Neuerscheinung: Benedikt XVI.: Heilige und Selige – Große Frauengestalten des Mittelalters


Wahre Frauen – wahre Heilige

Benedikt XVI.: Heilige und Selige – Große Frauengestalten des Mittelalters. Mit einem Vorwort von Joachim Kardinal Meisner. Media Maria, Illertissen 2011. 13,5 x 20,5 cm, gebunden, ca. 176 Seiten. 16,95 Euro

Mathias von Gersdorff

In vielen Mittwochsaudienzen hat Papst Benedikt XVI. das Leben von Heiligen und Seligen in katechetischer Form dargestellt. Aus pädagogischen Gründen behandelte er in aufeinanderfolgenden Audienzen Personen, die zu einer bestimmten Gruppe gehören, wie etwa Kirchenväter, Kirchenlehrer usw.

Vom 1. September 2010 bis zum 26. Januar 2011 widmete er die Mittwochsaudienzen den heiligen Frauen aus dem Mittelalter. Er begann mit der deutschen Mystikerin Hildegard von Bingen, der er gleich zwei Mittwoche widmete – wie konnte der Theologenpapst Benedikt auch anders? – und endete mit Jeanne d´Arc.

Der Verlag „Media Maria“ aus Illertissen hat nun kurz vor der Frankfurter Buchmesse ein Band mit den Texten dieser 15 Frauengestalten in luxuriöser Aufmachung und zum günstigen Preis von 16,95 Euro herausgegeben. Bei der Auswahl der über 40 ganzseitigen und farbigen Abbildungen zeigt der Verlag einen ausgezeichneten Geschmack.

Die Edition dieser Ansprachen in dieser hochwertigen Aufmachung ist aber auch im Hinblick auf die Verzerrungen des Frauenbildes unserer Zeit verdienstvoll. Es tut der Seele gut zu lesen, wie sich Frauen im angeblich „finsteren Mittelalter“ dermaßen profilieren und hohe geistige Höhen erreichen konnten. Es war das Christentum, das die Würde der Frau betonte und sie zu einem Leben der Vollkommenheit ermunterte. Diese Gestalten aus dem Mittelalter sind der lebende Beweis, wie der christliche Geist den Menschen erhöht, anstatt ihn zu knechten, wie heute immer wieder in vielen Medien behauptet wird.

Für viele heutzutage ist eine Frau nur dann eine richtige Frau, wenn sie emanzipiert ist, wenn sie die „Bastionen“ der Männlichkeit erobert hat, wenn sie mittels Feminismus, Gender Mainstreaming und „Diversity Management“ sich dem Zeitgeist vollends angepasst hat. Hildegard von Bingen, Mechthild von Hackeborn, Juliana von Lüttich, Veronica Giuliani, Katharina von Genua und die anderen in diesem Band behandelten Personen zeigen uns jedoch, dass man zu Größe, zu wahrer Würde und Freiheit und auch zur Vollendung der eigenen Persönlichkeit, zu Selbstverwirklichung nur dann kommt, wenn man in Einheit mit dem Erlöser lebt.

Beim Lesen dieser Ansprachen denkt man unwillkürlich an die Heiligsprechung von Konrad von Parzham, dem „Heiligen Bruder Klaus“. Pius XI. erhob diesen demütigen Pförtner im Jahr 1934 zur Ehre der Altäre und stellte ihn somit als Modell der geistigen Perfektion vor. Bewusst geschah dies als Kontrastprogramm zum Super-Menschen der Nazis. Etwa dieselbe Wirkung haben auch diese Ansprachen: Das moderne Bild der Frau ist nicht nur falsch, sondern auch vom Hochmut gemeißelt, von der absurden Vorstellung, dass der Mensch mit eigenen Kräften und Fähigkeiten zur Vollkommenheit gelangt – eine Vollkommenheit, die den utopischen Vorstellungen der menschlichen Phantasie entspringt. Was dann angestrebt wird, ist keine Vollkommenheit, sondern eine monströse Verzerrung, die mit der menschlichen Natur nichts zu tun hat.

Die wunderschöne Bebilderung erfüllt auch in dieser Hinsicht ihren Zweck, denn die mittelalterlichen Malereien oder Altarfiguren zeigen keineswegs psychisch leidende Frauen, was sie ja sein müssten, hielte man an die feministischen Lehren von Simone de Beauvoir & Co. Für richtig. Nein wir sehen Frauen voller Würde und charismatischer Ausstrahlung, von der Kirche und der Gesellschaft hoch geehrt, wodurch ja auch diese Kunstwerke entstanden sind.

