Kindheit: Aufwachsen mit Konsum und Medien
Christiane Jurczik
Immer weiter dehnt sich die Kluft zwischen Erziehung und gesellschaftlichen Ansprüchen im Alltag von Kindern und Eltern.
Wie kann Erziehung gelingen, wenn beide Elternteile arbeiten müssen - nicht selten an mehreren Stellen -, um ihre Lebenshaltungskosten zu decken? Wo bleibt dann Zeit für die Kinder?
Oder wenn wohlhabende Eltern ihre Kinder entweder verwöhnen oder überfordern. Sie stecken beispielsweise ihre Kinder in straffe Zeitpläne, haben private Nachhilfelehrer für die fünfte Fremdsprache, gehen zudem zum Reiten und dann noch in den Klavierunterricht. Verbesserte materielle Lebensverhältnisse führen leider nicht selten auch zu einer Flut von Spielzeugen im Kinderzimmer, zu einer kindlichen Eitelkeit durch Markenklamotten oder eine unnatürliche Umgebung von elektronischen Medien wie Handy, Computer, TV usw. Eltern schließen für ihre Kinder Flatrate-Verträge ab und begreifen oft nicht, dass dadurch der Weg zu Internetsucht geebnet wird.
Zwölf Milliarden Euro Kaufkraft befinden sich in den Händen von Kindern zwischen sechs und dreizehn Jahren.
Eltern hätten häufig Gewissensbisse, weil sie arbeiten, weil sie nicht genug verdienen, weil sie sich scheiden lassen oder weil sie nicht genug Zeit und Geduld aufbringen, fasst eine Studie der Konrad Adenauer Stiftung zusammen. Deswegen fänden Eltern es nur logisch, für ihre Kinder viel Geld auszugeben. Hier wird Geld für Gefühle eingesetzt. Dies merken Kinder sehr schnell. Somit wissen Kinder was sie wollen, aber nicht, was sie brauchen.
Kinder verwischen Schein und Realität durch exzessiven Medienkonsum. Heute vermittelt der werbegetriebene Kommerz den Kindern implizit die Vorstellung, alles ließe sich kaufen, geistige, immaterielle Werte seien unwichtig oder unerreichbar. Der moderne Wandel verunsichert Eltern, wie die Flut von Erziehungsratgebern zeigt. Mit ihren unterschiedlichen Konzepten, Erziehungsphilosophien und Wegweisern mindern sie nicht diese Verunsicherung, sondern festigen sie eher.
"Kinder“, schreiben die Autoren der Studie, „brauchen Freiräume jenseits konfektionierter Angebote und der Überwachung von Erwachsenen“.
Der Alltag junger Menschen ist heute ohne Medienkonsum undenkbar, wobei die Lebenswelt sich je nach gesellschaftlicher Schicht sehr unterschiedlich darstellt.
Manfred Spitzer, einer der größten Kritiker der Mediengesellschaft, sieht die Auswirkungen des Medienkonsums auf die Gesundheit kritisch. Seit 2008 werde im britischen Fernsehen bei Kindern deswegen nicht mehr für Junk-Food geworben. Bereits eine tägliche TV-Nutzung von mehr als drei Stunden wird als risikoreich eingestuft. Ein weiteres Problem erhöhter Mediennutzung sei die Rufschädigung oder Verleumdung mittels elektronischer Medien, das so genannte Cybermobbing.
Die Vielzahl neuer Medien spaltet die Elternschaft. Sie sehen auf der einen Seite den Nutzen des Computers für die Schule und das spätere Leben. Kritisch ist aber auch die leichte Verfügbarkeit pornographischer Inhalte. Die Generation heute werde mit einer solchen Fülle an Medienangeboten rund um die Uhr überschwemmt. Dies führe auch zum Versinken in virtuellen Scheinwelten, was die geistige und seelische Entwicklung sowie die Leistungsfähigkeit der Kinder beeinträchtige.
Junge Menschen, die sich sozial oder sportlich engagierten, erlebten dagegen Teamgeist und Kameradschaft und seien besser gefeit vor realen und virtuellen Verführungen.