Ist die Sexualerziehung in Deutschland noch zu retten?
Mathias von Gersdorff
Nachdem es in Deutschland in den 2000er Jahre relativ ruhig rund um die Schulsexualerziehung wurde, kommt sie spätestens seit 2013/2014 immer wieder in Schlagzeilen.
Der wichtigste, aber nicht der einzige Grunde ist Gender. Der sog. „Bildungsplan 2015“ für die Schulen Baden-Württembergs“ sah dermaßen massiv die Einführung von Gender in die schulische Erziehung vor, dass ein Sturm des Protestes entstand. Dieser Sturm zieht seitdem von Bundesland zu Bundesland. 2016 wurde Hessen das Epizentrum des Protestes aufgrund der neuen „Richtlinien für die Sexualerziehung“ von Kultusminister Ralph Alexander Lorz (CDU).
Der hessische Lehrplan ist nichts anderes als ein Gender-Lehrplan, in welchem diese absurde Ideologie in der Form von „Akzeptanz sexueller Vielfalt“ in die Schulen kommt, und zwar für Kinder ab sechs Jahren, die sich z.B. mit „gleichgeschlechtlichen Partnerschaften“ auseinandersetzen müssen. Eltern und Großeltern sind entsetzt und fassen es nicht, dass just ein CDU-Kultusminister einen solchen Erlass fabriziert.
Kritik an der Schulsexualerziehung gab es aber schon immer, manchmal lauter, manchmal leiser.
Der typische und gerechtfertigte Vorwurf in den 1990er Jahren war: Den Kindern werden Details über das Intimleben zu früh vermittelt und sie werden neugierig gemacht. Sexualkunde sei in Wahrheit „Verhütungsunterricht“.
Insbesondere katholische und evangelikale Eltern protestierten, weil sie ihr Elternrecht auf Erziehung verletzt sahen. Immer wieder kam zu Verhaftungen von Eltern, die ihre Kinder nicht am Sexualkundeunterricht teilnehmen lassen wollten.
Die Befürworter der Sexualerziehung an den Schulen gaben zu bedenken, dass Kinder in unserer sexualisierten Welt eine Orientierung in diesem Bereich bräuchten. Diese erhielten sie nicht zu Hause, weil viele Eltern schlichtweg dazu nicht in der Lage seien.
Beide Positionen beinhalten vernünftig Argumente (Ich persönlich trete für die Elternrecht-Position ein. Diese wird auch von der katholischen Kirche vertreten: Die Sexualerziehung ist primär Sache der Eltern. Der Staat darf sich nur einmischen im Falle einer Ermangelung elterlicher Erziehung).
Fände jetzt eine Debatte zwischen den beiden erwähnten Positionen statt, wäre eine Lösung nicht so schwierig und die Diskussion um das Thema wäre auch nicht so heftig.
Doch in Deutschland kommt ein weiterer Aspekt hinzu: Die Schulsexualerziehung war von vornherein sehr stark ideologisch geprägt.
Bei ihrer Einführung Anfang der 1970er Jahre, wurde sie maßgeblich von Personen gestaltet, die der sog. „emanzipatorischen Sexualerziehung“ anhingen. Sie wollten die Ideen der „sexuellen Revolution“ der 1968er-Bewegung (Herbert Marcuse mit seinem Aufsatz „Triebstruktur und Gesellschaft“ gab einen entscheidenden Impuls) verwirklicht sehen. Die bürgerliche Moral wurde als repressiv scharf abgelehnt und sollte im Sexualkundeunterricht bekämpft werden. Die christliche Sicht von Sexualität – vor allem die katholische – war das absolute Feindbild.
Für diese „Pädagogen“ (Helmut Kentler war einer der bekanntesten) sollte der Sexualkundeunterricht tatsächlich eine antibürgerliche und antichristliche Sexual-Ideologie vermitteln.
Dieser - wenn man so will – „Geburtsfehler“ der deutschen Schulsexualerziehung wurde niemals behoben. Stets wurden die Ideen über Sexualität inkorporiert, die in linksintellektuellen Milieus gerade Mode waren.
Die CDU hat immer versucht, diesen Unterricht einigermaßen von diesen Ideologien frei zu halten, was ihr nicht immer gelang. Dennoch konnten sich aber die Eltern darauf verlassen, dass die Christdemokraten dafür sorgen würden, dass Ideologen nicht ungehemmt diesen Unterricht gestalten würden.
Dass gerade nun in Hessen die CDU einen totalen Gender-Lehrplan einführt, hat die Eltern schockiert. Sie haben nie damit gerechnet, dass die CDU ihnen in dieser Form in den Rücken fallen würde.
Doch nun zur Anfangsfrage: Ist die Sexualerziehung in Deutschland noch zu retten?
Ich behaupte: Nein, sie ist es nicht. Richtlinien, pädagogische Fachbücher und die Ausbildung der Lehrer sind durch und durch von den Ideen der sexuellen Revolution der 1968er-Bewegung und ihrer Nachfolger durchdrungen.
Auf diese Weise erhebt jede neue Generation von Pädagogen und Schulpolitikern den Anspruch, „ihre“ ideologischen Vorstellungen zur menschlichen Sexualität zu implementieren.
Zurzeit ist Gender die neue Mode-Ideologie. Bald dürfte die Behandlung von Transsexualität der neue Hype deutscher Pädagogen werden.
Die Tatsache, dass das Elternrecht auf Erziehung nach wie vor gültig ist und sogar verfassungsrechtlichen Rang hat, schützt nicht vor der Ideologisierung des Schulsexualunterrichts. Selbst die Urteile des Bundesverfassungsgerichtes, die einen Indoktrinationsverbot vorschreiben, scheinen tote Normen zu sein.
Unter diesen Umständen ist die einzige Lösung, dass die Eltern aktiv werden. Sie können sich nicht auf die Parteien verlassen und müssen selber dahinwirken, dass der Sexualkundeunterricht nicht entgleist, wie das leider allzu oft geschieht.
Auf Dauer sollten Strategien entwickelt werden, die Sexualkunde zu einem Wahlpflichtfach machen und Eltern ihre Kinder davon befreien können.