevor die Männer in der Sendung verschiedene Aufgaben erfüllen müssen, schätzen ihre Frauen die Erfolgschancen ein und schließen Wetten darauf ab. In dieser Sendung muss eine Frau mit einem Polstertacker Klammern in verschiedene Körperteile ihres Mannes einbringen. Aufgrund des Nachahmungspotentials und der fehlenden kritischen Einordnung bzw. der Verharmlosung der Risiken, ist die Sendung nach Auffassung der KJM entwicklungsbeeinträchtigend für Kinder oder Jugendliche unter 16 Jahren.

VIVA strahlte das Musikvideo „AKs im Wandschrank“ des Interpreten Kollegah ab 09:34 Uhr aus. Das Angebot enthält eine Vielzahl an gewaltbejahenden und andere Menschen herabwürdigenden Passagen, sodass insbesondere bei gefährdungsgeneigten Jugendlichen die Gefahr der emotionalen Abstumpfung besteht. Außerdem vermittelt das Angebot eine verharmlosende Einstellung in Bezug auf Drogenkonsum bzw. -handel. Gerade Musiker dienen Minderjährigen oft als Identifikationsfiguren. Die KJM stufte das Musikvideo daher als entwicklungsbeeinträchtigend für Kinder oder Jugendliche unter 16 Jahren ein.

Eine Entwicklungsbeeinträchtigung für unter 12-Jährige (Sendezeitgrenze 20:00 Uhr) stellte die KJM in folgenden Fällen fest:

ProSieben strahlte in der Sendung „Galileo“ ab 19:05 Uhr einen Beitrag aus, der sich mit der Frage befasste, was passiert, wenn man seine Zunge an eine vereiste Metallstange hält und wie die Folgen physikalisch zu erklären sind. Die in diesem Zusammenhang gezeigten Internet-Videos zeigen Menschen in einer für sie misslichen Lage, wobei der Beitrag bewusst mit einer gewissen Schadenfreude und Sensationslust spielt. Dabei wird weder auf die Gefahren der Verletzungen hingewiesen, noch vor Nachahmungen gewarnt. Abschließend werden die Zuschauer dazu aufgefordert ähnliche Videos zu drehen, damit man auch weiterhin etwas zum Lachen habe. Der Beitrag ist daher nach Auffassung der KJM entwicklungsbeeinträchtigend für Kinder unter 12 Jahren.

ProSieben strahlte ab 10:50 Uhr die Sendung „Steven liebt Kino“ aus, in der aktuelle Kinofilme vorgestellt werden. In dieser Folge wurden u. a. die Filme „Devil’s Due – Teufelsbrut“ und „Sabotage“ vorgestellt. Die horrorähnlichen Ausschnitte aus dem Film „Devil’s Due – Teufelsbrut“ können Kinder unter 12 Jahren nachhaltig ängstigen. Der Bericht über den Film „Sabotage“ zeigt durchgängig Gewalt- und Actionszenen, die bei unter 12-Jährigen zu einer emotionalen Überforderung führen können, da keine Entlastungsszenen oder Erklärungen folgen. Die KJM stellte daher fest, dass die Sendung entwicklungsbeeinträchtigend für unter 12-Jährige ist.

Sophia TV verbreitete ab 10:20 Uhr die Episode „Das Leben im Wald und der Krieg gegen die Tiere“ der Dokumentationsreihe „Brennpunkt Erde“. Die Sendung handelt von der Beziehung zwischen Mensch, Tier und Natur in deutschen Wäldern. Insbesondere aufgrund der zahlreichen bildlichen Darstellungen von toten bzw. um ihr Leben ringenden Tieren in Kombination mit dem Off-Kommentar und düsterer Musikuntermalung stufte die KJM das Angebot als entwicklungsbeeinträchtigend für Kinder unter 12 Jahren ein.

