Elektronische Babysitter können für Kinder und Familie verheerend sein

Elektronische Babysitter können für Kinder und Familie verheerend sein

Edwin Benson

(Aus dem Englischen übersetzt durch Christine Brock) In den Fünfzigerjahren hielt das Fernsehen Einzug in die amerikanischen Haushalte. Es war eine Revolution – und wie die meisten Revolutionen kam sie teuer zu stehen. Im Jahr 1955 lag das Durchschnittseinkommen bei 3400 US-Dollar oder 65 US-Dollar pro Woche. Ein Zenith-Tischfernseher kostete 149,99 US-Dollar.

Die Werbetreibenden mussten die Menschen davon überzeugen, fast drei Wocheneinkommen für das neue Spielzeug zu bezahlen. Sie zogen alle Register, einschließlich der Elternschaft. Motorola warb mit der Aussage: „Wie das Fernsehen Ihren Kindern nützt – Fernsehen kann ein besseres Verhalten zuhause und bessere Noten in der Schule bedeuten!“ Eine Fernsehwerbung von Du Mont zeigte zwei Kinder, deren Augen auf den Bildschirm geheftet sind. Der Werbetitel lautete: „Verzauberte Länder… direkt bei dir zuhause!“

Moderne Eltern könnten sich beim Ansehen dieser Werbung vielleicht fragen, ob ihre Eltern oder Großeltern wirklich so naiv waren. Sie sollte nicht so hochnäsig sein, denn viele von ihnen zahlen jeden Monat mehr als den Preis dieses Zenith für die Smartphones ihrer Kinder.

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Die Auswirkungen von elektronischen Babysittern

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Damals wie heute ist der Reiz des Neuen leicht zu begreifen. Ob 1955 oder 2023, kein Kind möchte das einzige in der Nachbarschaft sein, das nicht über die neueste Technologie verfügt. Aus Sicht der Eltern ist es einfacher, mit Kindern umzugehen, wenn sie ein Gerät haben, das sie zumindest kurzfristig unterhält.

Alle Eltern können diese Versuchung nachvollziehen. Es gibt Zeiten, in denen ein Kind genau dann um Aufmerksamkeit bettelt, wenn ein anderes Kind dringend Zuwendung braucht. Zwei Kinder zanken sich vielleicht auf dem Rücksitz eines Autos, während ein Sturmregen die ganze Konzentration der Eltern verlangt, um sicher nach Hause zu kommen. In solchen Momenten kann ein Gerät, das die Aufmerksamkeit der Kinder ablenkt, wie ein Lebensretter wirken.

Ein kürzlich erschienener Artikel von U.S. News and World Report („US-Nachrichten und Weltbericht“) warnt Eltern jedoch, dass eine solche Strategie katastrophale Folgen haben kann. Die Überschrift des Artikels lautet rigoros: „Der Einsatz von Geräten als Babysitter kann für die Eltern nach hinten losgehen.“

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Gefährliches Spiel mit den Emotionen der Kinder

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In dem Artikel wird eine Studie zitiert, die im Journal of the American Medical Association (JAMA = Zeitschrift der amerikanischen Ärztekammer) veröffentlicht wurde. Hauptautorin der Studie ist Dr. Jenny S. Radesky von der Universität Michigan. Alle Eltern von kleinen Kindern sollten ihre Worte sorgfältig bedenken: „Wenn ein Kind aufgeregt ist und große Emotionen zeigt, und Sie ihm ein Smartphone oder Tablet reichen, um es abzulenken, kann das vielleicht für den Augenblick die Ruhe aufrechterhalten, aber wenn dies die Hauptmethode ist, mit der Sie ihr Kind beruhigen, kann dies auf lange Sicht einen Rückschlag [in der Erziehung Ihres Kindes] bedeuten.“

Dr. Radesky argumentiert, dass solche Kinder weniger wahrscheinlich die Fähigkeit entwickeln, mit den Emotionen fertig zu werden, die aus schwierigen Situationen entstehen. Sie behauptet, dass drei- bis fünfjährige Kinder diese Emotionen „wie eine Welle negativer Energie oder Frustration empfinden, die sie nicht benennen und verarbeiten können, sodass sie die Hilfe einer Bezugsperson brauchen, die ihnen sagt: ‚Das ist es, was du fühlst.‘“

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Bildschirme begrenzen oder verzögern die soziale Entwicklung

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Dr. Radeskys Forschungen beschränken sich auf die frühe Kindheit, aber die sozialen (oder asozialen) Folgen einer extensiven Bildschirmnutzung gehen weit über diese Phase hinaus. Der Einsatz von Technologie wirkt sich auch darauf aus, wie junge Menschen miteinander umgehen. Die Gleichung ist einfach. Je mehr Zeit Kinder damit verbringen, auf einen Bildschirm zu schauen, desto weniger Zeit verbringen sie damit, sich gegenseitig zu beobachten und miteinander zu interagieren.

Soziale Fähigkeiten sind nicht angeboren; sie werden erlernt. Kindern muss beigebracht werden, nicht zu unterbrechen, wenn jemand anderes spricht, anderen zu erlauben auch ihren Standpunkt bei Streitigkeiten darzulegen, Spielzeug oder andere Gegenstände mit jemandem zu teilen usw. Die Eltern unterstützen diesen Prozess, indem sie ihre Kinder mit Worten anleiten, aber ein Großteil dieses Einübens von Sozialverhalten geschieht durch Worte und Gesten der Spielkameraden.

