Gender-Lehrplan Hessen: CDU verschickt Beruhigungspillen – und macht alles schlimmer
Auch in seinem zweiten Brief bestätigt Manfred Pentz die Befürchtungen und Sorgen der Kritiker des Sexualerziehungs-Lehplans für Hessens Schulen. Foto: Pressefoto CDU-Hessen |
Manfred Pentz, Generalsekretär der CDU Hessens, wandte sich in einem Brief an die Kritiker des neuen „Lehrplans zur Sexualerziehung“. Schon am 30. September (LINK) antwortete er Mitgliedern seiner Partei, um den Lehrplan zu verteidigen und die Gemüter zu besänftigen. Doch sein Plädoyer enthielt schwerwiegende Widersprüche.
Auch der zweite Brief, der unten vollständig dokumentiert wird, zeigt die Hilflosigkeit des Generalsekretärs beim Versuch, den neuen Lehrplan vor Kritik zu verteidigen.
Hier sollen einige Passagen des Briefes kommentiert werden, um anschaulich zu machen, in welche Lage sich die CDU mit diesem unsäglichen Gender-Lehrplan hineinmanövriert hat.
Manfred Pentz schreibt:
1. „Die Bezeichnung ,Gender-Lehrplan' ist in diesem Zusammenhang absolut unzutreffend und irreführend. Die sogenannte ,Gender-Ideologie' findet sich in diesem Lehrplan in keiner Weise.“
Es ist bemerkenswert, dass Generalsekretär Pentz sich vor dem Wort „Gender“ fürchtet wie der Teufel vor dem Weihwasser. Dies ist als Erfolg zu werten - und eine Folge der Proteste gegen den Lehrplan, die sich insbesondere auf diesen Umstand bezogen.
Zwar ist das Wort „Gender“ tatsächlich im neuen Lehrplan nicht enthalten, aber sehr wohl das Menschenbild, das der Gender-Ideologie innewohnt. Die Kernthese von Gender ist, dass die Geschlechter Mann und Frau nicht von Natur aus determiniert, sondern willkürliche Konstruktionen sind, die kulturellen und gesellschaftlichen Vorgaben der bürgerlichen Gesellschaft folgen. Genderisten sprechen von einer willkürlichen und erschaffenen heterosexuellen Norm. Diese fassen sie als eine strukturelle Gewalt auf (heteronormative Gewalt). Schließlich müsse die „heteronormative Matrix“ zerbrochen werden.
Der Lehrplan folgt genau diesem Programm, indem er die Behandlung und die Akzeptanz von „unterschiedlichen sexuellen Orientierungen und geschlechtlichen Identitäten“ für die Schüler von 10 bis 19 Jahren anstrebt.
Die Begriffe „sexuelle Vielfalt“ bzw. „sexuelle Identität“ und „sexuelle Orientierung“ gehen von der Vorstellung aus, es gebe nicht nur Männer und Frauen, sondern eine Vielzahl von Geschlechtern. In Facebook kann man aus einer Liste von 70 wählen, doch für manche gibt es eine noch größere Zahl. Für die radikalsten Vertreter der Gender-Ideologie befindet sich der Mensch hinsichtlich seiner sexuellen Orientierung in einem Fluidum, das heißt, seine sexuelle Identität ist immer in Bewegung.
Der Lehrplan besagt nicht, es gäbe Männer und Frauen, sondern spricht systematisch von der „Vielfalt sexueller Orientierungen und Geschlechtsidentitäten“. Unter diesen Umständen wie Manfred Pentz zu behaupten, dass „in keiner Weise die Gender-Ideologie“ im Lehrplan enthalten sei, ist absurd.
Ansonsten hätte man sich ganz anders ausgedrückt, auch dann, wenn Homo-, Bi-, und Transsexualität Bestandteil des neuen Lehrplans sein sollten.
Wenn man einmal annimmt, dass Generalsekretär Pentz ehrlich ist, so folgt daraus, dass der Lehrplan missverstanden werden kann. Allein schon aus diesem Grund sollte er zurückgezogen werden.
2. "Weiterhin ist die Vermittlung der Bedeutung von Ehe und Familie im Lehrplan verankert."
Das klingt gut, doch Manfred Pentz erläutert nicht, dass es laut neuem Lehrplan sehr viele Formen von Ehe und Familie gibt, was schon den Schülern ab SECHS Jahren gelehrt werden soll: „unterschiedliche Familiensituationen (z.B. Patchworkfamilien, Alleinerziehende, Pflegefamilien, gleichgeschlechtliche Partnerschaften)“.
Mit anderen Worten: Ehe als eine Verbindung von einem Mann und einer Frau wird begrifflich aufgelöst. Ehe wird so umgedeutet, dass es alles und nichts bedeuten kann.
Dabei ist zu beachten, dass dies im Rahmen der Sexualerziehung geschehen soll und nicht etwa in einem Soziologiekurs. Es ist also vorgesehen, die Geschlechtlichkeit in all ihren Beziehungsformen, etwa homosexuelle Partnerschaften, als Lehrinhalt zu vermitteln. Und dies bei Kindern ab sechs Jahren!
3. „Homosexualität ist eine ganz persönliche Sache und es soll den Schülerinnen und Schülern wertfrei vermittelt werden, dass es so etwas gibt und dass man es auch akzeptieren sollte – unabhängig davon, ob man es persönlich gut findet oder nicht.“
Hier widerspricht sich Manfred Pentz selbst. In dem schon erwähnten Brief vom 30. September 2016 schreibt er nämlich: „Und daher ist es von Bedeutung, dass die Vielfalt eben nicht nur ,erduldet' oder ,ertragen' wird, wie es der Begriff ,Toleranz' meint, sondern dass Vielfalt ,akzeptiert' wird in dem Sinne ,Du bist okay, so wie du bist!'"
