Norbert Lammert kritisiert "Gestaltungsehrgeiz" des Bundesverfassungsgerichts

Bundestagspräsident Norbert Lammert kritisiert das Bundesverfassungsgericht, weil es sich nach seiner Ansicht zu stark in die Familienpolitik und in andere Debatten einmischt. «Gelegentlich ist der Eindruck entstanden, es gäbe einen Gestaltungsehrgeiz des Bundesverfassungsgerichts, der über die Aufgabe der Interpretation des Grundgesetzes hinausgeht», sagte Lammert in einem Interview der «Welt am Sonntag». Darüber gebe es «zu Recht» eine öffentliche Auseinandersetzung.


Zuletzt hatten Karlsruher Urteile zur Gleichbehandlung eingetragener Lebenspartnerschaften in der Union für Irritationen gesorgt: Das Bundesverfassungsgericht hatte Anfang Juni entschieden, dass das Ehegattensplitting auch Partnern gewährt werden muss, die in eingetragenen Lebenspartnerschaften leben. Bereits im Februar hatte das Gericht entschieden, dass Homosexuelle, die in einer eingetragenen Partnerschaft leben, ein von ihrem Partner zuvor angenommenes Kind adoptieren dürfen.


Auf die Frage, ob die Bundesregierung Karlsruhe hier nicht auch «durch eigene Untätigkeit» eingeladen habe, aktiv zu werden, entgegnete Lammert: «So zwangsläufig verhält sich die Sache nicht. Die Einführung einer rechtlichen Lebenspartnerschaft unter Rot-Grün war im Bundestag hochumstritten. Die parlamentarischen Mehrheiten von damals gibt es heute nicht mehr.»


Auch bei der Frage nach dem Adoptionsrecht für homosexuelle Paare widersprach der Bundestagspräsident dem Eindruck, das Gericht wolle der Regierung ein Gesetz diktieren: «Nach meinem Verständnis von Ehe und Familie muss der Anspruch auf Gleichstellung bei Steuern anders beurteilt werden als der Anspruch auf Gleichstellung bei der Adoption von Kindern. Das sind keine identischen Sachverhalte.»

Quelle: Radio Vatikan