Irreparable Schäden durch zu frühe Kita Betreuung?

Christiane Jurczik

Diese Frage wird schon lange und oft diskutiert. Jetzt hat eine Psychologin neue Kenntnisse zu der Betreuung von Kleinkindern gewonnen. Die Psychologin Stefanie Stahl ist Therapeutin und Autorin. Regelmäßig hält sie Seminare rund um Themen wie Bindungsangst und Selbstwertgefühl. Sie erklärt ausführlich und sachlich in einem Interview mit Focus online die Gründe warum man Kleinkinder vor allem nicht im ersten Lebensjahr in die Kita geben sollte.

Es geht um die Entwicklung des Gehirns von Kleinkindern, das in den ersten Lebensjahren besonders geprägt wird – es ist die Grundlage für Urvertrauen und somit für ein glückliches Leben.

Es geht um das Wichtigste überhaupt im Leben. Dadurch wird bestimmt, wie wir die Welt und andere Menschen wahrnehmen – und das wiederum bewirkt, wie wir fühlen, denken und handeln.

Babys können Stress noch nicht selbst abbauen. Dafür braucht es Mutter und Vater, sie geben ihm Trost, Geborgenheit, Nähe und (Eltern-)Liebe. Dies bewirkt einen Stressabbau durch Ausschüttung beruhigender Hormone. Dieses Urvertrauen sorgt bei dem Kind für Geborgenheit und Sicherheit und bestimmt auch das ganze spätere Leben. Menschen, die diese Sicherheit nicht in jüngster Kindheit bekommen, sind leichter gestresst und glauben weniger daran, dass sie den Menschen in ihrem Umfeld vertrauen können.

Die Frage der Fremdbetreuung stellt sich allen Eltern – irgendwann. Und nun muss man unterscheiden: Machen es die Eltern freiwillig oder aus dem Zwang heraus Geld zu verdienen? So manchen Eltern bleibt nämlich gar keine andere Wahl. Sie müssen aus finanziellen Gründen ihr Kind nach einem Jahr abgeben um die laufenden Kosten zu decken. Läuft hier nicht was schief? Warum erfahren (gerade junge) Eltern, dass sie vom Staat nicht unterstützt werden? Warum werden Kitas als Bildungstempel angepriesen, die für soziale Kontakte bei den Kindern sorgen sollen? Lächerlich! So kleine Kinder brauchen ihre Eltern; ganz besonders ihre Mütter.

Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass Kitas oft zu wenig und wechselndes Personal haben, was die Kinder noch mehr irritiert und verunsichert. Durch mehrere Praktika und durch die Erfahrung mit meiner eigenen Tochter kann ich nur davon abraten ein Kleinkind in die Kita zu geben. Habe unendlich viele Kinder getröstet, die verzweifelt stundenlang am Fenster geweint und auf ihre Mutter gewartet haben. Wenn die Mutter geht oder nicht mehr sichtbar ist, heißt das für das Empfinden des Kindes, seine Mama ist weg – unwiederbringlich und bis in alle Ewigkeit. Die Kinder empfinden das Weg-Sein der Mutter als einen endgültigen, ewigen Fakt. Sie haben Liebeskummer, denn ihre erste große Liebe hat sie verlassen. Sie trauern. Es ist wie ein Warten ohne Hoffnung auf ein Ende. Wenn man die Kleinen etwa beim Spazierengehen in den Krippenwagen sitzen sieht, wirken sie oft erschöpft und an ihrer Umgebung desinteressiert. Strahlende Kindergesichter sucht man vergebens. Auf Zeitungsfotos lächeln nur die Erzieherinnen in die Kamera.

Ich selbst bin mit drei Geschwistern wohlbehütet aufgewachsen. Keiner von uns hat es länger als vier Wochen im Kindergarten ausgehalten (und wir waren schon drei Jahre alt…)!

Ich bin meinen Eltern und besonders meiner Mutter bis heute dankbar, dass sie die Arbeit auf sich genommen hat und uns zuhause betreute. Sie brachte es nicht übers Herz uns so leiden und weinen zu sehen. Bis heute bin ich ein glücklicher Mensch mit einem unzerstörbaren Urvertrauen zu Gott, der Welt, den Menschen und letztendlich zu mir selbst. Das führe ich zum größten Teil auf meine Kindheit zurück.

Pro Kind acht Minuten am Tag

Damit sind weder die Erzieherinnen noch der Platz selbst gemeint. Es sind die Umstände die daraus resultieren. Denn während Experten etwa drei (allerhöchstens fünf) Kinder pro Erzieherin für verantwortbar halten, liegt der bundesweite Durchschnitt wohl beim Drei- bis Vierfachen davon. Der menschlichen Natur entspricht es, nicht mehr als Zwillingskinder zu haben. Und jeder weiß, dass das bereits eine Herausforderung ist. Laut NUBBEK-Studie von 2013 können nur 3 Prozent der Krippen in Deutschland diese Qualität der Betreuung sicherstellen; mehr als die Hälfte muss als unzureichend bezeichnet werden.

Laut einer Studie des britischen Innenministeriums gibt es an einem durchschnittlichen Krippentag nur acht Minuten persönliche Zuwendung pro Kind. Erzieherinnen haben meist nicht nur zu viele Kinder zu betreuen, es sind eben auch nicht ihre eigenen. Sie haben nicht die exklusive innere Kompetenz für das individuelle Kind, die eine Mutter durch ihre Bindung hat bzw. erlangen kann. Auch ist ihr Hormonhaushalt nicht darauf eingestellt. Ihr Verhältnis zu den Kindern ist ein Dienstverhältnis, das nach Feierabend endet. Und den haben sie sich auch redlich verdient. Denn nicht selten fehlt Personal. Der Job ist hart und schlecht bezahlt: Chapeau vor jedem der in einer Kita arbeitet!