Der Satz „Du bist okay, so wie du bist!" beinhalten eine zustimmende Wertung. Und dies vermittelt auch die Verwendung des Wortes „Akzeptanz“ in der Formulierung der Zielsetzung des Lehrplans.
Man kann schon erwarten, dass Personen, die die Richtlinien für den Unterricht festlegen, in der Lage sind, sich klar und deutlich auszudrücken. Vor allem in einem hoch sensiblen Gebiet, wie es die Sexualität ist.
Zudem war gerade die Forderung nach „Akzeptanz“ vielfältiger sexueller Identitäten und Orientierungen Gegenstand von deutlicher Kritik seitens des Landeselternbeirates und der katholischen Kirche. Diese Befragten äußerten unmissverständlich, dies ginge zu weit. „Toleranz“ sei das maximale, was man von den Schülern erwarten könne.
Das Kommissariat der katholischen Bischöfe hat in seiner Stellungnahme ausführlich diese Problematik behandelt und auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hingewiesen.
Das Kultusministerium hat sich über diese Bedenken schlichtweg hinweggesetzt.
Der Brief von Manfred Pentz hinterlässt den Eindruck einer CDU-Führung, die langsam merkt, dass man mit der Forderung nach „Akzeptanz sexueller Vielfalt“ zu weit gegangen ist. Im Nachhinein versucht man mit einem Brief, den neuen Lehrplan im Sinne der Bedenken des Landeselternbeirates und des katholischen Kommissariats zu deuten.
Das Mindeste, wie solch ein Ansinnen zu beurteilen ist, wäre noch zu sagen: Es ist unseriös.
4. "Die Erziehungsberechtigten müssen rechtzeitig und ausführlich auf Elternabenden über die Ziele, Inhalte und die im Unterricht einzusetzenden Lehr- und Hilfsmittel informiert werden."
Ja, dies steht tatsächlich im Lehrplan. Doch jeder, der die schulische Praxis kennt, weiß, dass Eltern meist kaum was ausrichten können.
De jure erteilt man den Eltern so etwas wie ein Veto- oder Einspruchsrecht. Dann können sie gegen bestimmte Inhalte oder Methode Einspruch einlegen. Dafür müssen sie sich in kurzer Zeit informieren, Argumente vorbereiten, sich untereinander aussprechen etc. Die Eltern, die den Vorschlägen der Schule widersprechen möchten, befinden sich zunächst in einer unvorteilhaften Situation.
Abgesehen davon ist folgendes zu bedenken: Der Lehrplan schreibt die neuen Inhalte verbindlich und fächerübergreifend vor. Das bedeutet, dass die Eltern laut Gesetz sowieso keine Totalopposition leisten können. Sie können maximal eine Mäßigung erreichen.
Außerdem sollen diese verbindlichen Inhalte fächerübergreifend (!) an die Schüler vermittelt werden. Wie viele Elternabende werden dann nötig sein, um sich mit den Eltern abzusprechen? Die Praktikabilität dieses Prozederes darf angezweifelt werden.
Fazit: Der zweite Brief von CDU-Generalsekretär Manfred Pentz versucht zwar verbissen, den neuen Lehrplan zu verteidigen, doch in Wahrheit bestätigt er die schlimmsten Befürchtungen.
Das einzig Sinnvolle unter diesen Umständen wäre, dass die Landesregierung diesen Lehrplan wieder zurückzieht.
* * *
Dokumentation: Zweiter Brief von CDU-Generalsekretär Manfred Pentz an Kritiker des neuen "Lehrplans zur Sexualerziehung" für Hessens Schulen:
Es handelt sich bei dem neuen Lehrplan Sexualerziehung um eine Neufassung, die der aktuellen Rechtsprechung, aber auch der Realität unserer Gesellschaft Rechnung trägt. Die Bezeichnung „Gender-Lehrplan“ ist in diesem Zusammenhang absolut unzutreffend und irreführend. Die sogenannte „Gender-Ideologie“ findet sich in diesem Lehrplan in keiner Weise.
Gerne möchte ich noch einmal einige Punkte verdeutlichen:
- Weiterhin ist die Vermittlung der Bedeutung von Ehe und Familie im Lehrplan verankert.
- Das „C“ in unserem Parteinamen sollte uns nicht daran hindern, die Lebensweise anderer Menschen zu akzeptieren. Akzeptanz als antichristlich zu bezeichnen ist für mich als Christ ein Widerspruch. Homosexualität ist eine ganz persönliche Sache und es soll den Schülerinnen und Schülern wertfrei vermittelt werden, dass es so etwas gibt und dass man es auch akzeptieren sollte – unabhängig davon, ob man es persönlich gut findet oder nicht. Papst Franziskus hat bereits im Jahr 2013 gesagt: „Wenn eine homosexuelle Person guten Willen hat und Gott such, dann bin keiner, der sie verurteilt […]. Das sollten auch wir nicht tun.
- Der Landeselternbeirat hat den Lehrplan intensiv und kontrovers diskutiert. Letztendlich konnte sich das Gremium nicht mehrheitlich auf eine Zustimmung einigen, da einige den Begriff „Toleranz“ dem Begriff „Akzeptanz“ der Vielfalt partnerschaftlicher Beziehungen bevorzugt hatten.
- Die Erziehungsberechtigten müssen rechtzeitig und ausführlich auf Elternabenden über die Ziele, Inhalte und die im Unterricht einzusetzenden Lehr- und Hilfsmittel informiert werden.
Ich hoffe, dass ich Ihnen mit diesen Informationen weiter helfen konnte.