Kinder bekommen häufiger Psychopillen verschrieben
Ein Drittel der
Senioren schluckt mehr als fünf Arzneimittelwirkstoffe
Kinder und ältere
Menschen bekommen zu viele Arzneimittel mit gefährlichen Auswirkungen und ohne
klaren medizinischen Grund. Zu diesem Ergebnis kommt der neue
Arzneimittelreport der Krankenkasse Barmer GEK, der am Dienstag in Berlin
vorgestellt wurde. Während Kindern “besorgniserregend“ viele Psychopillen
verordnet werden, schluckt ein Drittel der Senioren mehr als fünf Arzneimittelwirkstoffe
täglich.
Dem vom Bremer Gesundheitsexperten Gerd Glaeske erstellten Report
zufolge stiegen die Verschreibungen von sogenannten Antipsychotika bei Kindern
und Jugendlichen von 2005 bis 2012 um 41 Prozent. Während bei Kleinkindern bis
vier Jahren Ärzte kaum noch solche Medikamente verschrieben werden, steigen bei
allen anderen die Verordnungen, am stärksten demnach bei den Zehn- bis
14-Jährigen.
„Eine medizinische Erklärung dafür lässt sich nicht direkt herleiten“,
erklärte Glaeske. Weder zeigten Studien einen Anstieg psychiatrischer Störungen
bei Kindern und Jugendlichen, noch hätten sich die relevanten
Therapieempfehlungen geändert.
Auf der anderen Seite hätten Antipsychotika zum Teil gravierende
unerwünschte Wirkungen. Antipsychotika beziehungsweise Neuroleptika werden vor
allem für Kinder und Jugendliche mit einer sogenannten
Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS), mit Angststörungen oder
Depression verordnet.
Kritisch bewertet der Report auch die Verschreibung von mehreren Wirkstoffen
gleichzeitig für ältere Patienten. Ein Drittel der Versicherten über 65 Jahre
nimmt demnach täglich mehr als fünf Arzneimittelwirkstoffe zu sich. Bei den
Hochbetagten zwischen 80 und 94 Jahren sei dies fast jeder Zweite.
Im Durchschnitt schlucken Männer über 65 Jahre täglich 7,3 Wirkstoffe,
bei Frauen dieser Altersgruppe sind es 7,2. Gerade die riskante Multimedikation
unterstreiche die Notwendigkeit der elektronischen Gesundheitskarte, des
elektronischen Rezepts und der elektronischen Patientenakte, erklärte der
Vizechef der Barmer GEK, Rolf-Ulrich Schlenker. Damit hätten behandelnde Ärzte
und auch Apotheker einen viel besseren Überblick über die Arzneimitteltherapie.