Medizin-Nobelpreise 2012: Wird es einst auch Wunschkinder aus Hautzellen geben?
Dr. med. Edith Breburda
Ein Verfahren, das Alternativen für humane embryonale Stammzellen bietet, bei deren Gewinnung der Embryo getötet würde. Selbst
routinierte Forscher benötigen zur Erzeugung einer einzigen
Stammzellinie bis zu 30 Embryos.
Zwei Wissenschaftler werden für ihre wegweisenden Arbeiten mit dem Nobelpreis geehrt:
Ausdifferenzierte Zellen, in ihrem Fall Hautzellen, konnten
in pluripotente embryonalähnliche Stammzellen reprogrammiert werden.
Die Arbeit des Briten Gurdon und des Japaners Shinya Yamanaka
– der in dem Jahr geboren wurde, als Gurdon seine Entdeckung machte –
weckt Hoffnungen, in Zukunft Krankheiten wie Parkinson oder Diabetes mit
Zellen des eigenen Körpers heilen zu können.
Gurdon (79 J.) und Yamanaka (50 J.) haben gezeigt, wie man
pluripotente Stammzellen herstellt, ohne dass man Embryos dafür töten
muss.
Weil induzierte pluripotente Zellen ethisch weitaus weniger bedenklich sind, wird ihnen eine grosse Zukunft vorausgesagt.
Trotzdem wird mit humanen embryonalen Stammzellen für
Vergleichszwecke weiter geforscht. Sie bleiben der Goldstandard.
Stammzellforscher hoffen, eines Tages so weit zu sein, aus
pluripotenten Stammzellen ausdifferenzierte Körperzellen - wie z. B.
Nieren oder Nervenzellen – herstellen zu können.
2007 hatten Yamanka und der US-Tiermediziner der Universität
von Madison, Prof. J. Thomson, unabhängig voneinander ihre Entdeckungen
verkündet, Hautzellen zu Stammzellen reprogrammiert zu haben.
Man wundert sich, warum nicht auch Thomson den Nobelpreis erhielt:
“Yamanaka machte die Entdeckung an Mäusen ein Jahr vor mir. Er hat somit einen Präzedenzfall geschaffen”, erklärte Prof. Thomson dem Wisconsin State Journal bereits 2008.
“Gurdons und Yamanaka’s mutige Experimente fordern die wissenschaftliche Grundlagenforschung heraus”, sagte Doug Melton, Co-Direktor des Harvard-Stammzellen-Instituts in Boston.
Das Nobelpreis-Komitee in Stockholm bezeichnet die Arbeiten
als revolutionär, da sie das Verständnis für das Zellwachstum und die
Organismenbildung selbst erweitern.
Gurdon zeigte 1962, wie man aus Froschhautzellen neue
Kaulquappen klonen kann. Ein Prozeß, der 1997 angewendet wurde, um das
Schaf Dolly zu klonen.
Gurdon erklärt Reportern in London gegenüber, seine
Entdeckung habe damals keinen klaren therapeutischen Einfluß gehabt, sie
diente auch nicht einer Behandlung. Es dauerte fast 50 Jahre, bevor ein
potentieller Nutzen daraus entstand.
Erst 2007 nutzte Yamanaka und sein Team das gleiche “Rezept”
und zeigten, dass Mäuse-Hautzellen in pluripotente Stammzellen
zurückgebildet werden können, aus denen nun wieder alle verschiedene
Zellarten entwickelt werden könnten (vgl. K. und M. Ritter, Nobel Prize Stem cell, cloning work take honors Wisconsin State Journal 9. Oktober 2012).
Letzte Woche berichteten Wissenschaftler aus Kyoto über
Mäuse-Hautzellen, die sie so manipulierten, dass diese wieder zu
Eizellen werden. Eingepflanzt in eine Leihmutter entstanden Mäuse-Babys.
Ein derartiges Verfahren könnte der Fruchtbarkeitsbehandlung
zugute kommen, berichten die Zeitungen. Man bediente sich der
induzierten pluripotenten Methode des Japaners Shinya Yamanaka.
Forscher entnahmen eine Hautzelle und drehten den
Entwicklungsvorgang ihres Zellkerns zurück. Die ausdifferenzierte
Hautzelle wurde reprogrammiert.
Hautzellen sind ausgereift und diploid. Man kann sagen, die
Zeituhr im Zellkern einer Hautzelle wird einfach zurückgesetzt.
Allerdings ist man bis jetzt nicht in der Lage, soweit zurück zu gehen,
dass die Zellen wieder haploid werden, d.h. so haploid wie der Kern
einer Ei- und Samenzelle.
