FAZ plädiert für unterwürfiges Staatskirchentum
Feuilleton-Chef Bahners wünscht sich katholische Kirche unter staatlicher AufsichtFelizitas Küble, Leiterin des KOMM-MIT-Jugendverlags und des Christoferuswerks in Münster
Unter dem Titel „Haben wir eine christliche Leitkultur?“ veröffentlichte Patrick Bahners in der „Frankfurter Allgemeinen“ vom 15. Oktober 2010 einen pseudo-intellektuellen Rundumschlag gegen die katholische Kirche, der seinesgleichen sucht in der Geschichte der FAZ.
Der geharnischte Artikel des Feuilletonchefs läuft ganz ungeniert darauf hinaus, die katholische Kirche in Deutschland unter staatliche Vormundschaft zu stellen und ihr einen Maulkorb für politisch-gesellschaftliche Aussagen zu verpassen.
Anlaß für den merkwürdigen Beitrag des hochrangigen FAZ-Redakteurs ist die kritische Stellungnahme des Limburger Bischofs zur Aussage von Bundespräsident Wulff, auch der Islam gehöre zu Deutschland.
Im jüngsten „Focus“ erinnerte Franz-Peter Tebartz van Elst an die „christliche Leitkultur“ Deutschlands, die „keine utopische Formel“ sei, sondern „eine Realität in Deutschland“. Warum diese selbstverständliche Feststellung bei Bahners zu verbissenen Attacken führt, mag sein Geheimnis bleiben.
Oder ist ihm der einstige Majestätsbeleidigungs-Paragraph etwa gar ein Herzensanliegen? Jedenfalls erinnert Bahners den Limburger Oberhirten allen Ernstes an dessen Alter und Amtsjahre: „Der 51-Jährige ist erst seit zwei Jahren im Amt“, weiß Bahners zu berichten.
Ist man mit 51 also zu jung für kritische Einwände, die sich ans deutsche Staatsoberhaupt richten? Ab wieviel Amtsjahren ist Sachkritik am Bundespräsidenten aus Bahners Sicht erlaubt? Sollen Bischöfe Ihre Einsprüche zu Vorgängen in Staat und Gesellschaft etwa zukünftig erst der FAZ zur Vorzensur übermitteln?
Bahners kann es offenbar kaum fassen, daß sich einige deutsche Bischöfe mit der umstrittenen Rede von Christian-Wulff nicht so recht anfreunden wollen, schreibt er diesen „ungehörigen“ Kritikern doch mit erhobenem Zeigefinger ins Stammbuch: „Ausdrücklich haben diesen Einspruch auch Amtsträger formuliert, die Zurückhaltung im Umgang mit dem Staatsoberhaupt wahren müssen.“
Wie bitte? Leben wir noch in Zeiten absoluter Monarchie? Soll der Obrigkeitsstaat - oder gar Schlimmeres? - wieder eingeführt werden? Oder sollen etwa Bismarcks „Kulturkampfgesetze“ aus der Mottenkiste des 19. Jahrhunderts geholt werden?
Der FAZ-Kulturchef erinnert den katholischen Oberhirten von Limburg sodann an das Reichskonkordat von 1933, demzufolge der Bischof „vor seiner Inthronisation Deutschland sowie den Ländern Hessen und Rheinland-Pfalz die einem Bischof geziemende Treue geschworen“ habe.
Wie bitte? Geht diese Treue etwa über die Einhaltung der Gesetze hinaus? Bedeutet sie, daß katholische Kirchenmänner wie „Staatsbeamte“ fungieren und nicht etwa als Diener Gottes und der Kirche?
Spätestens beim nächsten Satz ist klar, daß sich Bahners anscheinend geistig im „Kulturkampf“ aus alter Bismarck-Zeit befindet:
„Da alle politischen Interventionen von Klerikern grundsätzlich geeignet sind, katholische Staatsbürger in Loyalitätskonflikte zu bringen, verpacken die Bischöfe ihre Kritik gewöhnlich in allgemeine Appelle, die sie eher an den demokratischen Prozess adressieren als persönlich an ihre Gegenüber im staatlichen Amt. Dass der Limburger Bischof den höchsten Repräsentanten der Bundesrepublik (...) wissen lässt, die "entscheidende Passage" der Rede zum 3. Oktober habe "zu Recht Widerspruch ausgelöst", hat großes Gewicht.“
Man lasse sich auf der Zunge zergehen, was der staatsbeflissene Redakteur hier zusammenfabuliert: „Politische Interventionen“ von „Klerikern“ sind also „grundsätzlich“ geeignet, „katholische Staatsbürger“ in „Loyalitätskonflikte“ zu bringen - gemeint ist natürlich: mit Vater Staat.
Der Autor verrät uns freilich nicht, warum die Sachkritik eines Bischofs an der Rede eines Bundespräsidenten auch nur einen einzigen Katholiken in Deutschland in einen „Loyalitätskonflikt“ zum Staate bringen könnte.
Die Feststellung des Limburger Bischofs, das Verhältnis des Islam „zu den universalen Menschenrechten und zu unserem Rechtsstaat weithin ungeklärt“ bringt den FAZ-Redakteur noch mehr in Rage:
„Das hält dem Islam der Funktionär einer Kirche vor, die fast zweitausend Jahre alt ist und ihr eigenes Verhalten zu den universalen Menschenrechten vor genau fünfundvierzig Jahren geklärt hat, mit der Verabschiedung der Pastoralkonstitution "Gaudium et spes" am letzten Sitzungstag des Zweiten Vatikanischen Konzils.“
In Wirklichkeit hat das Gottesvolk des Alten Bundes - und damit die Vorform der katholischen Kirche - seine Beziehung zu den Menschenrechten bereits vor viertausend (!) Jahren vollständig geklärt, als es nämlich die vom Schöpfer durch Moses erhaltenen Zehn Gebote annahm und verkündete.
