Macht das Bildungssystem Kinder „dümmer“?

Nina Stec

Eine neue Studie der Konrad-Adenauer-Stiftung zeigt, dass 50 Prozent der Abiturienten eigentlich nicht über die notwendigen Fähigkeiten der Hochschulreife verfügen und schwere Defizite in Fächern wie Deutsch oder Mathematik aufweisen. Zudem entstehen vermehrt Schwierigkeiten in Studium oder Ausbildung, da die nötigen Soft Skills, wie Arbeitshaltung, Pünktlichkeit, Verantwortungsbewusstsein und Strukturiertheit fehlen, was sich folglich negativ auf das Arbeitsleben auswirkt.

Der Kinderpsychiater Michael Winterhoff kritisiert in seinem Buch „Deutschland verdummt“ das deutsche Bildungssystem, insbesondere die seit etwa 20 Jahren angewandte Methode des „autonomen Lernens“: Die Kinder werden „dümmer“, da sie sich durch die vorherrschende, beziehungslose pädagogische Haltung nicht altersgerecht entwickeln und Erlerntes schlechter behalten können, da ihnen der Bezug zwischen Materie und Alltagsleben fehle.

Dass Kinder im großen Stil „verdummen“ ist sicher eine düstere und kritikwürdige Prognose. Allerdings leuchtet ein, dass es von einer fragwürdigen, antiautoritären Haltung zeugt, wenn Kinder und Jugendliche in der Schule vielfach nicht mehr als abhängige Lernende, sondern als „Partner“ in Kooperation mit den Erwachsenen verstanden werden, die unter anderem „mitbestimmen“ dürfen, was im Unterricht gemacht wird. Dafür fehlt ihnen aber die nötige emotionale und soziale Reife, die sie allerdings nicht erlangen können, wenn sie zu früh und zu viel sich selbst überlassen werden. Ein mangelhaftes Sozialverhalten kann die Folge sein.

Winterhoff begründet dies damit, dass jeder Mensch zwei Arten von Intelligenz in sich trage: eine angeborene Grundintelligenz und eine erworbene, soziale und emotionale, Intelligenz. Letztere beinhalte Fähigkeiten und Verhaltensweisen, die vor allem in Gesellschaft wichtig sind wie etwa Leistungsbereitschaft und Fokussierung auf notwendige Angelegenheiten, auch wenn man gerade eigentlich keine Lust darauf hat. Diese Art der Intelligenz könne sich aber nur durch Orientierung an Bezugspersonen bilden, die Kindern in Deutschland oft schon im Kindergartenalter durch so genannte „offene Konzepte“, in denen das Kind seine Aktivitäten rein nach aktuellen Launen und Gelüsten ausrichtet, vorenthalten werden.

Eine klare Anleitung durch feste Bezugspersonen und Bindungen, sowohl in der Schule als auch im familiären leben dagegen könne Kindern helfen, sich altersgerecht zu entwickeln und im Berufsleben und im Umgang mit Mitmenschen reif und souverän zu agieren.

Quellen:

Deutschlandfunk-Kultur: Kinderpsychiater kritisiert Bildungssystem
Faz: Rezension: Michael Winterhoff erklärt warum Deutschland verdummt
Deutschlandfunk: Psychiater Winterhoff über das Bildungssystem