Lockdown beeinträchtigt Gehirne der Kinder

(Aktion Kinder in Gefahr - DVCK e.V.) Soziale Interaktionen sind ein Grundbedürfnis. Menschen, die gezwungen sind, sich zu isolieren, sehnen sich nach sozialen Interaktionen, ähnlich wie eine hungrige Person sich nach Essen sehnt.

Die Forscher des Massachusetts Institute of Technology (MIT) haben jetzt herausgefunden, dass das Gefühl der Einsamkeit in sozialer Isolation auch Veränderungen im Gehirn hervorrufen kann. Ähnlich wie bei einem Zustand von Hunger bei dem oft eine gewisse Gereiztheit auftritt.

Laut den Wissenschaftlern sehnt sich das Gehirn in der Isolation nach Gesellschaft, genauso wie wir uns nach einer Mahlzeit sehnen, wenn wir keine Nahrung haben.

Hunger und Einsamkeit beeinflussen das Gehirn

Die Teilnehmer berichteten auch über ein erhöhtes Verlangen nach sozialen Interaktionen oder Essen, wenn sie die Isolation verließen oder das Fasten beendeten. Weiter stellte die Studie fest, dass Hunger die Entwicklung des Menschen auf kognitiver, sozialer und emotionaler Ebene verzögern kann.

Dazu gehören auch Probleme beim Lesen oder Sprechen, Schwierigkeiten, die Aufmerksamkeitsspanne zu halten sowie Gedächtnisschwächen. Kinder, die schon früh hungern müssen, haben eine höhere Wahrscheinlichkeit, schlechtere akademische Leistungen zu erbringen oder eine Klasse zu wiederholen. "Chronische soziale Isolation und Einsamkeit werden mit einer schlechteren körperlichen und geistigen Gesundheit in Verbindung gebracht.

Die Studie zeigt auch, dass die Isolation schwerwiegende Nebenwirkungen wie beispielsweise Drogenabhängigkeit auslösen kann. Längere Perioden der Isolation, besonders während der Entwicklung, können demnach das Verhalten und die Gehirnfunktion dramatisch stören.

Keine Bedürfnisse mehr spüren

Der Neurobiologe Gerald Hüther erklärte im Deutschlandfunk: Kinder lernten in der Schule nicht nur, sondern sie lebten dort auch ihre Bedürfnisse nach Freundschaft und gemeinsamem Spielen aus. Erwachsene hätten oft zu wenig Verständnis dafür, was das Unterdrücken dieser Bedürfnisse auslöse. Um mit den andauernden sozialen Beschränkungen umgehen zu können, würden Bedürfnisse im Gehirn „mit hemmenden Verschaltungen überbaut“. Dadurch könne das Kind zwar mit der Beschränkung besser umgehen, es könne aber eben auch das Bedürfnis nicht mehr spüren.

Zu lange aus der Schule in die Isolation

„Die Kinder versuchen, uns Erwachsenen alles recht zu machen. Wenn man denen sagt, Du musst die Maske aufsetzen, Du musst Abstand halten, Du darfst die Oma nicht mehr in den Arm nehmen, dann nimmt das die Oma nicht mehr in den Arm. Und wenn das ein halbes Jahr so ist, dann will es die Oma auch nicht mehr in den Arm nehmen.“ Diese Entwicklung sei nicht ohne weiteres reparabel und betreffe nicht nur Bedürfnisse nach Kontakt, sondern auch die eigene Freude am Zusammensein mit anderen, erklärte Hüther weiter.

Ein Jahr sei für ein siebenjähriges Kind so bedeutsam wie zehn Jahre für einen 70-Jährigen.

„Ich habe große Befürchtungen, dass hier eine Generation von jungen Leuten groß wird, die sich gar nicht mehr daran erinnern können – weil sie es gar nicht erlebt haben – wie schön das war –, als Kind lebendig zu sein“, betonte der Hirnforscher.