Kinderschützer kritisieren: Onlinevermarktung eigener Kinder wird immer beliebter

Kinderschützer kritisieren: Onlinevermarktung eigener Kinder wird immer beliebter

Christiane Jurczik

Kinderarbeit mit Millionenpublikum. Jeder Schritt wird dokumentiert und ins Internet gestellt: Kinderfotos sind auf Instagram und Co. besonders beliebt. An dieser Vermarktung von Kindern durch ihre Eltern stören sich Kinderschützer und sehen Regulierungsbedarf.

Die Zwillinge Mila und Emma sind Instagram-Stars. Über vier Millionen Nutzer verfolgen täglich das Leben der US-Amerikanerinnen. Auf einem ihrer Bilder sind sie in Bikinis am Strand zu sehen. Mila lächelt breit in die Kamera, während Emma einen Arm lasziv in die Hüfte stützt und einen Kussmund formt. Fast 400 000 Menschen gefällt das Foto. In Zeiten von Selbstvermarktung im Internet ist das nicht ungewöhnlich. Was aufhorchen lässt, ist das Alter der Geschwister: Mila und Emma sind erst vier Jahre alt.

Sie sind bereits ihr gesamtes Leben lang in sozialen Netzwerken präsent. Ihre Mutter Katie, die die Bilder ins Internet stellt, ließ die ganze Welt daran teilhaben, als die Zwillinge geboren wurden, ihre ersten Schritte machten und die ersten Worte sprachen. Jeder kann mitverfolgen, was die Vierjährigen essen, welche Kleidung sie tragen, ob sie gut oder schlecht gelaunt sind. Und sie sorgen dafür, dass das Vermögen der Familie stetig steigt, denn bei einer Abonnenten-Anzahl von mehr als vier Millionen kann sich Katie von Firmen hohe Summen ausbezahlen lassen, damit ihre Kinder im Internet für deren Produkte werben.

Die Personen hinter „fashionkids“ etwa haben mehr als dreieinhalb Millionen Abonnenten. Auf ihrem Profil werden Bilder von Kindern und Babys gesammelt, die sich wie selbstverständlich in Pose werfen und die Kleidung großer Marken präsentieren. So lehnt eine etwa 5-Jährige lässig an einem Auto, die Augen sind hinter einer riesigen Sonnenbrille verdeckt, sie hält eine kleine Handtasche in der Hand und auf ihrem Shirt prangt eine italienische Designermarke.

Auf einem anderen Foto sitzt ein Baby in einem Jeans-Overall auf einer Treppenstufe und schaut verträumt in die Ferne. Sowohl Mütze als auch Turnschuhe sind von einer bekannten Sportmarke und werden demonstrativ in den Vordergrund gerückt. Auch ein Kleinkind, das scheinbar aus einem Kaffeebecher einer bekannten Café-Kette trinkt, ist auf dem Profil zu sehen.

Kinder als Influencer

Mit Lil Tay gewann Anfang des Jahres ein besonders umstrittenes Beispiel eines Kinder-Influencers in den sozialen Medien an Popularität. Die Neunjährige, der fast zweieinhalb Millionen Menschen auf Instagram folgen, provoziert im Netz mit Aussagen wie „I‘m a 9 year old millionaire and I be smoking dope, bitch!“ (zu Deutsch: „Ich bin eine neunjährige Millionärin und rauche Cannabis, Schlampe“) und Videos, in denen sie in Luxusvillen mit 100-Dollar-Scheinen um sich wirft. Das Mädchen behauptete, aus ärmlichen Verhältnissen zu stammen, sich aber mittlerweile zur Millionärin hochgearbeitet zu haben.

Rund 30.000 Influencer vertrieben in Deutschland inzwischen ihre Videos über YouTube, Facebook oder Instagram, sagt Thomas Krüger, Präsident des Kinderhilfswerks, in einem Interview der Süddeutschen Zeitung. Insgesamt lägen die Einnahmen daraus bei rund 560 Millionen Euro. Bis 2020 könne die Summe auf eine Milliarde Euro anwachsen. Zu Kindern in diesem Geschäft gebe es keine qualifizierten Zahlen.

Dem Deutschen Kinderhilfswerk wird das Phänomen langsam ein wenig unheimlich. "Da geht es um Persönlichkeitsrechte, Privatsphäre und die Instrumentalisierung von Kindern", sagt Luise Meergans, Bereichsleiterin für Kinderrechte und Bildung. Sie wünscht sich mehr Kontrollinstanzen – und mehr Verantwortung bei Eltern. Kinder würden oft nicht gefragt, bevor ein Film mit ihnen in das Netz gestellt wird. „Als Kind habe ich aber einen Anspruch darauf, dass meine Eltern mich fragen, ob ich das überhaupt will“, betont Meergans.

Mit Informationen aus heise.de/ und saarbruecker-zeitung.de