<p>Christiane Jurczik</p>
<p>Die Situation ist in vielen Familien
schlimmer als angenommen. Und: Kinder sind ein erheblicher Armutsfaktor. Weiter hat das Deutsche
Kinderhilfswerk errechnet: Kinder in Deutschland sind deutlich häufiger von
Armut bedroht als Erwachsene.</p>
<p>In allen Bundesländern sind Kinder deutlich
häufiger von Armut bedroht als Erwachsene. Das geht aus einer aktuellen
Auswertung des Deutschen Kinderhilfswerks hervor, die auf Daten des
Statistischen Bundesamts und eigenen Berechnungen beruht.</p>
<p>Regional offenbaren sich deutliche Unterschiede
bei den Armutsgefährdungsquoten von Kindern und Erwachsenen: In Bayern lag die
Armutsgefährdungsquote von Kindern mit 12,9 Prozent um 1,5 Prozentpunkte über
der von Erwachsenen mit 11,4 Prozent. In Bremen - am anderen Ende des
Ländervergleichs - fiel die Differenz mit 15,6 Prozentpunkten dagegen deutlich
höher aus. In der Hälfte der Länder stieg die Kinderarmut in den vergangenen
zehn Jahren stärker als die der Erwachsenen, in der anderen Hälfte war die
Entwicklung genau andersherum.</p>
<p>Zur Erläuterung: Die OECD berechnet die
finanziellen Bedürfnisse für Kinder unter 14 Jahren pauschal mit dem Faktor 0,3
im Vergleich zu Erwachsenen, für Kinder über 14 Jahren mit dem Faktor 0,5.
Solche starren Skalen seien laut den Autoren jedoch nicht angemessen. Die
Bochumer Wissenschaftler arbeiteten daher mit Skalen, die zusätzlich das
Einkommen der Familien berücksichtigen. Denn: Je geringer das Einkommen, desto
schwerer falle die Belastung durch jedes weitere Haushaltsmitglied ins Gewicht.</p>
<p>Anders formuliert bedeutet das: In bisherigen
Studien wurden ärmere Familien reicher gerechnet, als sie sind. Nach der neuen
Berechnungsmethode unterliegen vor allem Familien mit vielen Kindern und
Alleinerziehende einem erhöhten Armutsrisiko. </p>
<p>Demnach seien 13 Prozent der Paare mit
einem Kind, 16 Prozent jener mit zwei Kindern und 18 Prozent solcher mit drei
Kindern armutsgefährdet. Bei Alleinerziehenden sind es auf Basis der neuen
Berechnungsmethode gar 68 Prozent.</p>
<p>„Natürlich ist Kinderarmut eng mit der Armut
der Eltern verknüpft, aber die unterschiedliche Entwicklung der Armutsquoten
von Kindern und Erwachsenen zeigt, dass das Problem einer eigenständigen Lösung
bedarf“, erklärte der Präsident des Deutschen Kinderhilfswerks, Thomas Krüger.
Als Beispiel nannte er eine eigene Kindergrundsicherung.</p>
<p>Weitere wichtige Schritte zur Bekämpfung der
Kinderarmut in Deutschland, denen nun möglichst zügig eine
Kindergrundsicherung, die ihren Namen verdient folgen müsse, erklärte Krüger
weiter. Die Förderung armer Kinder und ihrer Familien sowie unbürokratische
Zugänge zu armutsvermeidenden Leistungen gehören auf der Prioritätenliste ganz
nach oben. Krüger rief die Bundesregierung auf, den Vorschlag der
Familienministerkonferenz zur Einrichtung von Familienservicezentren
aufzugreifen, in denen Familien qualifiziert beraten werden und möglichst auch
Leistungen beantragen können.</p>
<p>In armen Familien wird Kindergeld in Zigaretten
und Alkohol für die Eltern umgesetzt, weswegen sie lieber Sachleistungen
bekommen sollten - so lautet ein gängiges Vorurteil.</p>
<p>Der Staat fördert
Familien über das Kindergeld und Landeserziehungsgeld mit direkten finanziellen
Zuschüssen. ZEW-Forscher finden in einer Studie der Bertelsmann Stiftung heraus:
Die Leistungen wirken genauso, wie sie sollen.</p>
<p>Zu dieser Aussage kommt ein Forscherteam des
Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) nach Analyse der beiden
staatlichen Leistungen für den Zeitraum von 1984 bis 2016. So konnten sie
direkte Wirkungszusammenhänge zwischen gezahlter Leistung und Verwendung
nachweisen.</p>