„Frühkindliche Bindungserfahrung unersetzlich“/Fachtagung Bindung – Bildung - Gewaltprävention
Experten kamen von Allgemeinwohl und Familie (IDAF), der Hanns-Seidel-Stiftung und dem Institut für Demographie zusammen, um die Bedeutsamkeit und die Zusammenhänge von fehlender Bildung und psychischer Entwicklung zu definieren.
Auch verbale Gewalt ist grausam und demütigend, zumal die Hemmschwelle hier weitaus niedriger sei: Immer mehr Menschen sind heute Cybermobbing ausgesetzt, erleiden Beleidigungen, Verleumdungen und üble Nachrede im Internet. Die Täter handelten oftmals anonym, jedoch nicht spurlos. Wenn junge Menschen bei Prügeleien oder Vandalismus aufgegriffen würden, stelle sich oft auch die Frage nach der Präsenz der Eltern.
Die Philosophin Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz, Professorin an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Benedikt XVI. in Heiligenkreuz bei Wien, definierte Scham als „schmerzliches Bewusstsein der eigenen unaufhebbaren Unvollkommenheit“. Beschämung habe zwei Bedeutungen: „Sie ist entweder die aktive Absicht, einen anderen diese Unvollkommenheit spüren zu lassen, oder das passive Empfinden der Demütigung und Schwäche“, sagte die Philosophin. Reaktion auf dieses Empfinden sei oftmals Gewalttätigkeit als Kompensation des Unwertgefühls. Maßvolle Schamaffekte hingegen unterstützten die persönliche Entwicklung. An Schulen müssten Demütigungen vorgebracht und Wiedergutmachung ermöglicht werden. Die Gefahr, verletzt zu werden, sei erhöht durch die Ausrichtung des Menschen auf ein „Du“ hin. Die Verdinglichung eines Menschen hingegen, „die Behandlung des Menschen als käufliche, auszubeutende, einseitig zu besitzende Ware“, verletze. „Die Person ist Selbstzweck“, mahnte die Philosophin. „Das Erleben des Geliebt seins ist die Quelle für die Selbstachtung.“
Auf der Grundlage der neuesten Erkenntnisse der Hirnforschung schilderte der Bremer Professor Gerhard Roth, wie eine tröstliche Bindung in der Kindheit genetische Faktoren mildern könnte, die schnell Stress aufkommen lassen und die Selbstberuhigung hemmen könnten. Der bekannte Neurobiologe erklärte, dass psychische Funktionen eng mit Hirnfunktionen verbunden seien. Gene, Umwelteinflüsse und Entwicklung spielten dabei eine Rolle. Die Verarbeitung von Stress, an dem der Botenstoff Cortisol mitwirkt, werde vor sowie kurz nach der Geburt ausgeprägt. Auch das innere Beruhigungssystem, bei dem wiederum der Neurotransmitter Serotonin mitwirke, bilde sich bereits in der ersten Zeit nach der Geburt. Dieser Botenstoff wirke entscheidend bei der Kontrolle von Impulsen. Angst und Paranoia trügen dazu bei, Gewalt als Ausweg aus Situationen zu suchen, die subjektiv als bedrohlich empfunden werden. Besonders wichtig sei daher die frühkindliche Bindungserfahrung: Dabei wird die Oxytocinachse beeinflusst, eine weitere zentrale Stellschraube im Beruhigungssystem des Menschen. Populärwissenschaftlich werde der Botenstoff auch als Kuschelhormon bezeichnet. „Fällt diese positive Erfahrung aus, ist dies der Gau in der psychischen Entwicklung.“ Bei der Untersuchung von Gewalttätern zeige sich, dass das Stress- und Selbstberuhigungssystem geschädigt seien.
Forschungen aus dem Bereich der psychosomatischen Medizin präsentierte der international bekannte Bindungsforscher Karl Heinz Brisch. In der Tradition des britischen Psychoanalytikers und Begründers der Bindungsforschung John Bowlby (1907–1990), der in diesem Punkt Sigmund Freud widersprach, schilderte Brisch die frühkindliche Bindung als Grundbedürfnis. „Bindung ist so grundlegend wie die Luft zum Atmen“, betonte er. Für ein Baby sei es wichtig, besonders im ersten halben Lebensjahr eine feste Hauptbindungsperson vorzufinden, die sich in es einfühle. Feinfühligkeit fördere eine sichere Bindungsentwicklung. Auch gebe es eine unmittelbare Beziehung zwischen der geistigen Entfaltung des Kindes, also seines Lernens durch Erkundung sowie seinem Beziehungssystem. Ist die Bindung beruhigt, sei die Erkundung aktiviert, ist sie es nicht, werde die Erkundung unterbrochen. Bindung beeinflusse die geistige Entwicklung, fördere die Gedächtnisleistung ebenso wie die Kreativität.
Auch verbale Gewalt ist grausam und demütigend, zumal die Hemmschwelle hier weitaus niedriger sei: Immer mehr Menschen sind heute Cybermobbing ausgesetzt, erleiden Beleidigungen, Verleumdungen und üble Nachrede im Internet. Die Täter handelten oftmals anonym, jedoch nicht spurlos. Wenn junge Menschen bei Prügeleien oder Vandalismus aufgegriffen würden, stelle sich oft auch die Frage nach der Präsenz der Eltern.
