Kommentar: Abtreibungen bleiben trotz Rückgang hoch und sind eine tiefe moralische Wunde in Deutschland
Mathias v. Gersdorff
Das Statistische Bundesamt hat die Zahl von 114.500 Abtreibungen im Jahr gemeldet haben. Diese Zahl ist zwar horrend hoch. Man muß sich nur vorstellen, was los wäre, wenn eine Krankheit diese Anzahl von Menschen wegraffen würde. Die Zeitungen würden viele Wochen in den ersten Seiten darüber berichten, Politiker würden Alarm schlagen, Schuldige würde man ausfing machen wollen.
Doch nichts von dem passiert, wenn 114.500 ungeborene Menschen getötet werden.
Ganz im Gegenteil. Ein wichtiger Teil der Presse hat sogar versucht, diese Nachricht als positiv darzustellen, weil die Zahl der gemeldeten Abtreibungen gegenüber dem Vorjahr gesunken ist. Man legte das Gewicht nicht auf die hohe Gesamtzahl der Abtreibungen, sondern auf die Veränderung gegenüber dem Vorjahr.
So hat die Süddeutsche Zeitung die Überschrift „Abtreibungen: Zahl erreicht niedrigsten Stand seit 1996“. Offensichtlich wird hier versucht, diese Massentötung zu verschleiern. AFP (Agence France Press) betitelte ihre Meldung mit „Zahl der Abtreibungen in Deutschland 2008 erneut gesunken“ – auch hier versucht man, positive Stimmung zu machen. Associated Press (AP) schrieb: „Zahl der Abtreibungen erneut gesunken“. Selbst die FAZ schrieb „Immer weniger Abbrüche“.
Es gab allerdings Ausnahmen. So betitelte Die Welt die Nachricht mit „Zahl der Abtreibungen geht auf hohem Niveau leicht zurück“.
In der Mehrheit der Medien besteht ein Interesse, das Grauen der Abtreibung in Deutschland zu relativieren und geringer erscheinen zu lassen, als es wirklich ist. Sie fürchten offenbar, daß eine große Reaktion gegen die liberale Abtreibungspraxis entstehen könnte. Sie fürchten ebenso die von dem Bundesverfassungsgericht dem Bundestag auferlegte „Nachbesserungspflicht“. Nach dieser müßte der Bundestag die gegenwärtige Fassung des § 218 StGB ändern, falls die Zahl der Abtreibungen durch die Pflichtberatung nicht sinken sollte. Jede noch so kleine Reduzierung der Abtreibungszahlen wird deshalb als Erfolg der Fristenlösung mit Beratungspflicht gewertet, die 1993 eingeführt wurde.
Die Lebensrechtler können sich mit dieser Situation keinesfalls abfinden, sondern müssen ihre Arbeit fortsetzen und von den Politikern gesetzliche Verbesserungen fordern. Unsere Politiker müssen zuallererst einsehen, daß die gegenwärtige liberale Fassung des § 218 StGB eine Katastrophe ist, die vielen Menschen schon das Leben gekostet hat.