Dokumentation: Wie Linksradikale über den Marsch für das Leben berichten

Am Samstag, den 26.09.09, protestierten 500-800 Menschen gegen den „1000 Kreuze Marsch“ christlicher Fundamentalist_innen. Der Bundesverband Lebensrecht, eine Dachorganisation der Abtreibungsgegner_innen, veranstaltet diesen Marsch jährlich, um der angeblich 1000 Abtreibungen, die an jedem Werktag in Deutschland stattfinden, zu gedenken.

Die christlichen Fundamentalist_innen stellen dabei entweder unverfrorene Dreistigkeit oder himmelschreiende Dummheit unter Beweis – laut dem statistischen Bundesamt finden nicht mal halb so viel Abtreibungen pro Werktag statt, 2008 insgesamt etwa 115.000.

Das Bündnis gegen Abtreibungsverbot und christlichen Fundamentalismus hatte zu zwei Kundgebungen aufgerufen, ab 12.30 Uhr am Roten Rathaus und ab 14.00 Uhr am Bebelplatz. Um 13.00 Uhr hatten sich etwa 500 Menschen am Roten Rathaus versammelt – in Hör- und Sichtweite der Kundgebung der selbsternannten Lebensschützer. Es gab Redebeiträge etwa zur Verschärfung des Schwangerschaftskonfliktgesetzes, zu christlichem Fundamentalismus. Ein Redebeitrag beschäftigte sich mit Günter Annen, dem Betreiber der ekelhaften Webseite babycaust.de. Er relativiert dort immer wieder die Shoa und sorgt sich um das Aussterben des deutschen Volkes. Ein weiterer Redebeitrag wies auf einen katholischen Apotheker aus Neukölln hin, der sich weigert auf Rezept die „Pille danach“ herauszugeben.

Bunt und laut waren die meisten Kundgebungsteilnehmer_innen, ausgestattet mit Transpis, Konfetti, Kondomen und anderem satanischen Werkzeugen. Etliche Protestiere_innen begleiteten die Kundgebung der Abtreibungsgegner_innen fröhlich Dildos schwenkend.

Nachdem die Abtreibunsgegner_innen ihre Kreuze ausgeben hatten – glücklicherweise nicht nur an selbsternannte Lebensschützer, und Richtung Hedwigskathedrale aufbrachen, stellten sich zahlreiche Menschen in den Weg, der Zug wurde zunächst blockiert. Die Polizei löste die Blockade mit dem übliche Geschubse und Getrete. Kritische Begleitung mussten die Christ_innen aber weiterhin in Kauf nehmen. „Kein Gott – Kein Staat – Kein Patriarchat“ mussten sie sich ebenso anhören wie „Hätt Maria abgetrieben, wärt ihr uns erspart geblieben“. Transpis und Schilder forderten die Abschaffung des §218 wie der patriarchalen Zustände: „Mein Körper gehört nicht Deutschland!“ – war ebenso zu lesen wie „Feminismus ist die Antwort“. Etwa ein Dutzend der weißen Holzkreuze landeten in der Spree.

Auch auf dem Bebelplatz versammelten sich noch einmal zahlreiche Menschen, um die Christ_innen auf ihrem Weg in die Kathedrale zu begleiten. Diese verließen das Gebäude auch erst wieder, nachdem die Kundgebung auf dem Bebelplatz beendet worden war – doch auch jetzt mussten sie noch zur Kenntnis nehmen, dass Feminist_innen und Antifaschist_innen nicht bereit sind, irgendeine Form von Bevormundung hinzunehmen. Wir lassen uns nicht vorschreiben, was wir mit unseren Körpern tun, wir lassen uns auch nicht vorschreiben, wie wir lieben, ficken und leben - schon gar nicht von ein paar traurigen Gestalten, die nichts weiter als Verlogenheit, Autoritätsglauben und allgemeine Tristesse im Angebot haben. Das haben die Protestierer_innen den christlichen Fundamentalist_innen am Samstag unmissverständlich klar gemacht. Dass sie darauf keine Antwort haben, zeigen die Reaktionen der „Lebensschützer“. Einer von ihnen griff am Samstag eine schwangere Frau an, die als Gegendemonstrantin gekommen war, schlug ihr mit einem der weißen Holzkreuze auf den Arm und rief: „Im Namen des Herrn!“ So sieht also die christliche Fürsorge um Schwangere aus.

Die evangelikale Nachrichtenagentur Idea verbreitet zudem eine Falschmeldung. In dem Bericht heißt es, Weihbischof Laun habe beobachtet, wie Protestierer_innen in der Nähe des Bebelplatzes eine Bibel angezündet und den Christ_innen vor die Füße geworfen hätten. Seltsamerweise hat niemand anders diesen Vorgang beobachtet, auch Fotos existieren keine. Antifaschist_innen zu unterstellen, dass sie in der Nähe des Platzes der Bücherverbrennung selbiges tun würden, ist eine Unverschämtheit. Dass die Abtreibunsgegner_innen zu solch fadenscheinigen Lügen greifen, in dem Versuch legitime Gegenproteste zu diskreditieren, zeigt, dass sie die Werte, auf denen sie so beharren, selber kaum ernstnehmen. Auch scheinen ihnen die Argumente ausgegangen zu sein.

In der Kirche gab es eine Festnahme, eine Frau soll angeblich Eier auf den Altar geworfen haben. Sie wurde jedoch nach der Feststellung der Personalien wieder freigelassen.

Die Abtreibungsgegner_innen werden wieder kommen – allerdings, dass geht aus ihren wütenden Reaktionen in den Medien hervor, sind sie mächtig genervt von der Tatsache, dass sie ihren ideologischen Unfug nicht mehr unwidersprochen verbreiten können.
Wir freuen uns darauf, die selbsternannten Lebensschützer auch nächstes Jahr wieder kritisch begleiten zu können. Wir werden wieder laut und bunt zeigen, dass wir christlichen Fundamentalismus, Patriarchat und Homophobie nicht hinnehmen.

Quelle Indymedia

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