Fragwürdige Umfrageergebnisse: Deutsche mehrheitlich für aktive Sterbehilfe


Quelle: ALFA (Aktion Lebensrecht für Alle)

Eine klare Mehrheit von 58 Prozent der deutschen Bevölkerung steht der Forderung, unheilbar schwerstkranken Menschen auf deren Wunsch hin aktiv Sterbehilfe zu gewähren, positiv gegenüber. Nur 19 Prozent sind gegen aktive Sterbehilfe. 23 Prozent können sich bei dieser geradezu existentiellen Fragestellung nicht entscheiden. Dies sind die zentralen Ergebnisse einer zwischen dem 7. und 17. Juli unter 1.786 Menschen aus ganz Deutschland ab 16 Jahre vom Institut für Demoskopie Allensbach (IfD) durchgeführten Umfrage zur Einstellung der Deutschen zu aktiver und passiver Sterbehilfe. Die Ergebnisse wurden am 5. August veröffentlicht. Die zentrale Frage lautete wörtliche: "Zurzeit wird ja viel über aktive Sterbehilfe diskutiert. Das bedeutet, dass man das Leben schwerkranker Menschen, die keine Chance mehr zum Überleben haben und große Schmerzen erdulden müssen, auf deren eigenen Wunsch hin beendet. Sind Sie für oder gegen die aktive Sterbehilfe?"

Interessant war bei den Antworten zu dieser Frage die Aufschlüsselung nach Religionszugehörigkeit. Dass die Kirchen aktive Sterbehilfe übereinstimmend ablehnen, habe auf die Einstellungen unter den Mitgliedern der beiden großen Konfessionsgemeinschaften offenbar nur geringen Einfluss, so das Institut. Denn 56 Prozent der Protestanten, 50 Prozent der Katholiken und 65 Prozent der Befragten anderer Religionszugehörigkeiten bzw. ohne Konfession befürworteten demnach die Euthanasie. Jüngere und ältere Menschen waren sich in ihrer mehrheitlich positiven Einstellung zur aktiven Sterbehilfe einig. 63 Prozent der Befragten zwischen 16-29 Jahren sprachen sich dafür aus. Bei der Gruppe der über 60 Jährigen sprachen sich jedoch nur 51 Prozent entschieden dafür aus. Demgegenüber befürworteten 59 Prozent der 30- bis 44-Jährigen und 60 Prozent der Befragten im Alter zwischen 45 und 59 Jahre die aktive Sterbehilfe. Die durch die Lebensjahre größere Nähe zu Krankheit, Leiden und Tod mache viele ältere Menschen offenbar in der Frage der aktiven Sterbehilfe zögerlich, so das IfD. Jeder vierte Ältere habe die Frage mit "Unentschieden" beantwortet.

Beim Thema "passive Sterbehilfe", d.h. bei der Frage: "Man spricht ja manchmal von passiver Sterbehilfe. Das bedeutet, dass der Arzt lebensverlängernde Maßnahmen einstellt, wenn der Patient ausdrücklich erklärt, dass er das wünscht. Sind Sie für oder gegen eine solche passive Sterbehilfe?" befürworteten 72 Prozent der Befragten passive Sterbehilfe, 11 Prozent waren dagegen und 17 Prozent waren unentschlossen. Nach Altersgruppen aufgeschlüsselt zeigten sich ältere Menschen deutlich entschlossener als jüngere. 76 Prozent in der Altersgruppe 60 Jahre und älter sprachen sich in der Befragung für passive Sterbehilfe aus. Von den Unter-30-Jährigen hielten jedoch ebenfalls 63 Prozent eine passive Sterbehilfe für richtig. Bei den Protestanten waren es 73 Prozent, bei den Katholiken 64 Prozent und bei den Befragten anderer Religionszugehörigkeiten bzw. ohne Konfession78 Prozent, die die Einstellung lebensverlängernder Maßnahmen durch den Arzt befürworteten, sofern es der Patient wünscht.

Kritik an der Sterbehilfe-Umfrage

Bei Fachgesellschaften und Lebensrechtlern stieß die Umfrage zur Haltung der Deutschen zur Tötung auf Verlangen auf Kritik. Die Deutsche Gesellschaft zum Studium des Schmerzes e.V. (DGSS) und die Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin e.V. (DGP) kritisierten in einer gemeinsamen Pressemiteilung vom 8. August, dass das Befragungsergebnis auf suggestiven Fragen basiere und deswegen ein verzerrtes Bild der Realität zeichne, denn Schmerztherapie und Palliativmedizin wurden in den Fragen ausgeblendet. "Statt mit tendenziellen Fragestellungen die Ängste der Menschen vor Sterben und Tod zu instrumentalisieren, sollten die Möglichkeiten der Palliativmedizin und der Schmerztherapie noch mehr als bisher in der Behandlung von unheilbar kranken und sterbenden Menschen zum Tragen kommen. Eine flächendeckende Versorgung mit Schmerztherapeuten und mit Palliativeinrichtungen zur Linderung schweren Leids würde den menschlichen Bedürfnissen in jedem Fall mehr entsprechen als fragwürdige Tötungsangebote", so die Fachgesellschaften. Prof. Dr. Müller-Busch, Präsident der DGP, fügte hinzu: "Wir erfahren immer wieder, dass der Wunsch nach vorzeitiger Lebensbeendigung in dem Maße in den Hintergrund tritt, in dem es uns gelingt, durch eine gute palliativmedizinische Behandlung auch die letzte Lebenszeit erträglich zu gestalten."

Auch die Vorsitzende des Bundesverbands Lebensrecht (BVL), Dr. Claudia Kaminski, bemängelte die Sterbehilfe-Umfrage im Hinblick auf die Fragestellung. In einer Pressemitteilung vom 6. August warnte Kaminski zugleich davor, die Umfrage deshalb nicht ernst zu nehmen. "Diese Mehrheiten sind schockierend. Das gilt auch für Christen, die dem Lebensschutz oftmals aufgeschlossener gegenüber stehen, als andere. Wenn 56 Prozent der Protestanten und 50 Prozent der Katholiken sich praktisch für Euthanasie aussprechen, tun die Kirchen wohl gut daran, einmal zu überprüfen, ob die 'ars morendi' auch noch Gegenstand der Verkündigung ist", so Kaminski. Niemand solle den Ernst der Lage unterschätzen. Die Gesellschaft benötige beim Thema Sterbehilfe "von beiden Kirchen einen ähnlich starken Einsatz, wie ihn die katholische Kirche in der Stammzelldebatte gezeigt hat", so die BVL-Vorsitzende weiter. "Andernfalls werden wir recht schnell und immer drastischer erfahren, wie brüchig die Solidarität mit alten, kranken und schwachen Menschen vielerorts inzwischen geworden ist."
Für den Geschäftsführer der Deutschen Hospiz-Stiftung, Eugen Brysch, sind die Umfrageergebnisse wenig verwunderlich. "In den Medien lesen wir immer mehr Schreckensmeldungen über schlechte Zustände in Pflegeheimen und Krankenhäusern, wir erfahren von leidenden, schwerkranken Menschen und solchen, die aus Angst davor, zu einem Pflegefall zu werden, sich lieber selbst töten", erklärte Brysch gegenüber der katholischen Tagespost vom 7. August. "Wer jetzt noch überrascht und entsetzt tut, dass Menschen nach solchen Nachrichten und Szenarien aktive Sterbehilfe befürworten, verschließt die Augen vor der Realität", ist sein Fazit.