Neue Drogen überschwemmen den Europäischen Markt/Neue psychoaktive Substanzen mit unvorhersehbaren Risiken
Christiane Jurczik
Wie „Die Welt“ am 15.11.2012 berichtet, überschwemmen neue Drogen den Europäischen Markt.
Die Drogenfahnder in Europa stehen vor ganz neuen Herausforderungen. Immer neue psychoaktive Substanzen überschwemmen den europäischen Markt. Sie werden als harmlose "Badesalze" oder "Pflanzennährstoffe" verkauft. Oft handelt es sich um ein Gemisch verschiedener Chemikalien, deren gesundheitlichen Wirkungen kaum abzuschätzen sind.
Das ist die beunruhigendste Nachricht des aktuellen Jahresberichts der Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (EBDD), der heute in Lissabon vorgestellt wurde.
Heroin fordert nach wie vor die meisten Drogentoten, wie ein neuer EU-Bericht zeigt. Die häufigste illegale Droge ist Cannabis.
EBDD-Präsident Wolfgang Götz warnte, dass diese sogenannten "Legal Highs" in vielen Fällen ganz legal verkauft werden können. "Viele Länder arbeiten an neuen Gesetzen, um diese psychoaktiven Substanzen schneller verbieten zu können", sagte Götz der "Welt".
Neue Drogen sollen in einem zentralen Register erfasst werden
Im Jahr 2010 wurden 24 neue Substanzen identifiziert, 2011 waren es schon 49 und in diesem Jahr bereits 57 bislang unbekannte Verbindungen. "Wir brauchen in Europa dringend ein zentrales System, wo Referenzmuster aller neuen psychoaktiven Substanzen gesammelt werden", forderte Götz.
Eine europaweite Referenzdatei würde den Kampf gegen diese neue Art von Drogen erleichtern, sagte Götz. Solange die Substanzen nicht erfasst, bewertet und verboten sind, können sie von der Polizei auch nicht kontrolliert und beschlagnahmt werden.
Götz sagte, dass sich der Konsum illegaler Drogen in Europa insgesamt auf einem "hohen Niveau" stabilisiert habe. Europaweiter Spitzenreiter ist und bleibt Cannabis. Fast jeder vierte erwachsene Europäer, insgesamt 80 Millionen Frauen und Männer, haben Cannabis schon einmal probiert. Rund 23 Millionen Europäer haben den Stoff in den vergangenen zwölf Monaten konsumiert.
Die häufigste illegale Droge in Europa ist Cannabis
Drei Millionen Europäer, vor allem junge Männer, rauchen Cannabis täglich oder mindestens fünf Mal in der Woche. Lange Zeit war die Droge verharmlost worden. Doch jetzt zeigt sich, wie gefährlich und schädlich die Joints sein können. Die Konsumenten entwickeln Angstpsychosen, versagen in Schule und Beruf. Von den Personen, die in Deutschland eine Suchtberatungsstelle aufsuchen, haben ein Drittel Probleme mit Cannabis.
Die zweithäufigste illegale Droge in Europa ist mit Kokain unverändert. Rund 15 Millionen Europäer haben Kokain schon einmal probiert; etwa vier Millionen Europäer konsumieren im Laufe eines Jahres, 1,5 Millionen mindestens einmal im Monat. Die Droge ist vor allem in Spanien, Italien, Dänemark, Großbritannien und Irland verbreitet.
Beim Heroin zeichnet sich zur Erleichterung der Drogenbeobachter ein positiver Trend ab. Rund die Hälfte der Suchtkranken nimmt an einem Substitutionsprogramm teil. Die öffentlichen Ausgaben für sämtliche Aspekte, die mit Heroin und den Folgen verbunden sind, wurden schon im vergangenen Jahr in ganz Europa auf mindestens 34 Milliarden Euro geschätzt.
Eine neue Ära beginnt
Götz geht davon aus, dass allmählich eine neue Ära der europäischen Drogenproblematik beginnt, in der Heroin eine weniger zentrale Rolle spielt. Dagegen nimmt der Konsum von Stimulanzien zu. Etwa zwei Millionen Europäer schlucken regelmäßig Ecstasy-Pillen und ebenso viele putschen sich mit Amphetaminen auf. Dies hat in Großbritannien, Belgien und den Niederlanden zu mehreren Todesfällen geführt.
Angesichts dieser Entwicklungen beim Drogenkonsum sieht Götz auch die Drogenprävention vor neuen Herausforderungen.
Jugendliche müssten durch entsprechende Erziehung auch in der Schule so stark gemacht werden, das sie gar nicht erst das Bedürfnis verspürten, Drogen auszuprobieren und im Zweifel auch einmal dem Gruppendruck widerstehen und Nein sagen.
Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Mechthild Dyckmans (FDP), sieht Deutschland in der Drogenpolitik auf einem guten Weg. "Hilfs- und Beratungsangebote müssen an die Entwicklung angepasst werden", sagte Dyckmans mit Blick auf den EBDD-Bericht.