Kein Schutz für Kinder im Netz

Dass es Chat- und Datingseiten für Kinder gibt, ist schon fragwürdig genug, denn gerade diese Seiten bieten keinen ausreichenden Schutz vor sexuellen Inhalten.

Ein großer Teil der Kinder und Jugendlichen wird täglich mit sexuellen Inhalten konfrontiert. Es betrifft Mädchen genauso wie Jungen: Mädchen werden angemacht und häufig auch manipuliert, Jungen bekommen den Porno direkt in ihr Kinderzimmer geschickt.

Chat- und Datingseiten, auf denen sich bereits Kinder anmelden können, werden bevorzugt von Menschen mit pädophiler Neigung genutzt.

Geht es um sexuelle Belästigung im Internet, wird oft das Argument benutzt, es sei ja nichts passiert, der Täter kam dem Kind ja nie zu nahe. Ein fataler Irrtum, denn man darf den seelischen Aspekt nicht außer Acht lassen: “Eigentlich sitzt der Täter dem Kind in seinem Zimmer auf dem Schoß!“, erklärt Julia von Weiler, die dem Verein “Innocence in Danger“ angehört. Der Verein beschäftigt sich mit den Themen der Vermeidung von sexuellen Belästigungen und Übergriffen im Netz. “Wir leben im Zeitalter des digitalen Exhibitionismus und niemand kann heute noch wirklich abschätzen, was mit dieser Generation geschehen wird, die schon in so jungen Jahren mit viel Ekelhaftigkeit konfrontiert wird“.

Es sind keine Ausnahmen

Redakteure der FAZ haben einen Versuch unternommen und sich auf verschiedenen Chat-Seiten für Kinder und Teenager angemeldet, um deren Sicherheit zu testen. Verschiedene Profile von Mädchen mit unterschiedlichem Alter wurden dabei angelegt. Die Anmeldung erfolgte bei allgemein bekannten Chatportalen für Kinder und Jugendliche. Die vermeintlichen Kinder blieben passiv, provozierten nicht und die Fotos waren in keiner Weise aufreizend. Das Ergebnis war erschreckend: Kinder, vor allem Mädchen wurden ständig sexuell attackiert.
“Es ist keine Ausnahmen. Es passiert unweigerlich jedes Mal“, hieß es zusammenfassend. Innerhalb weniger Minuten, werden Kinder bedrängt und sollen sexuelle Handlungen an sich vornehmen. Oft versuchte man sie zu überreden, zu anderen Anbietern zu wechseln, um pornographische Bilder zu senden.

Die Betreiber dieser Chatseiten sind sich der Gefahren bewusst, verweisen aber auf ihre Sicherheitshinweise. Gesetzlich geregelt ist das sogenannte Cyber-Grooming im Paragraph 176 des Strafgesetzbuches. Bis zu fünf Jahre Gefängnis sind theoretisch möglich, aber leider fallen die Urteile häufig deutlich geringer aus. Eine aus dem Jahr 2011 in Kraft getretene EU-Richtline sieht vor, schon den Versuch der Kontaktaufnahme zu Kindern für sexuelle Zwecke unter Strafe zu stellen. Nach Auskunft des Bundesjustizministeriums wurde ein Entwurf erarbeitet und zur Auswertung an alle Bundesländer geschickt.

Selbst auf absolut harmlos wirkenden Seiten tummeln sich Menschen mit pädophilen Neigungen. Bei panfu.de, einer Seite für Kinder, die ebenfalls in die Kritik der FAZ-Redakteure geraten ist, hat man reagiert: “Wir hatten schon zum Zeitpunkt des Erscheinens umfangreiche Sicherheitsmaßnahmen und haben diese seitdem kontinuierlich ausgebaut. Selbstverständlich haben wir auch einen Notfallknopf um jemanden sofort zu melden“, so Geschäftsführerin Verena Delius.

Zusätzlich gibt es eine Liste mit über tausend gespeicherten Begriffen im Zusammenhang mit Sex und Kriminalität, die nicht im Chat auftauchen dürfen. Das Wort ‘Adresse‘ ist zum Beispiel auf dieser Liste, weil es Kindern untersagt ist, nach der Adresse von anderen zu fragen.

Die derzeit größte Chat Community in Deutschland ist Knuddels.de, die bereits seit 15 Jahren existiert, rund 6000 Administratoren verzeichnet und mehr als 1,9 Millionen Usern genutzt wird. Monatlich wird sie von 900.000 Teilnehmern zum Chatten genutzt. Ein Großteil ist über 18 Jahre. Zugelassen ist die Seite aber schon ab 14 Jahren und verfügt über eine entsprechende Chat-Ecke. “Das was ich von Jugendlichen immer wieder von knuddels.de höre, ist nach wie vor frappierend, berichtet von Weiler. Die meisten ignorieren die Täter. Bis sie den Notfallbutton drücken, ist schon viel passiert“.

Kinder und Jugendliche erzählen nicht alles, drüber müssen sich Eltern bewusst sein. Vielleicht auch, weil sie selbst nicht einschätzen können, ob ihr Bauchgefühl richtig ist oder sie die Eltern nicht beunruhigen wollen. Auch aus Angst den Zugang zu Chats und sozialen Netzwerken verboten zu bekommen. Möglichkeiten gibt es viele und Eingriffsmöglichkeiten für Eltern immer weniger. Dass sich die Jugendlichen im Netz bewegen, lässt sich nicht mehr verhindern – online sind sie auf jeden Fall.

Umso wichtiger ist es, genau zuzuhören, wenn Kinder etwas über ihre Aktivitäten im Netz erzählen.