Drastischer Anstieg von brutaler Gewalt und die Wirkung auf Kinder

Christiane Jurczik

In den sozialen Medien verbreiten sich vermehrt grauenhafte Darstellungen die Heranwachsende massiv ängstigen und verstören können. Die Konfrontation mit Gewalt erfolgt nicht nur wenn man gezielt danach sucht. Auch ganz unvermittelt erscheinen extreme Gewaltvideos aller Art. Denn Gewaltbeiträge werden oft mit vielgesuchten Hashtags versehen.

So finden sich zum Beispiel:

  • brutale Videos bei YouTube; teilweise gab es sogar nicht-kindgerechte Szenen bei "YouTube Kids", eingebettet in beliebte Kinderfilme,
  • grausame Videos, die ein Freund oder bekannter über einen Messenger wie WhatsApp verschickt: beispielsweise Handyvideos, für die Prügeleien extra angebahnt werden, um sie zu filmen und zu veröffentlichen ("Happy slapping" wird dies genannt),
  • Horror- und heftige Actionfilme bei Netflix, Amazon Prime und Co.,
  • gewaltsame Computerspiele,
  • drastische Bilder und Filme auf Nachrichtenseiten.

Gewalttätige Handlungen gehören schon zum kindlichen Alltag. In der Schule werden sie zum Beispiel Zeuge von Mobbing oder Handgreiflichkeiten auf dem Schulhof. Fast täglich werden Bilder brutalster Art ausgetauscht. Schlägereien mit dem Handy gefilmt und sofort verbreitet. Selbst vor Vergewaltigungen graut es den Kindern nicht mehr – „das habe ich schon oft gesehen“, sagt ein 11-Jähriger auf dem Schulhof. Begriffe wie „Bitch“ und „Opfer“ sind im Netz alltäglich und zeugen von einer sexualisierten Kommunikation und einer Kultur der Erniedrigung.

Abstumpfung durch tägliche Gewalt-Bilder

Eine häufige Konfrontation mit Gewaltdarstellungen – da sind sich Experten einig – kann bei Kindern und Jugendlichen zu Abstumpfung führen. Das gilt für Computerspiele ebenso wie für Filme und Fotos.

Auch wer nicht nach Gewaltdarstellungen sucht wird damit konfrontiert. Ereignisse wie Kriege oder Amokläufe mit extremer Gewalt und Brutalität landen schnell in sozialen Medien. Fürchterliche Fotos von Leichen in einer Blutlache oder Filme von Schüssen auf die Opfer landeten unter anderem über WhatsApp in den Klassenchats von Schülern.

Selbst Darstellungen von Kindern und Jugendlichen die Opfer von physischer Gewalt werden sind immer häufiger zu sehen. Ebenso Sammlungen von Bildern auf denen schwere Verletzungen, Leichenbilder nach Unfällen und Aufnahmen von Selbst- Morden gehören mittlerweile zum (traurigen) Alltag unserer Kinder. Sie werden verbreitet um Schock und Ekel hervorzurufen. Aber immer häufiger stumpfen Kinder ab und machen sich über die Demütigungen und Abgründe noch lustig. Sogar Kinderserien werden gezielt manipuliert, indem Nutzer selbst erstellte gewalthaltige Szenen mit den Figuren einführen…

Kurzfristige Auswirkungen von Gewalt im Fernsehen In einem typischen Experiment werden Kinder nach dem Zufallsprinzip in zwei Gruppen eingeteilt. Die eine Gruppe sieht dann einen gewaltfreien Film, die andere einen Gewaltfilm. Dann spielten die Kinder Hockey, und es wird von Beobachtern, die nicht wissen, welchen Film ein Kind gesehen hat, festgestellt, wer wen wie oft während des Spiels tätlich angreift. In einem Fall waren es beispielsweise Sieben- bis Neunjährige, die ihre Kameraden während des Spiels schlugen, mit dem Ellenbogen rammten, zu Boden warfen, an den Haaren zogen oder anderweitig gewalttätig malträtierten. Die Studie zeigte, wie viele andere, einen klaren Effekt: Diejenigen, die zuvor den Gewaltfilm gesehen hatten, verhielten sich beim Hockey danach gewalttätiger als diejenigen, die zuvor einen gewaltfreien Film gesehen hatten.

In den USA wurden zahlreiche Untersuchungen zu den Auswirkungen von Gewaltdarstellungen im Fernsehen auf Kinder und Jugendliche durchgeführt (vgl. Smith & Donnerstein 1998). Beinahe in allen konnten signifikante Korrelationen zwischen dem Konsum von Fernsehgewalt und aggressiven Gedanken, Einstellungen oder gewalttätigem Verhalten nachgewiesen werden.

Stangl, W. (2020).Fernsehen und Gewalt, Studien und Forschungsergebnisse.

Jugendschutz.net