Neuer Anlauf für Pseudo-Kinderrechte im GG

Mathias von Gersdorff

Ein altes Projekt der Groko wird neu aufgerollt:

Die sog. „Kinderrechte in der Verfassung“.

In der laufenden Legislaturperiode wurden schon mehrere Gesetzesprojekte dazu vorgestellt.

Der parlamentarische und außerparlamentarische Widerstand war aber stets so groß, dass man das Vorhaben immer wieder ruhen ließ – für eine Änderung des Grundgesetzes benötigt man Zweidrittel Mehrheit.

Nun haben sich Union und SPD auf Regierungsebene auf eine neue Fassung geeinigt, die auf den ersten Blick harmlos wirkt:

„Die verfassungsmäßigen Rechte der Kinder einschließlich ihres Rechts auf Entwicklung zu eigenverantwortlichen Persönlichkeiten sind zu achten und zu schützen. Das Wohl des Kindes ist angemessen zu berücksichtigen. Der verfassungsrechtliche Anspruch von Kindern auf rechtliches Gehör ist zu wahren. Die Erstverantwortung der Eltern bleibt unberührt.“

Diese vier Sätze scheinen behaupten zu wollen, dass man das Grundgesetz beachten soll.

Doch so banal ist es nicht, obwohl Torsten Frei, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Union im Deutschen Bundestag, vollmundig behauptet: „Zum einen mache der Kompromiss Kinderrechte im Grundgesetz sichtbar, zum anderen sorge er dafür, dass die Rechte der Eltern keinesfalls geschmälert werden“, so Presseerklärung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion vom 12. Januar 2021.

MdB Frei sollte hätte sich besser vorher von den Juristen seiner eigenen Partei, der CDU, beraten lassen.

Diese meinen nämlich: „Wer geändertes Verfassungsrecht säht, wird eine geänderte Verfassungsrechtsprechung ernten (Quelle: „Kinderrechte ins Grundgesetz“, Gutachten des Bundesarbeitskreis Christlich-Demokratischer Juristen (BACDJ), erschienen am 7. November 2019 in „Die Tagespost).

Die bloße Existenz von (pseudo)-Kinderrechten im Grundgesetz ist ein gravierender Einschnitt und kann die Rechtsprechung – zu Lasten der Eltern – nachhaltig verschlechtern.

Und das unabhängig davon, wie „schwach“ die „Kinderrechte“ im Grundgesetz definiert werden.

Denn, so die CDU-Juristen, „Daher gilt: Der Schutz der Rechte der Kinder ist schon heute eine grundgesetzlich verbürgte Pflichtaufgabe des Staates. . . . Die Positivierung von Kinderrechten wird in vorhersehbarer Weise dazu führen, das Elternrecht zugunsten des staatlichen Bestimmungsrechts zurückzudrängen. . . . Die grundgesetzliche Positivierung expliziter Kinderrechte gibt das Elternrecht einer schwächenden Neubewertung durch das Bundesverfassungsrecht preis.“

Die CDU-Juristen fokussieren sich in ihrem Gutachten auf die Auswirkungen von Kinderrechten auf das Elternrecht auf Erziehung, wie sie gegenwärtig in Art. 6 Abs. 2 GG definiert sind.

Sie tun das zurecht, denn das ist der entscheidende Punkt: Kinderrechte können gegen Elternrechte ausgespielt werden.

Und der Staat (wer denn sonst) wird die Elternrechte im vermeintlichen Schutz von Kinderrechten aushebeln.

Weil Kinder in der Regel ihre sog. „Kinderrechte“ gar nicht geltend machen können, sind Kinderrechte in Wahrheit Rechte des Staates gegenüber den Eltern (Siehe dazu „https://www.aktion-kig.eu/2018/10/kinderrechte-in-der-verfassung-sind-in-wahrheit-rechte-fuer-den-staat/)

Nun könnte man einwenden, im vorgeschlagenen Wortlaut sei der Passus „Die Erstverantwortung der Eltern bleibt unberührt“.

Das reicht aber nicht, um die Gefahr einer Einschränkung von Elternrechten zu bannen.

Abgesehen davon, dass im Passus nicht von ElternRECHTEN die Rede ist, sondern von „Erstverantwortung“, bietet das keinen hinreichenden Schutz vor einem übergriffigen Staat.

Die CDU-Juristen sind in ihrem Gutachten sehr deutlich:

„Sollte eine Verfassungsänderung allein mit der Intention erfolgen, die bestehende Rechtslage ausdrücklich im Verfassungstext festzuschreiben, kann nicht verlässlich gesichert werden, dass diese Intention realisiert werden kann. Der bloße Symbolcharakter der Änderung müsste sich zumindest deutlich im Text der Verfassung (und nicht nur im Text der Begründung) niederschlagen, beispielsweise durch den dezidierten Hinweis, dass die neu eingeführten Kinderrechte „das Elternrecht aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG unberührt lassen“. Ob eine solche Formulierung einen verlässlichen Schutz vor grundlegenden Veränderungen der Rechtsprechung zum Elternrecht bietet, ist gleichwohl zu bezweifeln, weil es für das Bundesverfassungsgericht trotz einer derartigen Formulierung kaum überzeugend sein dürfte, dass sich eine Änderung des Verfassungstextes nicht auf den materiellen Gehalt der Verfassung auswirken soll.“

Fazit: Auch dieser neue Kompromiss zwischen Union und SPD ist ein fauler Kompromiss.

Und ein unnötiger Kompromiss, denn Kinder sind in der gegenwärtigen Fassung des Grundgesetzes schon umfassend geschützt.

Kinder sind keine Objekte, sondern Menschen.

So sind Kinder auch selbstständige Träger aller Grundrechte, auch gegenüber den eigenen Eltern.

Eine verfassungsrechtliche Schutzlücke existiert nicht, wie das Bundesverfassungsgericht mehrmals festgestellt hat.

Aus diesen Erwägungen lehnen wir die erdachte Grundgesetzänderung vehement ab.

„Die Aktion Kinder in Gefahr“ wird den legislativen Verlauf abwarten und gegebenenfalls Aktionen (Postkarten, E-Mails etc.) organisieren.