Medikamente werden zur Livestyle-Droge unter Jugendlichen
(DVCK e.V. - Aktion Kinder in Gefahr) Der Konsum von Psychopharmaka steigt unter Jugendlichen bedenklich an. Tabletten werden immer beliebter und werden als euphorisierende Drogen eingesetzt die beruhigen und Kummer vertreiben. Fachleute schlagen Alarm und warnen vor den fatalen Nebenwirkungen.
"Gerade in der Hip-Hop-Szene - unter anderem auch durch Bekanntwerden von prominenten Betroffenen - verbreitet sich die Substanz zurzeit", warnt Maurice Cabanis, Leitender Oberarzt der Klinik für Suchtmedizin und Abhängiges Verhalten am Klinikum Stuttgart. "Zudem sind Schmerzmittel derzeit zu einer Lifestyle-Droge geworden, die zunehmend von Jugendlichen und jungen Erwachsenen konsumiert wird." Die Gefahren beim Missbrauch von Schmerzmitteln als Droge werden unterschätzt.
Wenn zum Beispiel das Medikament Tilidin in der Szene oder in Songs als Superdroge verherrlicht werde, sei dies fatal. Denn Tilidin könne süchtig machen; der Entzug sei je nach Konsummenge quälend, verbunden etwa mit starken Muskelschmerzen, Erbrechen, Unwohlsein, Zittern und Schwitzen.
Von den in seiner Abteilung stationär aufgenommenen Patienten, die Tilidin nehmen, sei das Schmerzmedikament irgendwann zur beherrschenden Droge geworden, sagt Rainer Thomasius, Leiter des Deutschen Zentrums für Suchtfragen des Kindes- und Jugendalters (DZSKJ) am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE). Auch er verweist auf den Einfluss der Rapszene: "Jugendliche neigen zur Identifikation mit ihren Idolen, imitieren das Verhalten. Das ist aus suchtpräventiver Sicht hochproblematisch."
Es wurden 2017 noch 100.000 definierte Tagesdosen Tilidin für 15- bis 20-Jährige verschrieben, 2019 dann mehr als drei Millionen - eine Steigerung um das 30-Fache, sagt Thomasius.
Eine aktuelle Umfrage aus den USA zeigt gleiche Tendenzen: Etwa 30 Prozent der Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die von ihrem Arzt Psychopharmaka bekommen hatten, missbrauchten diese Medikamente.
Die Umfrage unter 110.556 jungen Menschen zwischen 12 und 25 Jahren ergab, dass rund ein Drittel (35 Prozent) von ihnen im vergangenen Jahr ein verschriebenes psychoaktives Medikament eingenommen hatte. Fast genauso viele (31 Prozent) gaben an, das Medikament missbraucht zu haben. Die Ergebnisse der nationalen Umfrage wurden in der Online-Zeitschrift „Family Medicine & Community Health“ veröffentlicht.
Am häufigsten verschrieben wurden Opioide – auch der Missbrauch von Stimulanzien und Beruhigungsmitteln war weit verbreitet: Fast 45 Prozent der Benutzer gaben dies zu. Jeder zehnte Befragte gab an, mindestens zwei verschriebene Psychopharmaka eingenommen zu haben, wobei mehr als die Hälfte von ihnen (58 Prozent) eines davon missbräuchlich verwendet hatte. 87 Prozent verwendeten zusätzlich Alkohol, Zigaretten, Marihuana, Kokain, Heroin, Schnüffelstoffe oder Halluzinogene.
Abschließend stellten die Studienautoren zudem fest, dass knapp zwölf Prozent der 18- bis 25-Jährigen über ernsthafte psychische Belastungen berichteten, die mit dem Missbrauch der verschreibungspflichtigen Arzneimittel verbunden waren.