Im Vorfeld der Reise von Papst Benedikt XVI. nach Deutschland
Die Morallehre der Kirche ist ein „Stein des Anstoßes“ geworden
Mathias von Gersdorff
Wenige Monate vor seinem dritten Besuch in Deutschland, hat ein Netzwerk von Organisationen eine Resolution verfaßt, die Papst Benedikt XVI. als den „Hauptverantwortlichen für die Unterdrückung von Lesben, Schwulen und Transgender auf der Welt“ tituliert und ihm vorwirft, daß er „auf internationaler Ebene Seite an Seite mit brutalen Diktaturen gegen die Menschenrechte von Lesben, Schwulen und Transgender kämpft“. Deshalb hat das „Bündnis gegen die menschenfeindliche Geschlechter- und Sexualpolitik des Papstes“ unter dem Motto „Der Papst kommt“ Proteste während seines Besuches in Berlin im September 2011 angekündigt und eine Protestresolution verfaßt. Das Bündnis besteht aus über 30 Gruppierungen, vor allem aus Organisationen Homosexueller und Feministinnen. Manche von ihnen sind immerhin Unterorganisationen der SPD, der Grünen oder der Gewerkschaft Verdi.
Diese Protestvorbereitungen sind das neueste Kapitel einer Entwicklung, die Anfang 2009 mit der Aufhebung der Exkommunikation der Bischöfe der Priesterbruderschaft St. Pius X. seinen Anfang nahm und seinen vorläufigen Höhepunkt während der allgemeinen Hetze auf die Katholische Kirche im Jahr 2010 erreichte, als diverse Mißbrauchsfälle in der Öffentlichkeit bekannt wurden. Antikirchliche Kräfte haben versucht, die Papstreise zum Vereinigten Königreich im Spätsommer 2010 in eine antikirchliche Party zu verwandeln, was ihnen allerdings mißglückt ist. Nun wollen sie es im atheistischen Berlin versuchen, einer Stadt, in der die Homo-Kultur kaum noch als Subkultur bezeichnet werden kann, dermaßen präsent ist sie in der Öffentlichkeit.
Am Anfang seines Pontifikats hätte man diese Entwicklung kaum voraussehen können. Und dabei waren damals die Reden des Papstes nicht freundlicher der Welt gegenüber als später, als die Attacken gegen ihn begannen. Schon im ersten Jahr seines Pontifikats sagte er auf dem Weltjugendtag in Köln: „Das Absolutsetzen dessen, was nicht absolut, sondern relativ ist, heißt Totalitarismus“ (Vigil mit den Jugendlichen auf dem Marienfeld. Ansprache von Benedikt XVI., Köln, Marienfeld Samstag, 20. August 2005) Oder: „Die stärksten Hindernisse für die Verbreitung des Reiches Christi erfährt man heute höchst dramatisch in der Kluft zwischen Evangelium und Kultur und in dem Ausschluß Gottes aus dem öffentlichen Leben.“ (Ad-Limina Besuch der Bischöfe aus Ontario, 8. September 2006)
Damals geißelte er dieselben Mißstände wie später, als die Angriffe auf ihn, die Katholische Kirche und das Lehramt virulent wurden: Die totale Abkehr von der christlichen Moral und Lehre und die Errichtung einer ungerechten und grausamen Welt.
Sicher, es gab am Anfang seines Pontifikats auch kritische Stimmen, die sich aber auf den „linken Rand“ beschränkten. Selbst die Medien waren in ihrer Mehrheit voll des Lobes für den neuen Papst. Dieselben, die einige Jahre später mit einer Hetzkampagne gegen ihn loszogen, zeigten sich außer Rand und Band vor Freude. War da alles geheuchelt? Was haben sie eigentlich vom neuen Papst erwartet? Was hat er denn so schlimmes gesagt oder getan, um so eine Mißgunst zu ernten?
Die Resolution des „Bündnisses gegen die menschenfeindliche Geschlechter- und Sexualpolitik des Papstes“ hat gut die Punkte zusammengefaßt, die den Papst zum Feindbild für viele in der heutigen Welt machen. Es sind in erster Linie seine Verkündigung der katholischen Sexualmoral und die Lehre der Kirche über die Familie. Daher auch seine uneingeschränkte Ablehnung von Abtreibung und der Euthanasie und seine Ablehnung eheähnlicher Privilegien für Homosexuelle und sonstige rechtliche Institutionen, die den Stellenwert der Ehe schwächen.
Diese Punkte sind heute die wichtigsten Punkte des Kampfes zwischen dem Christentum und einer laizistischen Welt, die sich nicht an absoluten, ewigen Werten orientieren will, sondern sich in Beliebigkeit und Nihilismus verliert. Papst Benedikt XVI. hat diese Mentalität mit dem Begriff „Kultur des Relativismus“ beschrieben. Das Ergebnis ist die „Kultur des Todes“, Begriff, den Papst Johannes Paul II. geprägt hat. Diese Kultur des Todes bedeutet Millionen abgetriebener Menschen, Euthanasie, Stammzellenforschung und sonstige Angriffe auf das menschliche Leben.
