Papst kritisiert schulische Sexualkunde und verlangt „Religionsfreiheit“ auch für die christliche Erziehung


Felizitas Küble, Vorsitzende des Christoferuswerks in Münster

Die jüngste Rede des Papstes beim traditionellen Neujahrsempfang läßt aufhorchen: in seiner Ansprache an die Botschafter aus 176 Nationen übte das Oberhaupt der katholischen Kirche am 10. Januar 2011 deutliche Kritik an der schulischen Sexualkunde und einem staatlichen Bildungs-Monopol; der Papst verlangte Pluralität in der Schulausbildung der Kinder sowie die Respektierung des natürlichen Elternrechts auf Erziehung.

Damit vertritt der Pontifex einerseits lediglich die beständige Lehre der katholischen Kirche über das in der göttlichen Schöpfungsordnung verankerte Erziehungsrecht der Eltern, das der Staat nicht antasten darf und das die katholische Kirche seit jeher als ein grundlegendes „Naturrecht“ verkündet.

Andererseits ist die Wahl dieses speziellen Themas an solch herausragender Stelle im Rahmen einer politischen Ansprache vor versammelten Diplomaten aus aller Welt nicht selbstverständlich. Offenbar wollte der Papst damit ein sehr deutliches Signal geben und eine inhaltliche Debatte eröffnen, vielleicht gar eine Art „Paukenschlag“ bewirken.

Das zentrale Anliegen seiner Rede war zunächst die Einhaltung der Religionsfreiheit in aller Welt auf dem Hintergrund der Christenverfolgungen, die vor allem in islamischen Diktaturen zunehmen. Benedikt XVI. beklagte die Attentate auf Christen im Nahen Osten, die gewalttätigen Übergriffe auf Christen in Rotchina, Pakistan usw.

Diese Themenfelder nahm der Papst sodann zum Anlaß, um auch dem Westen einen kritischen Spiegel vorzuhalten, denn in Europa gäbe es „andere Arten der Bedrohung gegen die volle Ausübung der Religionsfreiheit“, zumal in Ländern, die einem verkehrten Verständnis von „Pluralismus und Toleranz“ huldigen.

Der Papst wandte sich gegen die staatliche Einschränkung der religiösen Freiheit der Familien und verteidigte das natürliche Erziehungsrecht der Eltern:
„Ich kann nicht schweigen angesichts des erneuten Angriffs auf die religiöse Freiheit der Familien, wo die Teilnahme an Kursen der Sexualerziehung oder Bürgerkunde verpflichtend auferlegt wird, bei denen ein angeblich neutrales Bild des Menschen und des Lebens vermittelt wird, das aber in Wirklichkeit ein Menschenbild widerspiegelt, das gegen den Glauben und die rechtverstandene Vernunft gerichtet ist.“

Die „Bürgerkunde“ erwähnte der Papst deshalb zusätzlich, weil beispielsweise in Spanien vor drei Jahren ein „Bürgerkunde“-Unterricht eingeführt wurde, gegen den zahlreiche christliche Eltern protestierten, weil darin Homosexualität, Abtreibung, außerehelicher Sex etc. nicht kritisch beleuchtet, sondern gutgeheißen werden.

Der Papst erläuterte sodann, die staatlich geforderte Schulsexualkunde sei ein Beispiel für „Bedrohungen“ gegen die „kulturellen Wurzeln“ der Völker, „die der Identität und dem sozialen Zusammenhalt vieler Nationen zugrunde liegen“.

Eine weitere Gefahr in diesem Bereich, die Benedikt XVI. als „besorgniserregend“ erwähnte, sei „eine Art staatliches Monopol in Schulangelegenheiten“, wobei der Dienst „religiöser Gemeinschaften“ durch „Gesetzespläne gefährdet oder behindert“ werde. Der Papst erwähnte hier „zum Beispiel manche Länder Lateinamerikas“.

Sodann erklärte er: „Ich lade ich alle Regierungen ein, Bildungssysteme zu fördern, die das Ur-Recht der Familien achten, über die Erziehung ihrer Kinder zu entscheiden - und die sich am Prinzip der Subsidiarität orientieren, das für eine gerechte Gesellschaft grundlegend ist." - Zugleich bekräftigte der Pontifex das Recht von Ärzten, Abtreibungen zu verweigern.

Das vom Papst in dieser Rede hochgehaltene "Elternrecht" wird auch durch das Grundgesetz garantiert, siehe Art. 6 Abs. 2: "Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht." - Damit gebührt auch verfassungsrechtlich gesehen dem elterlichen Erziehungsrecht der Vorzug vor staatlichen Aufgaben, die nur unterstüztend und ergänzend wirken dürfen.

Allerdings steht dieses "Elternrecht" als gottgegebenes "Naturrecht", als persönliches Grundrecht und als Abwehrrecht gegenüber staatlicher Willkür vielfach lediglich auf dem Papier, wie die vorgeschriebene schulische Sexualkunde beispielhaft aufzeigt.