Digitalisierung führt zu schlechter Schrift und Leistungsabfall
Christiane Jurczik
Die Handschrift deutscher Schüler hat sich deutlich verschlechtert, wie eine Studie zeigt. Das liegt auch an der Digitalisierung. Als Folge droht auch in anderen Bereichen ein Leistungsabfall.
Schüler, die über schmerzende Finger klagen und eine Pause fordern, sind für Heinz-Peter Meidinger Alltag. „Immer mehr Kinder bekommen Handkrämpfe, wenn sie längere Aufsätze schreiben müssen“, sagt der Präsident des Deutschen Lehrerverbands, der selbst Direktor an einem Gymnasium ist. Das gelte nicht nur für die unteren Jahrgänge, sondern ziehe sich bis in die Oberstufe. Auch von den Kollegen gebe es beträchtliche Beschwerden. Gerade für Deutsch- und Fremdsprachenlehrer, die sich mit längeren Texten auseinandersetzen müssen, sei das Entziffern von Schülerschriften zunehmend schwieriger.
Der VBE hat die repräsentative Umfrage gemeinsam mit dem Schreibmotorik Institut von September 2018 bis Januar 2019 durchgeführt. An der „Studie über die Entwicklung, Probleme und Interventionen zum Thema Handschreiben“ (STEP) beteiligten sich bundesweit über 2000 Lehrer. Der VBE ist mit rund 164 000 Mitgliedern Deutschlands zweitgrößte Pädagogen-Gewerkschaft.
Nur zwei von fünf Schülern in der Sekundarstufe können demnach 30 Minuten und länger beschwerdefrei schreiben. 89 Prozent der befragten Lehrer sagten, dass sich die erforderlichen Kompetenzen der Grundschüler in den vergangenen Jahren verschlechtert haben.
Auf der weiterführenden Schule sehen 86 Prozent eine Verschlechterung. „Es fehlt an den Grundlagen“, sagt der VBE-Bundesvorsitzende Udo Beckmann. „Den Lehrkräften fehlt die Zeit, die Kinder individuell beim Schreiben zu fördern. Wenn die Kinder dann noch zu Hause nicht die notwendige Unterstützung bekommen, geraten wir an die Grenze des Machbaren.“
„Nicht in der Lage einfachste Sätze zu schreiben“
Der Berliner FDP-Politiker Paul Fresdorf sagte zu dem „enormen Mängel der Schreibfähigkeiten“ der Schüler: Leider sei es immer noch so, dass Schülerinnen und Schüler „zum Teil nicht in der Lage sind, am Ende der dritten Klasse, einfachste Sätze zu schreiben geschweige denn minimale Anforderungen im Fach Deutsch zu erfüllen.“Eine Erhöhung der Stunden – gerade im Fach Deutsch – müsse auch umgesetzt werden.
Digitalisierung im Klassenzimmer bringt Probleme
Auch die Digitalisierung spielt eine Rolle. Es sei nicht so, dass Kinder insgesamt weniger lesen und schreiben, erklärt Meidinger. Statt Büchern und langen Texten handle es sich nun aber in erster Linie um Chats und kurze Meldungen auf dem Handy. „Groß- und Kleinschreibung ist hier nicht mehr erforderlich, zusammenschreiben auch nicht“, sagt Meidinger, „und statt des Stifts ist der Daumen das zentrale Schreibinstrument.“
Wenig Zustimmung für Tablets (42 Prozent) und Smartphones (13 Prozent) von den befragten Lehrern. An den Grundschulen sind die Werte noch deutlich niedriger. Für VBE-Chef Beckmann ist die Schlussfolgerung klar: „Die Ergebnisse zeigen, dass die Methode ‚Bring your own device‘ nicht zielführend ist.“
Einsatz von Smartphones im Unterricht führt zu Problemen
Hinter der Methode, die an sehr vielen Schulen zum Einsatz kommt, steckt, dass Schüler ihre eigenen Geräte – häufig Smartphones – im Unterricht einsetzen sollen. Auch Lehrerverbandspräsident Meidinger sieht das kritisch – und zwar nicht nur, weil sie wenig förderlich für die Schreibfähigkeit ist. „Der pädagogische Mehrwert ist insgesamt gering. Die Lehrer können nicht kontrollieren, was die Schüler mit ihren Handys genau machen“, sagt er.
Wann hört es endlich auf, dass man mit Schulkindern experimentiert? Als nach der Fibel gelernt wurde, konnten alle schreiben. Jetzt nicht mehr. Das Experiment ist schief gelaufen.