Kindliche Bindungsstörung durch Smartphone Nutzung
(DVCK e.V. - Aktion Kinder in Gefahr) Babys und kleine Kinder leiden erheblich, wenn Eltern permanent aufs Handy starren - Fachleute fordern mehr Aufmerksamkeit für dieses Problem. "Das Thema wird total unterschätzt, wir brauchen unbedingt Aufklärung", sagte Sabina Pauen, Entwicklungspsychologin an der Universität Heidelberg.
Traurige Alltagsszenen zeigen Eltern auf Spielplätzen, in Restaurants, beim Stillen oder Fläschchen geben auf öffentlichen Plätzen, in öffentlichen Verkehrsmitteln, beim Spazieren gehen, am Strand oder Badesee, beim gemeinsamen Essen oder beim Zubettbringen der Kinder usw. immer mit dem Smartphone.
Kinder verlieren Bindungsfähigkeit
Die Folgen für die Entwicklung und die Bindungsfähigkeit von kleinen Kindern sind nach Expertenmeinung erheblich. Beim sogenannten Still-Face-Experiment forderten Forscher beispielsweise die Mutter auf, mit plötzlich versteinertem Gesicht nicht mehr auf ihr Baby zu reagieren. Resultat: Die Babys gerieten in großen Stress und versuchten mit Strampeln, Armwedeln und schließlich Weinen die Zuwendung der Mutter wiederzubekommen.
„Ähnliche Reaktionen könnte der ständige Blick aufs Smartphone auslösen. Säuglinge könnten resignieren, weil die Lebendigkeit der Mimik fehlt und permanent dem Smartphone zugerichtet ist", schreiben Schweizer Forscherinnen, darunter Agnes von Wyl.
Studien belegen: Erst der Blick aufs Handy, dann zum Kind: Eltern, die so mit ihrem Nachwuchs kommunizieren, verstärken Frust und Aggression. Experten nennen das "Mangel an aktivem Miteinander" und warnen vor ungünstigen Folgen für die Eltern-Kind-Beziehung. Eine neue Studie stützt diese These: Eltern, die viel Zeit mit digitalen Medien oder vorm Fernseher verbringen, statt sich mit ihrem Nachwuchs zu beschäftigen, können Verhaltensauffälligkeiten bei ihren Kindern fördern. Missachtete Kinder seien eher frustriert, hyperaktiv, jammerten, schmollten oder reagierten mit Wutanfällen, berichten die Forscher im Fachjournal "Pedriatic Research". Ein negativer Kreislauf entstehe, denn viele Eltern reagierten auf auffällige, als anstrengend empfundene Kinder mit noch mehr Medienkonsum, erläutern Brandon McDaniel von der Illinois State University und Jenny Radesky von der University of Michigan Medical School.
Anderen Studien zufolge verbringen Eltern neun Stunden pro Tag vor TV, Computer, Tablet oder Smartphone.
Experten stimmen zu. "Dass Probleme zwischen Eltern und Kindern größer werden, wenn es weniger persönlichen Kontakt gibt und Probleme nicht ausgehandelt werden, ist nicht verwunderlich und schließt an vorliegende Studien an", sagen Susanne Eggert und Gisela Schubert vom JFF-Institut für Medienpädagogik in München.
Kinder brauchen dringend Blickkontakt und Rückmeldung
Denn mangelnder Kontakt zur Bezugsperson kann zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen in der frühkindlichen Entwicklung führen. „Kinder wollen Blickkontakt, sie wollen ein Feedback bekommen“, weiß Bettina Erlbruch, Geschäftsführerin des Kinderschutzbundes Düsseldorf. Wenn die Eltern nur auf ihr Handy starren, sei das nicht gegeben. Auf Dauer kann das zu Verhaltensauffälligkeiten bei Kindern führen.
Und ein schlechtes Vorbild führt dann zu den Fällen, von denen Bettina Erlbruch nur zur Genüge berichten kann: Eltern mit 9- oder 10-jährigen Kindern kommen in die Beratungen und klagen, dass sie keine Kontrolle über die Mediennutzung ihrer Kinder haben. „Da wird beim Essen unterm Tisch mit dem Smartphone gespielt.“ Dann helfen nur noch konsequente Vereinbarungen in der Familie. „Die müssen aber auch die Eltern betreffen“, erklärt Erlbruch, denn „Erziehung funktioniert über Vorleben.“