Die älteste „Menschenrechts-Erklärung“ geschah nicht in der Französischen Revolution, auch nicht in der amerikanischen; ebensowenig ist es die britische „Bill of Rights“, die hier ein berechtigtes „Copyright“ anmelden könnte. Dieses „Urheberrecht“ kann allein der Schöpfer aller Welten beanspruchen!
Die erste Proklamation der gottgewollten und wohlverstandenen „Menschenrechte“ wurde vom Ewigen selbst vorgenommen und Moses übermittelt. Aus den „Gottesgeboten“ ergeben sich wie von selbst die Menschenrechte, ob Patrick Bahners das einsehen mag oder nicht.
Einige Beispiele seien erwähnt: „Du sollst nicht morden!“ entspricht dem Recht auf Leben. „Du sollst nicht stehlen!“ entspricht dem Recht auf das Eigentum. „Du sollst nicht ehebrechen“ schützt Ehe und Familie als Fundament des Staates. „Du sollst nicht lügen!“ schützt das Recht auf die Ehre jedes Menschen etc.
Sodann ist der FAZ-Kulturchef wieder einmal „bestürzt“, nämlich darüber, daß der Limburger Oberhirte nach der wirklichen „Leistung“ des Islam zu fragen wagt:
„Bestürzt über die kaum heilig zu nennende Schlichtheit, liest man eine rhetorische Frage im Stil des von Benedikt XVI. in Regensburg zitierten byzantinischen Kaisers: "Was könnte der Islam denn beitragen, was das Christentum und das Judentum nicht bereits geleistet haben?"
Diese logisch und theologisch berechtigte Anfrage des Bischofs fällt, so Bahners, „hinter das Konzil zurück“, habe dieses doch „mit Hochachtung von den Muslimen gesprochen“. - Anscheinend vermag er den Respekt vor Personen nicht zu unterscheiden von Kritik an einer Sache.
Sodann bemängelt der FAZ-Redakteur, „die ungläubigen Wiederentdecker des Abendlandes“ würden unter „christlicher Leitkultur“ die „Trennung von Staat und Kirche“ verstehen. In Wirklichkeit wird durchaus keine vollständige Trennung angestrebt, sondern eine Unterscheidung (!) der Kompetenzen, also ein wohlwollendes Nebeneinander von Kirche und Staat. Dergleichen gibt es nach islamischem Verständnis freilich nicht: dort sind Religion und Staat mittels der Scharia zur untrennbaren Einheit verschmolzen.
Die Krönung der Bahnerschen Irrwitzigkeiten findet sich in seinem nachfolgenden Satz: „Dann wäre auch die aus unserer Rechtsauffassung konsequent folgende Abtreibungsfreiheit eine christliche Errungenschaft - nur in kultureller Betrachtung, natürlich.“
Zunächst sei festgehalten: Auch in einigen islamisch geprägten Staaten existiert Abtreibungsfreiheit: sogar eine uneingeschränkte Fristentötung in der Türkei oder Tunesien und in etlichen osteuropäisch-islamischen Staaten.
Zudem resultiert die verhängnisvolle Abtreibungsfreiheit in Deutschland durchaus nicht deshalb aus einer prinzipiellen „Rechtsauffassung“, weil diese eine Unterscheidung von Kirche und Staat vornimmt. Immerhin war die Ermordung eines ungeborenen Kindes hierzulande noch vor 1975 grundsätzlich verboten – doch auch damals existierte bereits eine weitgehende „Trennung von Kirche und Staat“.
Zum Abschluß seines Rundumschlags argumentiert Bahners geradezu dreist:
„Tebartz-van Elst beklagt, dass "manchen muslimischen Frauen die Freiheit vorenthalten wird". - Gegenfrage: Was ist denn mit der Freiheit, der priesterlichen Berufung zu folgen, die allen katholischen Frauen vorenthalten wird - durch als unveränderlich ausgegebenes Recht?“
Gegenfrage an Bahners: In welcher Menschenrechtserklärung steht geschrieben, die Ergreifung des Priesteramtes sei ein „universales Menschenrecht“? Findet sich diese erstaunliche Erleuchtung in irgendeiner Staatsverfassung? Doch wohl kaum – selbst in der laizistischen Verfassung Frankreichs sucht man dergleichen vergeblich.
Der letzte Satz Bahners stellt eine ungeheure Kampfansage an die katholische Kirche dar: er droht damit, der Staat werde sich sehr wohl noch in die inneren (!) Angelegenheiten der Kirche einmischen, wozu zweifellos auch die Sakramentenverwaltung gehört (die Priesterweihe ist eines der sieben Sakramente). Bahners holt den rhetorischen Knüppel ganz unverhohlen aus dem Sack:
„Wenn der Bischof von Limburg glaubt, der Rechtsstaat werde katholische Ausnahmen von der Gleichbehandlung von Mann und Frau wegen vergangener kultureller Verdienste der Kirche ewig dulden, unterschätzt er die Dynamik der Zivilreligion des Menschenrechtsuniversalismus.“
Diese „Zivilreligion“ (!) will die katholische Kirche offenbar unter die Kuratel des Staates stellen und sie zur unterwürfigen Staatskirche degradieren und deformieren. Eben dieser Versuchung und Gefahr hat die katholische Kirche zweitausend Jahre lang hartnäckig widerstanden – und sie wird es weiter tun im Auftrag des Ewigen.