“Mädchen gehen nur noch bewaffnet auf die Straße” – Chaos in Jenfeld (Hamburg)

“Mädchen gehen nur noch bewaffnet auf die Straße” – Chaos in Jenfeld (Hamburg)

Maximilian Klieber

Im Hamburger Stadtteil Jenfeld nimmt die Jugendkriminalität historsche Ausmaße an. Gewalt, Raub und Drogenhandel gehören für viele Jugendliche zum Alltag. Die Polizei traut sich in manchen Bereichen nur noch mit mehreren Streifenwagen vor Ort, während Experten wie Tobias Lucht, Leiter der Arche-Einrichtung in Jenfeld, von erschreckenden Zuständen berichten.

Lucht warnt, dass die Situation außer Kontrolle gerät. Raubüberfälle, Körperverletzungen und Nötigungen sind an der Tagesordnung, häufig verübt von Jugendlichen.

Besonders alarmierend: Einige Mädchen trauen sich nachts nur noch mit einem Messer aus dem Haus und sind bereit, es zu benutzen. Der Druck auf die Jugendlichen ist immens, kleinste Provokationen führen schnell zu Gewalt.

2023 stieg die Jugendkriminalität in Hamburg um mehr als zehn Prozent. Die Zahl der Straftaten stieg zwischen 2022 und 2023 drei Stadtteilen, die als soziale Brennpunkte, drastisch an: in Jenfeld um 12,8 Prozent auf 2260, in Billstedt um 3,3 Prozent auf 7198 und in Harburg um 5,7 Prozent auf 8062.

Die Ursachen für diese Entwicklung sind vielfältig. Viele Jugendliche – die meisten mit Migrationshintergrund – haben aufgrund der mangelhaften Deutschkenntnisse keine Aussicht auf einen Schulabschluss, geschweige denn auf eine berufliche Perspektive. Überfüllte Wohnungen ohne Rückzugsorte verschärfen die Lage. Zudem lastet auf vielen Jugendlichen mit Migrationshintergrund der Druck, die Erwartungen ihrer Eltern zu erfüllen, die häufig selbst nicht in der Lage sind, ihre Kinder dabei zu unterstützen. Die Nachwirkungen der Corona-Pandemie haben die Situation weiter verschlechtert, psychische Probleme und eine fehlende Streitkultur sind weit verbreitet.

Ergebnis: Es bildet sich ein Proletariat, welches man bislang nur aus Ländern des Globalen Südens kannte.

Die Polizei versucht diese dramatischen Darstellungen etwas abzumildern. Laut Sprecher Florian Abbenseth sei Jenfeld kein rechtsfreier Raum. Die Polizei erkennt aber die Problematik, verweist jedoch auf rückläufige Zahlen bei jugendlichen Tatverdächtigen im Vergleich zu den letzten zwei Jahrzehnten. Trotz dieser Zahlen sieht auch die Polizei Handlungsbedarf und verweist auf das Handlungskonzept „Handeln gegen Jugendgewalt“, das zu einer positiven Entwicklung beigetragen haben soll.

Ein weiterer Faktor, der zur Gewalt beiträgt, ist Selbstdarstellung von Gewalt in Social Media. Schon Kinder werden dazu animiert, für Klicks Gewalt zu inszenieren. Lucht fordert deshalb ein Schulfach, das Medienkompetenz vermittelt.

Neben der Gewaltproblematik ist auch der Drogenhandel unter Jugendlichen ein wachsendes Problem. Lucht berichtet von Jugendlichen, die in Hinterzimmern von Kiosken übernachten, um ihre Drogenlager zu bewachen. Der Mangel an Perspektiven macht den Drogenhandel für viele zu einer verlockenden Einnahmequelle.

Um die Situation zu verbessern, betont Lucht die Bedeutung langfristiger Betreuung durch Sozialarbeiter. Doch genau hier mangelt es: In Stadtteilen wie Wandsbek und Harburg fehlen Dutzende Stellen in der Jugendarbeit. Auch die Polizei müsse ihre Bemühungen intensivieren – doch das erfordert zunächst die Anerkennung des Problems.

Unterstützen Sie bitte unseren Aktion “Aktionsplan gegen die Verwahrlosung der Kinder”: https://www.aktion-kig.eu/aktionsplan-gegen-die-verwahrlosung/