<p>Christiane Jurczik</p>
<p>Eltern schaden ihren Kleinkindern, wenn
sie sie unkontrolliert dem TV oder sozialen Medien aussetzen. Aber auch ihre
persönliche Mediennutzung müssen sie überdenken, wenn kleine Kinder im Spiel
sind. Darauf weisen jetzt Psychologen und Medienforscher hin.</p>
<p>Laut einem Bericht der Nachrichtenagentur
«idea» mit Berufung die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung sind viele
Eltern «unsicher, wie viel Zeit sie ihren Kindern vor dem Fernseher oder dem
Smartphone erlauben sollen.» Dabei brauchten Kleinkinder laut der Psychologin
Elisabeth Raffauf gar kein Fernsehen. Bei den neuen Medien – sowohl TV als auch
Smartphone – fehle die Reaktion und damit die Gefühlsebene: „Kinder lernen nicht:
Wie reagiert mein Gegenüber?“</p>
<p>Durch
Fernsehen nimmt die Entwicklung von Kindern Schaden – auch spezielle
Kinderprogramme bilden keine Ausnahme. Das ist das Ergebnis der Auswertung von
insgesamt 78 Studien zum Thema Kinder und Fernsehen. Dimitri Christakis vom
Seattle Children Research Institute der Universität von Washington hat sich mit
den annähernd 80 Studien beschäftigt. Sie drehten sich allesamt um die
Auswirkungen, die Fernsehen auf Kleinkinder hat. Das Endergebnis des
Kinderarztes: Fernsehen schadet der kindlichen Entwicklung, auch wenn es sich
um spezielle Kindersendungen handelt. Christakis betont, dass es keine Studie
gäbe, die eine positive Wirkung von Fernsehen auf Kleinkinder nachgewiesen
hätte. Die schädliche Wirkung der Zeit „vor der Glotze“ ist seiner Meinung nach
umso schlimmer, je mehr das kindliche Gehirn überfordert wird: Durch schnell
wechselnde Bilder, Töne, Szenen und Helligkeit.</p>
<p>Bei erhöhter Bildschirmnutzung treten bei Zehn-
und Elfjährigen demnach häufiger psychologische Probleme auf, darunter
emotionale Störungen, Probleme im Umgang mit Gleichaltrigen und Hyperaktivität.
Auf Sport und andere körperliche Aktivitäten als Ausgleich für stundenlange
Computerspiele oder Fernsehkonsum könne man nach diesen Ergebnissen nicht mehr
bauen, resümieren die Wissenschaftler in der am Montag im Wissenschaftsjournal
„Pediatrics“ erscheinenden Studie. Für die Studie wurden 1000 zehn- bis
elfjährige Kindern mit Fragebögen zu ihrem psychischen Wohlbefinden interviewt.
Außerdem wurde aufgezeichnet, wie viel Zeit sie vor Bildschirmen sitzend oder
in Bewegung verbrachten.</p>
<p>Fernsehen, egal ob als Unterhaltung oder für
pädagogische Zwecke benutzt, hat viele potentiell negative Wirkungen und keine
positive. Fernsehen schadet Kindern in jedem Fall. Diese Ergebnisse
unterstreichen die Empfehlung, die die Akademie im Jahr 1999 gab, den
Fernsehkonsum von Kleinkindern möglichst einzugrenzen. Seitdem ist aufgrund des
Internets, DVDs und andere der Konsum visueller Medien durch einjährige Kinder
auf eine bis zwei Stunden täglich gestiegen. Aus diesem Grund versucht die Werbeindustrie die Altersgruppe der 0 bis
zweijährigen immer mehr über diese Medien zu erreichen. Auch bei vielen
Sendern werden problematische oder gar gefährliche Dinge gezeigt, die sich die
Jugendlichen zum Vorbild nehmen. Das kann dazu führen, dass man das nachmacht,
was die „Stars“ nur auf dem Bildschirm tun. Zum Beispiel wollen viele Mädchen
so abnehmen, wie Modells, damit sie gut aussehen. </p>
<p>Zu hoher Fernsehkonsum hat besonders in den
frühen Jahren der Kindheit starke Auswirkungen für das restliche Leben. Selbst
wenn TV-Programme und Videos Lerneffekte versprechen – die Entwicklung von
Kleinkindern fördern sie nicht. Studien zeigen: Viele Stunden vor dem Fernseher
können die Sprachentwicklung hemmen. Freies Spielen fördert Kleinkinder nach
Angaben von US-Experten mehr als Fernsehprogramme und Videos mit angeblichem
Lerneffekt. „Kleine Kinder lernen am besten durch Interaktion mit Menschen und
nicht vor dem Bildschirm“, betonen Kinderärzte.</p>
<p>Hirnforscher Prof. Lutz Jäncke, ein Züricher
Psychologie-Professor, mahnt, dass beim TV-Konsum von Kindern und Jugendlichen
Vorsicht angebracht ist. „Ich bin nicht gegen das Fernsehen, aber es besteht
eine gewisse Gefahr“, sagte Jäncke in Wiesbaden beim Forum der
Arbeitsgemeinschaft Fernsehforschung (AGF). Es gebe, so Jäncke, einen direkten
Zusammenhang zwischen der Anzahl der Fernsehstunden und den Schulleistungen. </p>
<p>Je höher der
Fernsehkonsum sei, desto schlechter würden die Schulabschlüsse.</p>