Gewalt an Schulen: Ursachen, Missverständnisse und Lösungsansätze
Die Gewalt an Schulen ist ein hochaktuelles Thema, das Eltern, Lehrkräfte und die Gesellschaft gleichermaßen beschäftigt. Jüngste Kriminalstatistiken aus Sachsen-Anhalt, Thüringen und Sachsen zeigen eine Zunahme an Vorfällen wie Körperverletzungen, Bedrohungen, Nötigungen und Sexualstraftaten. Doch hinter den Zahlen steckt ein komplexes Geflecht aus Ursachen, Fehlwahrnehmungen und Handlungsbedarf.
Die Fakten: Gewalt nimmt zu, aber nicht nur unter Schülern
Die Zahlen des Landeskriminalamts Sachsen-Anhalt sprechen eine deutliche Sprache: Über 1.200 registrierte Gewaltdelikte an Schulen im letzten Jahr – ein Anstieg um etwa ein Drittel im Vergleich zu 2019. Auch andere Bundesländer melden ähnliche Entwicklungen. Neben physischen Angriffen nehmen psychische Gewalt und Mobbing zu, die oft gar nicht in Statistiken erfasst werden.
Doch eine genaue Betrachtung zeigt: Gewalt an Schulen geht nicht ausschließlich von Schülern aus. In zwölf Prozent der Fälle waren Erwachsene die Tatverdächtigen. Dies verdeutlicht, dass das Problem nicht isoliert betrachtet werden kann, sondern ein gesellschaftliches Phänomen darstellt, das sich in der Schule als Mikrokosmos widerspiegelt.
Wurzeln der Gewalt: Pandemie, Krisen und soziale Herausforderungen
Verschiedene Experten, darunter Carola Wilhayn vom Landesschulamt Sachsen-Anhalt, machen die Pandemie als einen Hauptauslöser für den Anstieg der Gewalt verantwortlich. Die Schulschließungen während der Pandemie führten dazu, dass Kinder wichtige soziale Kompetenzen nicht ausreichend entwickeln konnten. Konflikte, die früher gewaltfrei gelöst wurden, eskalieren heute schneller.
Zusätzlich verstärken gesellschaftliche Krisen wie die Klimadebatte und geopolitische Konflikte Ängste und Unsicherheiten bei jungen Menschen. Der Personalmangel an Schulen verschärft die Lage weiter: Lehrkräfte, Schulpsychologen und Schulsozialarbeiter sind oft überlastet und können präventiv nicht ausreichend tätig werden.
Ein heikles Thema: Der Anteil ausländischer Tatverdächtiger
Die Statistiken zeigen, dass Schüler ohne deutschen Pass überproportional häufig an Gewaltvorfällen beteiligt sind. Dieser Befund darf jedoch nicht isoliert betrachtet werden. Er erklärt sich durch mehrere Faktoren: Jungen und junge Männer – unabhängig von ihrer Herkunft – sind generell häufiger in Gewaltvorfälle verwickelt. Darüber hinaus stammen viele betroffene Schüler aus sozioökonomisch benachteiligten Familien oder haben traumatische Erfahrungen gemacht. Sprachbarrieren spielen ebenfalls eine Rolle, da Konflikte nicht verbal gelöst werden können.
Diese Erkenntnisse sind wichtig, um Vorurteile und Diskriminierung zu vermeiden und gleichzeitig gezielte Unterstützung anzubieten.
Fehlwahrnehmungen und mediale Zuspitzungen
Die Aussage "Die Jugend rastet aus" ist laut Nico Noltemeyer vom Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung schlicht falsch. Vielmehr spiegelt die Zunahme von Gewalt an Schulen die allgemeinen gesellschaftlichen Probleme wider, darunter die gestiegene häusliche Gewalt während der Pandemie. Häufig wird übersehen, dass ein Großteil der Gewalt von einem kleinen Prozentsatz der Schüler ausgeht, während die Mehrheit friedlich bleibt.
Handlungsbedarf: Prävention statt Eskalation
Um die Gewalt an Schulen langfristig einzudämmen, sind ganzheitliche Ansätze notwendig. Präventionsmaßnahmen wie Streitschlichtung, Anti-Mobbing-Programme und klare Handlungsleitfäden für Lehrkräfte und Eltern müssen gestärkt werden. Die Forderung nach mehr Schulpsychologen ist ebenso berechtigt: In Sachsen-Anhalt ist eine psychologische Fachkraft für fast 10.000 Schüler zuständig – eine Belastung, die die Wirksamkeit dieser wichtigen Unterstützung stark einschränkt.
Projekte wie das in Landsberg, das Schüler durch gemeinsames Singen soziale Kompetenzen stärkt, zeigen, dass kreative Ansätze helfen können. Gleichzeitig ist es entscheidend, dass Täter Verantwortung übernehmen und durch Maßnahmen wie Entschuldigungen vor der Klasse lernen, Konflikte gewaltfrei zu lösen.
Ein Blick nach vorne
Die steigenden Zahlen zu Gewalt an Schulen dürfen nicht als alleinige Alarmglocke gesehen werden, sondern als Anstoß für differenzierte Diskussionen und effektive Lösungen. Schule bleibt ein wichtiger Schutzraum, den es zu bewahren gilt – durch ein enges Zusammenspiel von Lehrkräften, Eltern, Psychologen und politischen Akteuren.
Die Herausforderung besteht darin, ein Klima zu schaffen, in dem Schüler nicht nur fachlich, sondern auch sozial und emotional wachsen können – ohne Angst, sondern mit Zuversicht.