Einen Verstoß gegen § 10 Abs. 1 JMStV (Programmankündigung) stellte die KJM in folgenden Fällen fest:

Nickelodeon zeigte insgesamt neun Programmtrailer mit Bewegtbildern zur Folge 101 der Serie „Popoz“ zwischen 20 und 22 Uhr. Die Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen (FSF) hatte die Folge 101 der Serie für das Spätabendprogramm (ab 22 Uhr) freigegeben. Programmankündigungen mit Bewegtbildern für Sendungen, die aus Jugendschutzgründen erst ab 22:00 oder 23:00 Uhr ausgestrahlt werden dürfen, unterliegen jedoch derselben Sendezeitbeschränkung wie die angekündigte Sendung selbst.

Telemedien

Die Jugendschutzrelevanz von Internetinhalten ist in der Regel ungleich höher als die von Fernsehsendungen. Weil Angebote im Netz außerdem nicht nur zu einem bestimmten Zeitpunkt, sondern meist über einen längeren Zeitraum online sind, berichtet die KJM über die Verstöße in Telemedien anonymisiert.

Absolut unzulässige Angebote (dürfen in Telemedien gar nicht zugänglich gemacht werden):

Ein Angebot ist nach dem JMStV absolut unzulässig, da es den Holocaust leugnet, volksverhetzend ist und Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen verwendet. Das Angebot verlinkt außerdem auf indizierte Angebote, die in Listenteil D der BPjM aufgenommen sind.

Ein weiteres Angebot verbreitet Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen und verlinkt ebenfalls auf indizierte Angebote, die in Listenteil D der BPjM aufgenommen sind.

Zwölf Angebote machen Inhalte zugänglich, die gegen die Menschenwürde verstoßen. Ein derartiger Verstoß im Sinne des JMStV liegt insbesondere vor, wenn Menschen dargestellt werden, die sterben oder schweren körperlichen oder seelischen Leiden ausgesetzt sind oder waren. Die Angebote zeigen Bilder von Menschen, die infolge äußerer Gewalteinwirkungen verstorben sind.

Relativ unzulässige Angebote (dürfen in Telemedien nur Erwachsenen zugänglich gemacht werden):

Sechzehn Verstöße beziehen sich auf Angebote, die einfache Pornografie beinhalten. Da die Angebote nicht innerhalb geschlossener Benutzergruppen, sondern frei zugänglich sind, verstoßen die Anbieter gegen den JMStV.

Entwicklungsbeeinträchtigende Angebote (Anbieter muss dafür Sorge tragen, dass Kinder und Jugendliche der betroffenen Alterststufe Angebote üblicherweise nicht wahrnehmen):

Ein Angebot stellt aufgrund entwicklungsbeeinträchtigender Inhalte einen Verstoß gegen die Bestimmungen des JMStV dar. Es zeigt explizite Schilderungen sexueller Vorgänge unterhalb der Pornografieschwelle, die nach Auffassung der KJM auf Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren entwicklungsbeeinträchtigend wirken.

Ein Angebot macht entwicklungsbeeinträchtigende Inhalte zugänglich, indem es Alkoholkonsum verherrlicht und antisoziales Verhalten propagiert. Nach Auffassung der KJM sind die Inhalte entwicklungsbeeinträchtigend für Kinder oder Jugendliche unter 16 Jahren.

Indizierungen

In 148 Fällen beantragte die KJM im zweiten Halbjahr 2014 die Indizierung eines Telemedienangebots bei der BPjM. Die Anträge bezogen sich zum Großteil auf Internetangebote mit pornografischen Darstellungen, aber auch auf solche mit rechtsextremistischen oder gewalthaltigen Inhalten.

In weiteren 129 Fällen gab die KJM eine Stellungnahme zu Indizierungsanträgen anderer antragsberechtigter Stellen bei der BPjM ab, die von der BPjM bei ihrer Entscheidung maßgeblich zu berücksichtigen sind. Bei diesen Anträgen war eine Vielfalt an inhaltlichen Themen, wie pornografische, gewalthaltige oder rechtsextremistische Inhalte oder Darstellungen von Kindern und Jugendlichen in unnatürlich geschlechtsbetonter Körperhaltung festzustellen.

Damit befasste sich die KJM seit ihrer Gründung im April 2003 mit knapp 6.200 Fällen.