Öffentliche Anhörung im Bundestag zur Sterbehilfe: Massive Kritik an Regierungsentwurf/Bundesärztekammer (BÄK) und Deutsche Hospiz Stiftung forderten Bestrafung jeder Form der organisierten Sterbehilfe
Der von der Bundesregierung vorgelegte Gesetzentwurf zur Strafbarkeit der gewerbsmäßigen Förderung der Selbsttötung (17/11126) ist unter Experten umstritten. Das wurde während einer öffentlichen Anhörung des Rechtsausschusses am Mittwochnachmittag deutlich. Dabei gingen die Bewertungen weit auseinander. Sie reichten von der durch die Bundesärztekammer erhobenen Forderung, jede Form der organisierten Sterbehilfe unter Strafe zu stellen bis hin zu der von der Humanistischen Union geforderten Ablehnung der Bestrafung von gewerbsmäßiger Suizidunterstützung. Im Entwurf der Bundesregierung ist die Schaffung eines Straftatbestandes in Paragraf 217 des Strafgesetzbuches vorgesehen. Danach ist für die gewerbsmäßige Suizidvermittlung eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe vorgesehen. Angehörige und den Suizidwilligen nahestehende Personen sollen hingegen, wenn sie lediglich als nicht gewerbsmäßig handelnde Teilnehmer an der Tat beteiligt sind, von der Strafandrohung ausgenommen werden.
Für Peter Jürgen Graf, Richter beim Bundesgerichtshof (BGH), ist die geplante Strafausschließung zwar „grundsätzlich nicht zu beanstanden“. Es sei aber zweifelhaft, ob dabei alle Angehörigen erfasst werden sollten. Abzulehnen ist laut Graf jedoch die Straffreistellung für „andere nahestehende Personen“. Ein solche Regelung würde in der Praxis erhebliche Schwierigkeiten bei der Auslegung mit sich bringen.
Der Bundestag müsse die Frage beantworten, ob er eine organisierte Sterbehilfe will, sagte Eugen Brysch, Vorstand der Patientenschutzorganisation „Deutsche Hospiz Stiftung“. Es handle sich bei der Sterbehilfe zudem nicht um ein rechtspolitisches sondern auch um ein pflegepolitisches Problem. Ein gutes und flächendeckendes Palliativpflegeangebot lasse gar nicht erst den Wunsch nach Selbsttötung aufkommen, lautete die Einschätzung des Palliativmediziners Rainer Freynhagen. Er sprach sich dafür aus, der Kommerzialisierung von Selbsttötungen gesetzlich entgegenzutreten und mit allen Mitteln zu verhindern, das Organisationen oder sonstige nicht gewerbsmäßig agierende Einzelne in Deutschland organisierte Sterbehilfe anbieten und durchführen können.
Die Suizidprävention zu verstärken und das Palliativangebot zu verbessern, verlangte auch Marlies Hübner von der Bundesärztekammer. Zugleich kritisierte sie, dass Formulierungen wie „nahestehende Person“ sich bei einem Gesetz, mit dem Ziel, das Leben von suizidwilligen Personen zu bewahren, verbieten würden. Hübner machte deutlich, dass aus ihrer Sicht jede Form der organisierten Sterbehilfe unter Strafe zu stellen ist.
Nach Ansicht des Verfassungsrechtlers Kyrill-Alexander Schwarz von der Universität Würzburg besteht die Gefahr, dass das Gesetz „in der Praxis nicht angewendet werden kann“. Die darin beschriebene gewerbsmäßige Sterbehilfe gebe es in Deutschland nicht. Dennoch könne man mit dem Gesetz zeigen: „Wir wollen das nicht.“ Schwarz schlug zudem vor, die Formulierung „gewerbsmäßig“ durch „gewohnheitsmäßig und eigennützig“ zu ersetzen. Damit könne die Strafbarkeitslücke geschlossen werden, wenn das pekuniäre Interesse nicht im Vordergrund steht, gleichwohl aber Beitragszahlungen an die Sterbehilfe-Organisation erfolgen.
Das Gesetz mache wenig Sinn, da es keine realen Fälle gebe, für die es gelten könne und stattdessen „diffus fiktive Bilder eines verwerflichen Geschäfts mit dem Tod“ bekämpfen wolle, urteilte auch Frank Salinger von der Bucerius Law School. „Das führt zur Schaffung rein moralischer Strafnormen, die in ihrer Wirkung symbolisch bleiben müssen“, sagte er.