Papst Benedikt XVI. geht in diesen Ansprachen insbesondere auf den asketischen Werdegang dieser Frauen ein. Er hinterfragt, welchen Weg sie zur Heiligkeit gingen, welche Schwierigkeiten und Prüfungen sie auf diesem fanden. Er beschreibt, was in ihren Seelen – oft in der Abgeschiedenheit und Einsamkeit von Klöstern - geschah, um zu den hohen Ebenen der geistigen Vollkommenheit zu gelangen. So schildert der Papst zum Beispiel, wie bei Klara von Assisi ihre Freundschaft mit Franz von Assisi für ihren geistigen Weg entscheidend war: „Wenn nämlich zwei reine und von derselben Liebe zu Gott entflammten Seelen einander begegnen, dann bekommen sie aus der gegenseitigen Freundschaft einen sehr starken Ansporn, den Weg der edelsten und erhabensten menschlichen Empfindungen, die von der göttlichen Gnade gereinigt und verklärt wird.“

Über die Einsiedlerin Juliana von Norwich schreibt der Papst: „Die Frauen und Männer, die sich zurückziehen, um in Gemeinschaft zu leben, erwerben gerade durch diese Entscheidung ein großes Mitgefühl für die Nöte und Schwächen der anderen. Als Freundinnen und Freunde Gottes verfügen sie über eine Weisheit, die die Welt, von der sich entfernen, nicht besitzt, und teilen sie liebevoll mit jenen, die an ihre Tür klopfen.“

Besonders genau wird der der lange und facettenreiche geistige Weg der seligen Angela von Foligno beschrieben. Von einem äußerst mondänen Leben gelangte sie zu den höchsten Sphären mystischer Vereinigung. Dies geschah jedoch nicht geradlinig, sondern durch viele Stufen der Erkenntnis. Ausgangspunkt ist der Gedanke, wie man der Hölle entkommt. Später, schon sehr fortgeschritten in der Askese, erkennt sie die „zentrale Wirklichkeit“, wie sie sie Papst Benedikt XVI. geschildert wird: „Was sie von ihrer „Unwürdigkeit“ und davon, „die Hölle verdient zu haben“, erretten wird ist nicht ihre „Vereinigung mit Gott“ und ihr Besitz der „Wahrheit“, sondern der gekreuzigte Jesus, „seine Kreuzigung für mich“, seine Liebe“.

Kein ernsthafter Mensch wird bestreiten, dass diese Frauengestalten des Mittelalters höchste individuelle Selbstverwirklichung erreicht haben – um einen modernen Begriff zu verwenden. Und dies geschah bei Frauen, die sich auf die Einschränkungen des Ordenslebens eingelassen haben. Sie ordneten sich einer Hierarchie unter, sie waren gehorsam, sie legten Gelübde ab, kurz: sie verzichteten freiwillig auf individuelle Freiheit. Und trotzdem machten sie in ihrer Art Karriere und wurden berühmt. Wir leben aber heute in einer Welt, in der die Autonomie des einzelnen Individuums über alles andere angestrebt, ja, geradezu vergöttert wird. Es ist vielleicht eine Ironie der Geschichte, dass die gegenwärtige Psychologie in der übertriebenen Autonomie zunehmend die Quelle der modernen psychologischen Störungen wie etwa Burn-Out-Syndrom, Depressionen und Stresserkrankungen sieht: Der entgrenzte Mensch, der permanent sich selbst verwirklichen muss, der sich Tag für Tag sich selbst und den anderen beweisen muss, ist irgendwann überfordert und bricht seelisch zusammen (Psychologie Heute September 2011, S. 32 ff; Psychologie Heute Oktober 2011 S. 82, 83). Mittlerweile werden ein Drittel der Frühverrentungen aufgrund seelischer Krankheiten bewilligt, die deutschen Krankenkassen geben jährlich 5,2 Milliarden Euro für Antidepressiva aus, fünf % der deutsche leiden unter behandlungsbedürftigen Depressionen, schon Schüler und Studenten nehmen Amphetamine zu sich, um die geforderten Leistungen vollbringen zu können.

Das Leben der heiligen Frauen, die Papst Benedikt XVI. in seinen Ansprachen beschreibt, zeigt uns aber, dass die Selbstverwirklichung dann erreicht wird, wenn man sich selber entsagt, wenn man sich selber in Fesseln setzt, wenn man auf (falsche) Freiheit verzichtet. Denn dann werden wir wirklich frei, uns mit dem Herzen des Heilandes vereint, zu verwirklichen. In der Ansprache über der hl. Katharina von Siena sagte der Papst: „Wir alle können unser Herz verwandeln lassen und lernen, wie Christus zu lieben, in Vertrautheit mit ihm, die genährt wird vom Gebet, von der Betrachtung des Wortes Gottes und von den Sakramenten, vor allem durch den häufigen und ehrfürchtigen Empfang der heiligen Kommunion“.

Lassen auch wir uns beim lesen dieser Ansprachen und beim Betrachten der wunderschönen Bilder in diesem Buch durch das Beispiel dieser heiligen Frauen ermutigen, unser Herz durch Christus verwandeln zu lassen.