Deshalb muß dieser Relativismus bekämpft werden. Benedikt XVI.: „Es ist daher klar, daß wir nicht nur versuchen müssen, den Relativismus in unserer Bildungsarbeit zu überwinden, sondern auch aufgerufen sind, seiner zerstörerischen Vorherrschaft in Gesellschaft und Kultur entgegenzutreten.“ (Schreiben von Benedikt XVI. bei der Eröffnung der Pastoraltagung der Diözese Rom zum Thema Familie Lateranbasilika Montag, 6. Juni 2005)
Das „Bündnis gegen die menschenfeindliche Geschlechter- und Sexualpolitik des Papstes“ wirft Papst Benedikt XVI. vor, mit dem Begriff „Kultur des Relativismus“ die freiheitliche Gesellschaft abschaffen zu wollen. Der Papst entgegnet „Die Gerechtigkeit ist der Prüfstand für eine echte Demokratie. Unter diesen Voraussetzungen darf man nicht vergessen, daß die Suche nach der Wahrheit gleichzeitig die Bedingung ist, unter der eine echte Demokratie entstehen kann, die keine Scheindemokratie ist: "Eine Demokratie ohne Werte verwandelt sich, wie die Geschichte beweist, leicht in einen offenen oder hinterhältigen Totalitarismus" (Papst Johannes Paul II., Enz. Centesimus annus, 46).“(Ansprache von Benedikt XVI. an die Mitglieder der italienischen christlichen Arbeiterverbände, Clementina-Saal Freitag, 27. Januar 2006)
Papst Benedikt XVI. lehrt die Lehre der Kirche über Ehe und Moral, die dem Naturrecht entspricht. Seine Gegner wollen genau das Entgegengesetzte: Abtreibung, Auflösung der Familie und Einführung von homosexuellen Partnerschaften – durch ihren Haß geben sie Zeugnis, daß er „Stein des Anstoßes“ ist.
„Wer euch hört, der hört mich, und wer euch ablehnt, der lehnt mich ab; wer aber mich ablehnt, der lehnt den ab, der mich gesandt hat.“ (Lukas 10, 16). Der Heilige Vater ist nicht allein, denn unzählige auf der Welt folgen ihn und hören sein Wort. Oft ist ihre Stimme leise und kann nicht mit der Macht moderner Kommunikationsmittel in der Öffentlichkeit auftreten. Doch sie besitzen die Macht der Gnade, des Gebetes, der Wahrheit: „Jede Hoffnung auf eine Erneuerung der Gesellschaft, die nicht an Gottes Plan für Ehe und Familie festhält, ist zum Scheitern verurteilt, denn dies ist der Ort, wo die gottgegebene Würde jedes Menschen ihre erste Verwirklichung findet und wo das Selbstvertrauen, das notwendig ist, um im Erwachsenenalter reife Beziehungen aufbauen zu können, zuerst erfahren und genährt wird. (Ansprache von Benedikt XVI. an den neuen Botschafter von Saint Lucia beim Hl. Stuhl, Herrn Gilbert Ramez Chagoury, Donnerstag, 1. Dezember 2005). Papst Benedikt XVI. lehrt da nicht nur eine Wahrheit, sondern gibt ein Programm vor und legt eine Strategie für die Erneuerung der Gesellschaft im christlichen Geiste fest. Und er tut das wohlwissend, daß die Familie die am meisten angegriffene Institution in unseren Tagen ist. Aber er geht noch weiter: „Die Kirche hat das Recht und die Pflicht, auf die Gefahren hinzuweisen, die sich ergeben, wenn die göttliche Herkunft und Bestimmung des Menschen ignoriert oder geleugnet wird. Die nunmehr tausendjährige christliche Glaubenstradition Ihres Landes hat es zu dem gemacht, was es heute ist. Die Grundsätze, die die westliche Zivilisation geprägt haben, entspringen der ihr zugrundeliegenden Weltanschauung, die der christliche Glauben verkündet. Wir dürfen nicht vergessen, daß ihre Verbindlichkeit nicht auf bloßem Konsens gründet, sondern auf göttlicher Offenbarung. (Ansprache von Benedikt XVI. an den neuen Botschafter des Königreichs Dänemark beim Hl. Stuhl, Sten Erik Malmborg Lilholt Donnerstag, 1. Dezember 2005).
Das „Bündnis gegen die menschenfeindliche Geschlechter- und Sexualpolitik des Papstes“ wirft – ähnlich den Zeiten des Kulturkampfes - Papst Benedikt XVI. vor, er mische sich in interne Angelegenheiten der Nationen ein. Sie schreiben in deren Anti-Papst-Resolution: „Den Bestrebungen des Papstes, die eigenen Dogmen zur staatlichen Norm anderer Länder zu erheben, setzen wir unseren Widerstand entgegen. Die menschenfeindliche Geschlechter- und Sexualpolitik von Papst Benedikt XVI. darf nicht unwidersprochen bleiben.“
Damit wird klar, daß das Klima für die Christen immer rauher wird, der Kampf für das Christentum und seine Werte, für die christliche Familie und das Leben, wird immer größere Opfer von den Menschen guten Willens verlangen. In dieser Auseinandersetzung geht uns der Papst in unseren Weg voran: „Denkt an das Wort, das ich euch gesagt habe: Der Sklave ist nicht größer als sein Herr. Wenn sie mich verfolgt haben, werden sie auch euch verfolgen; wenn sie an meinem Wort festgehalten haben, werden sie auch an eurem Wort festhalten. Das alles werden sie euch um meines Namens willen antun; denn sie kennen den nicht, der mich gesandt hat. Wenn ich nicht gekommen wäre und nicht zu ihnen gesprochen hätte, wären sie ohne Sünde; jetzt aber haben sie keine Entschuldigung für ihre Sünde. (Johannes 15, 20-22)“ So wie der Papst ein Stein des Anstoßes ist, müssen wir es auch sein. So wie er von der Welt gehaßt wird, werden wir es auch sein. So wie es viele gibt, die nicht auf sein Wort hören, wird man auch uns nicht hören. Doch wir brauchen uns nicht zu fürchten, denn Christus hat die Welt besiegt.