Die Philosophin Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz, Professorin an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Benedikt XVI. in Heiligenkreuz bei Wien, definierte Scham als „schmerzliches Bewusstsein der eigenen unaufhebbaren Unvollkommenheit“. Beschämung habe zwei Bedeutungen: „Sie ist entweder die aktive Absicht, einen anderen diese Unvollkommenheit spüren zu lassen, oder das passive Empfinden der Demütigung und Schwäche“, sagte die Philosophin. Reaktion auf dieses Empfinden sei oftmals Gewalttätigkeit als Kompensation des Unwertgefühls. Maßvolle Schamaffekte hingegen unterstützten die persönliche Entwicklung. An Schulen müssten Demütigungen vorgebracht und Wiedergutmachung ermöglicht werden. Die Gefahr, verletzt zu werden, sei erhöht durch die Ausrichtung des Menschen auf ein „Du“ hin. Die Verdinglichung eines Menschen hingegen, „die Behandlung des Menschen als käufliche, auszubeutende, einseitig zu besitzende Ware“, verletze. „Die Person ist Selbstzweck“, mahnte die Philosophin. „Das Erleben des Geliebt seins ist die Quelle für die Selbstachtung.“
Auf der Grundlage der neuesten Erkenntnisse der Hirnforschung schilderte der Bremer Professor Gerhard Roth, wie eine tröstliche Bindung in der Kindheit genetische Faktoren mildern könnte, die schnell Stress aufkommen lassen und die Selbstberuhigung hemmen könnten. Der bekannte Neurobiologe erklärte, dass psychische Funktionen eng mit Hirnfunktionen verbunden seien. Gene, Umwelteinflüsse und Entwicklung spielten dabei eine Rolle. Die Verarbeitung von Stress, an dem der Botenstoff Cortisol mitwirkt, werde vor sowie kurz nach der Geburt ausgeprägt. Auch das innere Beruhigungssystem, bei dem wiederum der Neurotransmitter Serotonin mitwirke, bilde sich bereits in der ersten Zeit nach der Geburt. Dieser Botenstoff wirke entscheidend bei der Kontrolle von Impulsen. Angst und Paranoia trügen dazu bei, Gewalt als Ausweg aus Situationen zu suchen, die subjektiv als bedrohlich empfunden werden. Besonders wichtig sei daher die frühkindliche Bindungserfahrung: Dabei wird die Oxytocinachse beeinflusst, eine weitere zentrale Stellschraube im Beruhigungssystem des Menschen. Populärwissenschaftlich werde der Botenstoff auch als Kuschelhormon bezeichnet. „Fällt diese positive Erfahrung aus, ist dies der Gau in der psychischen Entwicklung.“ Bei der Untersuchung von Gewalttätern zeige sich, dass das Stress- und Selbstberuhigungssystem geschädigt seien.
Forschungen aus dem Bereich der psychosomatischen Medizin präsentierte der international bekannte Bindungsforscher Karl Heinz Brisch. In der Tradition des britischen Psychoanalytikers und Begründers der Bindungsforschung John Bowlby (1907–1990), der in diesem Punkt Sigmund Freud widersprach, schilderte Brisch die frühkindliche Bindung als Grundbedürfnis. „Bindung ist so grundlegend wie die Luft zum Atmen“, betonte er. Für ein Baby sei es wichtig, besonders im ersten halben Lebensjahr eine feste Hauptbindungsperson vorzufinden, die sich in es einfühle. Feinfühligkeit fördere eine sichere Bindungsentwicklung. Auch gebe es eine unmittelbare Beziehung zwischen der geistigen Entfaltung des Kindes, also seines Lernens durch Erkundung sowie seinem Beziehungssystem. Ist die Bindung beruhigt, sei die Erkundung aktiviert, ist sie es nicht, werde die Erkundung unterbrochen. Bindung beeinflusse die geistige Entwicklung, fördere die Gedächtnisleistung ebenso wie die Kreativität.
Bindungssicherheit schütze die Kinder und späteren Erwachsenen bei Belastungen, stärke ihre Flexibilität und Ausdauer, zeige sich aber auch im Gemeinschaftsverhalten und im Einfühlungsvermögen. Zwischen ein und zwei Jahren seien rund 60 bis 65 Prozent der Kinder auch bindungssicher. Zwischen 30 und 40 Prozent zeigten Anzeichen der Verunsicherung und weitere acht bis 19 Prozent wiesen bereits beginnende oder deutlich pathologische Bindungsstörungen auf. Diese könnten etwa Aggression, Sucht und Promiskuität zur Folge haben.
Brisch ist nicht nur durch seine eigenen Forschungen international bekannt geworden, sondern auch durch das von ihm entwickelte SAFE-Programm. SAFE steht für „Sichere Ausbildung für Eltern“ und bietet in Kursen Antworten auf Fragen, wie eine gute Beziehung zum Kind aufgebaut werden kann oder was zu tun ist, wenn Kinder trotz aller Bemühungen schreien und nicht einschlafen können. Werden aus Kindern mit Bindungssicherheit Lehrer, so finden diese eher einen guten Zugang zur Schülerschaft, was wiederum deren Lernen erleichtere. „In Finnland werden Lehrer nach ihrer Persönlichkeit ausgewählt“, so Brisch.
Material aus Michaela Koller: Hirnforscher: „Fehlen von Bindung ist der Gau in der psychischen Entwicklung“, Deutsche Tagespost