Verhaltensweisen wie ein missbilligender Gesichtsausdruck, eine höhere oder gedämpftere Lautstärke in der Stimme anderer Kinder und gemeinsames Spielen in Harmonie oder Zweitracht schaffen Ursache-Wirkungs-Beziehungen in den Köpfen der Kinder. Diejenigen, die lernen, gut mit anderen zu spielen, haben mehr Freunde und machen angenehmere Erfahrungen als diejenigen, die sich egoistisch verhalten.

Bildschirme, egal, ob sie nun zu Fernsehern, Video-Spielen oder Smartphones gehören, können einem Kind nicht helfen, mit nonverbalen Signalen umzugehen. Der Bildschirm kann nicht wissen oder sich darum kümmern, ob er von einem einzelnen Kind bedient wird oder gemeinsam genutzt wird. Die Handlungen auf dem Bildschirm haben nichts mit den Einstellungen der Kinder zu tun, die vor ihm sitzen und draufstarren. Kinder, die mehr Zeit vor dem Bildschirm verbringen, entwickeln also nicht die wesentlichen sozialen Fähigkeiten – oder sie entwickeln sie langsamer als andere Kinder.

Glücklicherweise können einige dieser Auswirkungen rückgängig gemacht werden, aber dazu müssen diese Geräte aus dem Leben der Kinder entfernt werden. Die Psychologin Nicole Beurkins berichtet über ein höchst bezeichnendes Forschungsergebnis: „Untersuchungen haben gezeigt, dass bereits eine Woche, in der die Kinder an typischen Freizeitaktivitäten im Ferienlager mit Übernachtung im Zelt teilnahmen und keine Zeit am Bildschirm verbrachten, zu einer deutlichen Verbesserung ihrer Fähigkeiten führte, nonverbale emotionale Signale zu erkennen.“

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Bildschirme und Familienleben

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Aus genau denselben Gründen schadet übermäßige Bildschirmzeit auch dem Familienleben. Kaveri Subrahmanyam und Patricia Greenfield haben umfangreiche Untersuchungen durchgeführt und Informationen aus verschiedenen anderen Studien über die Nutzung der Online-Kommunikation durch junge Menschen zusammengetragen. Ihr Artikel ist sehr lesenswert.

Subrahmanyam und Greenfield zitieren beispielsweise die Arbeit von Larry Rosen, einem pensionierten Psychologieprofessor an der California State University und Verfasser von The Distracted Mind: Ancient Brains in a High-Tech World [Der abgelenkte Geist: Uralte Gehirne in einer High-Tech-Welt]. Einige von Dr. Rosens Studien bezogen sich speziell auf die Social-Networking-Website MySpace. Er fand heraus, dass „fast ein Drittel der Eltern das Gefühl hatte, dass die Zeit, die ihr Teenager mit MySpace verbringt, das Familienleben beeinträchtigt. Bei Eltern von Teenagern, die täglich mehr als zwei Stunden mit MySpace verbrachten, stieg der Anteil mit dieser Einschätzung auf die Hälfte.“

Interessanterweise hat MySpace nicht nur Eltern im Umgang mit ihren Kindern verunsichert. Es trägt auch dazu bei, dass Kinder weniger mit ihren Eltern verbunden sind. In einer anderen Studie „fanden Rosen und Kollegen außerdem heraus, dass Teenager, die viel Zeit mit MySpace verbrachten, das Gefühl hatten, weniger Unterstützung von ihren Eltern zu bekommen.“

Subrahmanyam und Greenfield verwiesen auch auf eine Studie von Gustavo Mesch von der Universität in Oxford. Er stellte fest, dass die pädagogische Nutzung von Computern zu Bildungszwecken keine Auswirkungen auf das Familienleben hat. Lediglich die Nutzung des Internets für soziale Zwecke hatte nachteilige Folgen.

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Komplizierte Fragen ohne einfache Antworten

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Wenn sie sich solches Material ansehen, ziehen viele Eltern in Erwägung, alle Bildschirmgeräte aus dem Leben ihrer Kinder zu verbannen. In vielen Mittel- und Oberschulen ist die Nutzung von Smartphones und Computern jedoch fast schon Pflicht. Und wenn die High Schools dies nicht vorschreiben, werden es die Berufs- und Handelsschulen tun.

Der Vergleich der Arbeiten von Dr. Rosen und Dr. Mesch vermittelt eine Vorstellung davon, wie kompliziert das ganze Thema „Bildschirmzeit im Kindes- und Jugendalter“ ist. Wie der heilige Benedikt, der drei Jahre lang allein in der Wüste lebte, bis seine Weisheit die Welt zu ihm führte, kann der Ausschluss von Bildschirmen aus dem Leben von Kindern nur eine vorübergehende Maßnahme sein. So wie die meisten Erwachsenen an ihrem Arbeitsplatz werden sich auch die Kinder früher oder später mit einer computerisierten Welt auseinandersetzen müssen.

Eltern müssen sich daher über die Risiken der Nutzung von Computern und Mobiltelefonen informieren, vor allem im frühen Entwicklungsalter ihrer Kinder. Und dann müssen sie dieses Wissen im Umgang mit ihren Kindern auch anwenden.