Dokumentation: Instruktion Dignitas Personae über die künstliche Befruchtung
In-vitro-Befruchtung und willentliche Beseitigung von Embryonen14. Dass die In-vitro-Befruchtung sehr oft die willentliche Beseitigung von Embryonen mit sich bringt, wurde schon in der Instruktion Donum vitae festgehalten. Einige meinten damals, dass dies auf eine zum Teil noch unvollkommene Technik zurückzuführen sei. Die Erfahrung der nachfolgenden Jahre hat jedoch gezeigt, dass alle Techniken der In-vitro-Befruchtung faktisch so angewandt werden, als ob der menschliche Embryo bloß eine Anhäufung von Zellen wäre, die man gebraucht, selektiert und ausscheidet.
Es ist wahr, dass etwa ein Drittel der Frauen, die auf die künstliche Befruchtung zurückgreifen, zu einen Kind gelangen. Wenn man das Zahlenverhältnis zwischen den produzierten und den wirklich geborenen Embryonen in Betracht zieht, muss man allerdings betonen, dass die Zahl der geopferten Embryonen sehr hoch ist. Diese Verluste werden von den Fachleuten der In-vitro-Befruchtungstechniken als Preis hingenommen, den man zahlen müsse, um zu positiven Ergebnissen zu kommen. In Wirklichkeit ist es sehr besorgniserregend, dass die Forschung auf diesem Gebiet vorwiegend darauf abzielt, bessere Ergebnisse hinsichtlich des prozentuellen Verhältnisses zwischen geborenen Kindern und behandelten Frauen zu erreichen, aber nicht wirklich ein Interesse am Lebensrecht jedes einzelnen Embryos zu haben scheint.
15. Oft wird eingewandt, dass diese Verluste von Embryonen in der Mehrzahl der Fälle nicht beabsichtigt seien oder sogar gegen den Willen der Eltern und der Ärzte erfolgten. Man behauptet, dass es sich um Risiken handle, die sich nicht sehr von jenen unterschieden, die mit dem natürlichen Zeugungsprozess verbunden sind, und dass jene, die das Leben ohne Eingehen eines Risikos weitergeben möchten, praktisch auf die Weitergabe des Lebens verzichten müssten. Es ist wahr, dass nicht alle Verluste von Embryonen im Bereich der In-vitro-Befruchtung dieselbe Beziehung zum Willen der Beteiligten haben. Aber es ist auch wahr, dass das Aufgeben, Zerstören und Beseitigen von Embryonen in vielen Fällen vorgesehen und gewollt ist.
Die Embryonen, die im Reagenzglas produziert wurden und Defekte aufweisen, werden direkt ausgeschieden. Immer häufiger sind Fälle, in denen nicht sterile Paare auf künstliche Befruchtungstechniken zurückgreifen und dabei bloß eine genetische Selektion ihrer Kinder anstreben. In vielen Ländern ist die Stimulation des weiblichen Zyklus schon allgemein üblich, um zu einer größeren Zahl von Eizellen zu gelangen, die befruchtet werden. Von den produzierten Embryonen wird eine bestimmte Zahl in den Mutterschoß übertragen, die anderen werden für eventuelle weitere Behandlungen eingefroren. Der Grund der Mehrlingsübertragung besteht darin, nach Möglichkeit die Implantation wenigstens eines Embryos sicherzustellen. Das Mittel, um dieses Ziel zu erreichen, besteht in der Verwendung einer gegenüber dem erwünschten Kind größeren Zahl von Embryonen, in der Voraussicht, dass einige davon verloren gehen und in jedem Fall eine Mehrlingsschwangerschaft vermieden wird. In diesem Sinn bringt die Technik der Mehrlingsübertragung faktisch eine bloß instrumentelle Behandlung der Embryonen mit sich. Es fällt auf, dass die allgemeine Ethik und die Gesundheitsbehörden in keinem anderen Bereich der Medizin eine Technik mit einer so hohen Rate an negativen, tödlichen Ausgängen zuließen. Die Techniken der In-vitro-Befruchtung werden faktisch angenommen, weil man voraussetzt, dass der Embryo keine volle Achtung verdient, wenn er mit einem zu erfüllenden Kinderwunsch in Konkurrenz gerät.
Diese traurige, oft verschwiegene Tatsache ist ganz und gar verwerflich. Denn «die verschiedenen Techniken künstlicher Fortpflanzung, die sich scheinbar in den Dienst am Leben stellen und die auch nicht selten mit dieser Absicht gehandhabt werden, öffnen in Wirklichkeit neuen Anschlägen gegen das Leben Tür und Tor».
16. Gemäß der Kirche ist es darüber hinaus ethisch unannehmbar, die Fortpflanzung vom ganz personalen Kontext des ehelichen Aktes zu trennen: Die menschliche Fortpflanzung ist ein personaler Akt des Paares von Mann und Frau, der in keiner Weise delegiert oder ersetzt werden kann. Dass man bei den Techniken der In-vitro-Befruchtung die hohe Rate an tödlichen Ausgängen stillschweigend hinnimmt, zeigt in beredter Weise, dass der Ersatz des ehelichen Aktes durch eine technische Prozedur nicht nur unvereinbar ist mit der geschuldeten Achtung vor der Fortpflanzung, die nicht auf die bloß reproduktive Dimension eingeschränkt werden kann, sondern auch dazu beiträgt, das Bewusstsein der gebührenden Achtung vor jedem Menschen zu schwächen. Die Anerkennung dieser Achtung wird hingegen gefördert durch die Intimität der Verheirateten, die von ehelicher Liebe beseelt ist.
Die Kirche hält den Wunsch nach einem Kind für berechtigt, und sie versteht die Leiden der Ehepaare, die mit Problemen der Unfruchtbarkeit konfrontiert sind. Dieser Wunsch kann jedoch nicht höher stehen als die Würde jedes menschlichen Lebens – bis zu dem Punkt, die Herrschaft darüber zu übernehmen. Der Wunsch nach einem Kind kann nicht seine „Produktion“ rechtfertigen, so wie der Wunsch, ein schon empfangenes Kind nicht zu haben, nicht dessen Aufgabe oder Vernichtung rechtfertigen kann.
In Wirklichkeit hat man den Eindruck, dass einige Wissenschaftler ohne jeglichen sittlichen Anhaltspunkt und im Bewusstsein der Möglichkeiten des technologischen Fortschrittes der Logik der bloß subjektiven Wünsche und dem ökonomischen Druck nachgeben, der auf diesem Gebiet sehr groß ist. In Anbetracht der Instrumentalisierung des Menschen im Embryonalstadium muss man wiederholen: «Die Liebe Gottes macht keinen Unterschied zwischen dem neu empfangenen Kind, das sich noch im Leib seiner Mutter befindet, und dem Kleinkind oder dem Jugendlichen oder dem Erwachsenen oder dem alten Menschen. Sie macht keinen Unterschied, weil sie in jedem von ihnen die Spur seines Bildes und der Ähnlichkeit mit ihm sieht... Deshalb hat das Lehramt der Kirche ständig den heiligen und unantastbaren Charakter jedes Menschenlebens von der Empfängnis bis zu seinem natürlichen Ende verkündet».
Der vollständige Text der Instruktion ist HIER