Kinder und Babys im Netz: Influencer wider Willen

<p>Christiane Jurczik</p> <p>Kinder und Babys als Influencer bei Instagram und YouTube. Halston Blake Fisher war noch nicht auf der Welt, da hatte sie schon ihren eigenen Instagram-Account. Kurz vor ihrem Geburtstermin Anfang März folgten Halston Blake dort schon über 115.000 Menschen. Denn: Ihre Eltern sind selbst ziemlich erfolgreich auf der Plattform.</p> <p>Mutter Madison hat 776.000 Abonnenten, Papa Kyler immerhin 370.000. Und dann sind da noch die eineiigen Zwillingsschwestern Taydum und Oakley. Zweieinhalb Jahre alt. Followerzahl bei Instagram: 2,5 Millionen! Da muss man als drittes Kind in der Familie natürlich früh anfangen mit dem Aufbau der eigenen Online-Gefolgschaft. Die Follower haben bisher aber nur einen einzigen Post zu sehen bekommen: den Geburtstermin und eine Grafik mit dem Namen.</p> <p>Noch nicht geboren und schon auf Instagram</p> <p>Dafür ist auf dem Account der Eltern und der Zwillinge schon mehrmals gepostet worden, dass sie sich auf die kleine Schwester freuen. „Wir konnten heute unsere Baby-Schwester zum ersten Mal sehen“, steht bei dem Foto dabei, auf dem die Zwillinge Ultraschall-Bilder anschauen. Und dann folgen dem neuen Baby-Account eben auch schnell mal tausende von Leuten.</p> <p>Bei YouTube folgen dem Kanal von Kyler und Medison Fisher sogar mehr als drei Millionen Nutzer. Wenn man sich dort Videos mit ihren Kindern anguckt, ist klar: Oft werden Produkte beworben. Genauso wie bei Instagram. Da schnallen die Zwillinge ihre Puppe in ihrem „Lieblingskindersitz“ von einem bestimmten Hersteller an oder machen mit Papa eine Kreuzfahrt.</p> <p>Kreuzfahrtanbieter und Kindersitzhersteller haben für die Posts bezahlt. Zwischen 10.000 und 20.000 US-Dollar bringt so ein Werbepost den Eltern ein. Das hat Papa Kyler der New York Times in einem Interview gesagt. Bei YouTube kommt demnach nochmal mehr Geld in die Familienkasse – bis zu 50.000 US-Dollar.</p> <p>Und: Merchandise der „Fish Fam“ – so nennt sich Familie Fisher als Marke – gibt es auch: T-Shirts, Hoodies, Hüllen fürs Smartphone – alles mit dem „Fish Fam“-Schriftzug. Das Familien-Business scheint zu laufen.</p> <p>Aus Influencer ist das Wort „Kid-fluencer“ geworden: Kinder, die andere Nutzer im Netz beeinflussen, egal ob Eltern oder andere Kinder. Vor allem in den USA haben Firmen es inzwischen auf die Kleinsten als Werbeträger abgesehen. Die Influencer-Kinder sind oft von Geburt an im Netz präsent. Kyler Fisher erzählt in einem seiner YouTube-Videos, dass die Geburt von Kind Nummer 3 kurz bevorsteht. Und fügt aufgeregt hinzu: „It’s our first Baby on camera“ – die Geburt von Halston Blake wird es als Video bei YouTube geben.</p> <p>Wenn Eltern die Grundrechte ihrer Kinder verletzen</p> <p>Es gibt weinende, nackte, in beschmutzten Windeln liegende, auf dem Töpfchen sitzende Babys; Kinder in Netzstrumpfhosen und Overknee-Stiefeln zu sehen. Das verletzt die Würde dieser Kleinkinder! Und die ist laut Artikel 1 des Grundgesetzes unantastbar!</p> <p>Die Kinder und Jugendlichen von heute sind die erste Generation, deren Aufwachsen komplett im Internet dokumentiert wird. Unter dem Hashtag #instakids gibt es 14,9 Millionen Beiträge. Noch extremer sind eigene Kinder-Accounts, mit denen sich Eltern nicht nur Likes abholen, sondern sogar richtig Kohle machen.</p> <p>Rechtlich gesehen müssten Eltern ihre Kinder ab dem 14. Lebensjahr ausdrücklich fragen, ob sie ein Foto von ihm verwenden dürfen. Aber auch Babys und Kleinkinder haben ein Recht darauf, dass ihre Persönlichkeitsrechte nicht verletzt werden, denn Kinder haben Recht auf Privatsphäre.</p> <p>Bevor sie 14 sind müssen mit den Konsequenzen der Veröffentlichungen leben. Denn Kinder, die als Säugling im Internet landen, werden vielleicht später in der Schule damit gehänselt. Schlimmer wird es, wenn Fotos auf Werbe- oder auf Pornoseiten landen.</p> <p>Schlimm, wie jemand in seiner Eitelkeit, Geltungssucht und vielleicht auch aus finanziellem Interesse sein Kind zum Accessoire degradiert.</p>