„Wenn der Suizid nicht strafbar ist, darf auch die Beihilfe nicht strafbar sein“, sagte der Strafrechtler Henning Rosenau von der Universität Augsburg, der das Gesetz auch aus verfassungsrechtlichen Gründen ablehnt. Angesichts dessen, dass man das Leben nicht gegen den Willen des Suizidwilligen schützen könne fehle es schlicht an einem Schutzgut für die strafrechtliche Verfolgung, sagte er. Auch Rosemarie Will von der Humanistischen Union lehnt die Bestrafung der gewerbsmäßiger Förderung der Selbsttötung ab. Eine dahingehende Regelung sei gesellschaftpolitisch verfehlt, urteilte sie. Schließlich zähle zum grundgesetzlichen Schutz der Menschenwürde neben dem Recht auf Leben auch das auf einen würdigen Tod. Die Begründung des Gesetzentwurfes negiere dies vollständig, kritisierte Will.
Quelle: Deutscher Bundestag
Für Peter Jürgen Graf, Richter beim Bundesgerichtshof (BGH), ist die geplante Strafausschließung zwar „grundsätzlich nicht zu beanstanden“. Es sei aber zweifelhaft, ob dabei alle Angehörigen erfasst werden sollten. Abzulehnen ist laut Graf jedoch die Straffreistellung für „andere nahestehende Personen“. Ein solche Regelung würde in der Praxis erhebliche Schwierigkeiten bei der Auslegung mit sich bringen.
Der Bundestag müsse die Frage beantworten, ob er eine organisierte Sterbehilfe will, sagte Eugen Brysch, Vorstand der Patientenschutzorganisation „Deutsche Hospiz Stiftung“. Es handle sich bei der Sterbehilfe zudem nicht um ein rechtspolitisches sondern auch um ein pflegepolitisches Problem. Ein gutes und flächendeckendes Palliativpflegeangebot lasse gar nicht erst den Wunsch nach Selbsttötung aufkommen, lautete die Einschätzung des Palliativmediziners Rainer Freynhagen. Er sprach sich dafür aus, der Kommerzialisierung von Selbsttötungen gesetzlich entgegenzutreten und mit allen Mitteln zu verhindern, das Organisationen oder sonstige nicht gewerbsmäßig agierende Einzelne in Deutschland organisierte Sterbehilfe anbieten und durchführen können.
Die Suizidprävention zu verstärken und das Palliativangebot zu verbessern, verlangte auch Marlies Hübner von der Bundesärztekammer. Zugleich kritisierte sie, dass Formulierungen wie „nahestehende Person“ sich bei einem Gesetz, mit dem Ziel, das Leben von suizidwilligen Personen zu bewahren, verbieten würden. Hübner machte deutlich, dass aus ihrer Sicht jede Form der organisierten Sterbehilfe unter Strafe zu stellen ist.
Nach Ansicht des Verfassungsrechtlers Kyrill-Alexander Schwarz von der Universität Würzburg besteht die Gefahr, dass das Gesetz „in der Praxis nicht angewendet werden kann“. Die darin beschriebene gewerbsmäßige Sterbehilfe gebe es in Deutschland nicht. Dennoch könne man mit dem Gesetz zeigen: „Wir wollen das nicht.“ Schwarz schlug zudem vor, die Formulierung „gewerbsmäßig“ durch „gewohnheitsmäßig und eigennützig“ zu ersetzen. Damit könne die Strafbarkeitslücke geschlossen werden, wenn das pekuniäre Interesse nicht im Vordergrund steht, gleichwohl aber Beitragszahlungen an die Sterbehilfe-Organisation erfolgen.
Das Gesetz mache wenig Sinn, da es keine realen Fälle gebe, für die es gelten könne und stattdessen „diffus fiktive Bilder eines verwerflichen Geschäfts mit dem Tod“ bekämpfen wolle, urteilte auch Frank Salinger von der Bucerius Law School. „Das führt zur Schaffung rein moralischer Strafnormen, die in ihrer Wirkung symbolisch bleiben müssen“, sagte er.
„Wenn der Suizid nicht strafbar ist, darf auch die Beihilfe nicht strafbar sein“, sagte der Strafrechtler Henning Rosenau von der Universität Augsburg, der das Gesetz auch aus verfassungsrechtlichen Gründen ablehnt. Angesichts dessen, dass man das Leben nicht gegen den Willen des Suizidwilligen schützen könne fehle es schlicht an einem Schutzgut für die strafrechtliche Verfolgung, sagte er. Auch Rosemarie Will von der Humanistischen Union lehnt die Bestrafung der gewerbsmäßiger Förderung der Selbsttötung ab. Eine dahingehende Regelung sei gesellschaftpolitisch verfehlt, urteilte sie. Schließlich zähle zum grundgesetzlichen Schutz der Menschenwürde neben dem Recht auf Leben auch das auf einen würdigen Tod. Die Begründung des Gesetzentwurfes negiere dies vollständig, kritisierte Will.
Quelle: Deutscher Bundestag