Langzeitstudie bestätigt: Überbehütung von Eltern tut Kindern nicht gut
Christiane Jurczik
Eine neue Studie bringt Erstaunliches hervor: Werden Kinder zu stark bevormundet und abgeschirmt, hemmt dies die Entwicklung der emotionalen Selbstkontrolle und schwächt die Frustrationstoleranz. Das wiederum kann im Schulalter zu sozialen Defiziten und schulischen Problemen führen, wie die Forscher im Fachmagazin “Developmental Psychology" berichten.
Der Begriff "Helikopter-Eltern" steht für ein Erziehungsmuster, das in der heutigen Gesellschaft zunehmend zu einem Problem zu werden scheint.
Als "Helikopter-Eltern" werden Eltern bezeichnet, die in ihrem Bemühen, ihren Kindern alle Hürden aus dem Weg zu räumen, deren Selbstständigkeit unterdrücken und „falsche Werte“ vermitteln. Dadurch aber lassen sie ihnen kaum Raum für eigenständige Erfahrungen - ob beim Spielen oder im Umgang mit Gleichaltrigen: "Diese Eltern greifen bereits ein, bevor die Kinder die Chance haben, selbst ihre Emotionen oder ihr Verhalten zu regulieren", erklären Nicole Perry von der University of Minnesota und ihre Kolleginnen.
Das Problem: Die Erfahrungen im frühen Kindesalter sind für Kinder essenziell, um den Umgang mit positiven oder negativen Situationen zu lernen. So entwickeln die Kinder beispielsweise die Fähigkeit, ihre Impulse und Gefühle besser zu kontrollieren, Frustrationen auszuhalten und sich auch an nicht optimale Bedingungen anzupassen. "Diese in der Kindheit gelernten selbstregulatorischen Prozesse tragen signifikant dazu bei, ob diese Kinder später gut eingegliedert sind oder nicht", so die Forscherinnen.
Häufig kommt es zu Streit und Aggressionen und das Kind wird zum unbeliebten Mitschüler, das durch sein Verhalten vielleicht sogar Angst und Schrecken verbreitet. In der Mehrheit der Fälle, sehen die Eltern dann jedoch noch immer nicht ein, dass sie selbst Mitverursacher der Probleme ihres Kindes sind. Schuld bekommen Mitschüler, Freunde oder die Lehrer.
Das Kind hat eines gelernt: Es ist perfekt, fehlerlos und macht alles richtig. Zumindest in der Welt der Eltern, die alles am Kind lobend hervorhoben und das Wort „Nein“ nur in Ausnahmefällen benutzten. Wie sollte das Kind eigentlich lernen, Ehrgeiz zu entwickeln? Jemand, der perfekt und allen überlegen ist, kann sich doch nicht mehr verbessern. Entsprechend wird auch die Zielstrebigkeit eingedämmt.
Insgesamt führen diese anerzogenen Eigenschaften zu Konflikten, denn außerhalb des Elternhauses gibt es viele perfekte Kinder die immer Recht haben möchten. Und auch die Kinder, die sich nicht für das Zentrum des Universums halten, sondern gern Teil einer Gemeinschaft sind, werden sich nicht dauerhaft dem Kind der Helikopter-Eltern unterwerfen.
Diese Konflikte können aber vom Kind selbst kaum gelöst werden, denn das ist wiederum ein Punkt, den es nie gelernt hat. Wahrscheinlich hatte es Konflikte, doch gelöst wurden die letztendlich von den Eltern.
Das zweite Extrem ist, dass das Kind immer verunsicherter wird, kaum mehr Selbstbewusstsein hat und sich nur noch oberflächlich als das ausgibt, von dem es glaubt, dass die Eltern es so sehen wollen. Das Kind kann keine wirkliche Selbstständigkeit entwickeln, sondern bleibt abhängig von der Kontrolle seiner Eltern, später dann dem Arbeitgeber und auch dem Partner.
So sehr man seine Kinder auch verwöhnt, man sollte sich im Klaren sein, dass die Wertschätzungsfähigkeit des Kindes völlig unterentwickelt bleibt, wenn es alles als selbstverständlich betrachtet, fordern darf, aber keine Leistung erbringen muss. Und auch die Selbstständigkeit lässt sich nicht durch ein selbstbewusstes Auftreten ersetzen.
Natürlich sollen Eltern ihre Kinder über alles Lieben. Aber sie müssen sich auch bewusst sein, dass sie die Verantwortung tragen, ihre Kinder nicht nur zu verwöhnen, sondern ihnen eine Stütze zu sein, auf dem Weg in ein später eigenes Leben, in dem sie Teil der Gesellschaft sind, die nur allzu schnell ausschließt, wer nicht dazu gehören will.
Mit Informationen aus Developmental Psychology, 2018; doi:10.1037 und scinexx.de