Wissenschaftler der Kyoto-Universität in Japan berichteten am 4. 10. 2012 im Science Magazin online
über das Mäuse-Experiment: Sie reprogrammierten Hautzellen von Mäusen
bis zu dem Stadium, wo sie embryonalen Zellen ähnlich sind, d..h. den
Zellen, die man einem Embryo am 5. Tag seiner Entwicklung entnimmt und
ihn dabei abtötet.
Da man aber nicht weiss, wie man derartige pluripotente
Zellen, die man entweder einem Embryo entnimmt oder zurück programmiert,
wieder neu entwickelt, bedient man sich eines Tricks:
Die Wissenschaftler von Kyoto vermischten die
reprogrammierten Zellen mit Mäuse-Eierstockzellen und implantierten
dieses Gemisch in den Eierstock von Mäusen. Nach 4 Wochen entnahmen sie
das Eierstock-Gewebe wieder und hatten so unreife Eizellen gewonnen.
Diese liess man im Labor nachreifen, mit Samenzellen von
Mäusen befruchten und in ein surrogates Muttertier einpflanzen. 3
Mäuse-Babys wurden so gewonnen. Diese wiederum wurden normal befruchtet
und warfen dementsprechend Jungtiere.
Ein derartiges Verfahren macht man sich generell zunutze,
damit sich aus pluripotenten embryonalen oder induzierten Stammzellen
verschiedene Zelltypen entwickeln.
Vereinfacht gesagt: Wenn man z.B. eine Nierenzelle haben
will, implantiert man humane embryonale Stammzellen in die Niere einer
Maus und läßt das umgebende Organ die Arbeit tun (siehe das Buch “Verheißungen der neuesten Biotechnologien”, Kindle E-Book).
Dr. Katsuhiko Hayashi, ein Mitarbeiter der japanischen Studie
räumt ein, dass das Verfahren viel zu mühselig und ineffizient ist, um
bei Menschen angewandt zu werden.
Von
der Maus zum Menschen ist ein langer Weg. Man weiss, dass Verfahren,
die erfolgreich bei der Maus wirken, nicht beim Menschen arbeiten – oder
dort gerade das Gegenteil bewirken (vgl. “Promises of New Biotechnologies”, ISBN, Ean 13 0615548288 / 9780615548289).
“Das Ganze bleibt wahrscheinlich nur eine Vision der Technik”, sagt Dr. Hayashi:
“Die biologischen Unterschiede werden wir nie überwinden.
Auch wenn wir als Ausgansmaterial Hautzellen nehmen und diese
zurückentwickeln, müssen wir generell mehr darüber wissen, wie Eizellen
gebildet werden – und das ist immer noch ein Mysterium”.
Die Schwierigkeiten sind sehr groß. Viele Wissenschaftler
zweifeln, ob sie diese jemals überwinden können. Andere sind wiederum
optimistischer - oder utopischer?
Man spekuliert, dass man auf diese Weise Millionen von Frauen
zum eigenen Kind verhelfen könnte. Der biologischen Uhr der Frau, wie
auch ihrer Unfruchtbarkeit könnte man damit entgegenwirken. Technische
wie auch ethische Gründe lassen allerdings daran zweifeln, ob ein
derartiges Verfahren in naher Zukunft realisiert werden kann.
Dr. Greely, Juraprofessor in Standford, glaubt, dass wir in 20 bis 40 Jahren soweit sind:
“Ehepaare, die bestimmte Eigenschaften in ihren Kindern
haben wollen, müssen sich nicht mehr der gefahrvollen Prozedur der
eigenen Eizellgewinnung unterziehen, sondern nehmen lieber eine
Hautzelle. In Zukunft werden so Eizellen gewonnen und auf genetische
Defekte analysiert. So wird man viel besser wählen können, welches Kind
man sich einpflanzen läßt. Auch erwünschte Eigenschaften wie blaue Augen
oder sportliche Talente könnten ausgewählt werden”.
Debra Mathews vom bioethischen Institut John Hopkins Berman bezweifelt, dass jemals ein Markt für derartige Verfahren vorzufinden sein wird:
“Und die Menschen werden auch nicht aufhören,
Geschlechtsverkehr zu haben. Ich würde die Sicherheit der Methode in
Frage stellen”, gibt Lawrence Goldstein, Direktor des
Stammzellforschungs-Programms der Universität von Kalifornien in San
Diego zu bedenken. “Es sieht aus, als würden wir an solchen Kindern
herumexperimentieren”.