Die Lockdown Nebenwirkungen: Suchtgefahr!

(Aktion Kinder in Gefahr - DVCK e.V.) Die Zahlen sind eindeutig: Während der ersten Kontaktbeschränkungen im Frühjahr nahm die Zeit, die Kinder mit Spielen im Internet verbrachten um 75 Prozent zu. An Werktagen waren es statt 80 knapp 140 Minuten. Die Zeit in sozialen Netzwerken stieg von knapp zwei auf mehr als drei Stunden. Das ergab eine Studie, die der Krankenversicherer DAK zusammen mit der Uniklinik Hamburg-Eppendorf im Sommer durchgeführt hat.

Auch Experten warnen: Die Suchtgefahr steigt rapide an! Um rund 25 Prozent stiegen in Corona-Zeiten die Zugriffe auf das Internet-Pornoportal Pornhub, Der Branchenverband "Games" feierte mit 3,7 Milliarden Euro ein 27-prozentiges Umsatzplus am deutschen Markt. Die Bundesdrogenbeauftragte Daniela Ludwig (CSU) warnt deshalb vor "verstärkter Mediensucht in der Corona-Krise".

Der erhöhte Konsum steigere auch die Suchtgefahr von Kindern, sagt Katajun Lindenberg, Professorin für Kinder und Jugendpsychotherapie an der Frankfurter Goethe Universität. Sie weiß: "Wenn Kinder viel Computerspiele spielen, verändert das tatsächlich strukturell ihr Gehirn, also ihr Belohnungssystem". Allerdings sei nicht allein die Zeit vor dem Smartphone entscheidend. Kritisch werde es, wenn Kinder die Kontrolle darüber verlieren, wie viel sie auf dem Computer und Handy spielen.

Die Ablenkung durch das jeweilige Suchtmittel lauert dadurch häufiger - und es fehlt die soziale Kontrolle: Der Studierende im Online-Semester schaltet morgens den Rechner an und versinkt im Netz. Lange Nutzungszeit bedeutet dabei nicht automatisch Sucht - aber sie gefährdet. Mediensüchtige schmachten wie Abhängige nach ihrem Mittel, können die Gedanken nicht davon lösen - und konsumieren trotz "realer sozialer Folgen" weiter. Sie schaffen Arbeit oder Schulabschluss nicht oder verlieren Partner wegen Pornos, denen sie nicht widerstehen konnten.

Etwa 700.000 Kinder in Deutschland seien mittlerweile von Mediensucht betroffen und müssten eigentlich in Behandlung sein. Und der Lockdown verstärkt das Ganze. „Es gibt erste Warnsignale, dass sich die Computerspielsucht durch die Pandemie auswei­ten könnte“, erklärte Andreas Storm, Vorstandsvorsitzender der DAK Gesundheit.

Das Deutsche Zentrum für Suchtfragen unter der Leitung von Rainer Thomasius untersuchte in einer Längsschnittstudie erstmalig die pathologische Nutzung von Onlinespielen und sozialen Medien nach den neuen ICD-11 Kriterien der Weltgesundheitsorganisation (WHO).

Im September 2019 zeigten danach zehn Prozent der 10- bis 17-Jährigen ein riskantes Spielverhalten. Pathologisches Gaming wurde bei 2,7 Prozent festgestellt: Die Zahl der betroffenen Jungen lag mit 3,7 Prozent mehr als doppelt so hoch als bei Mädchen (1,6 Prozent).

Im Corona -Lockdown nahmen die Nutzungszeiten deutlich zu. Im Vergleich zum September 2019 stiegen im Mai 2020 die Gamingzeiten in einer Woche um 75 Prozent an. Werktags erhöhten sie sich von 79 auf 139 Minuten an. Am Wochenende gab es einen Anstieg um fast 30 Prozent auf 193 Minuten am Tag.

„Die Nutzungszeiten der Kinder und Jugendlichen haben die größte Vorhersagekraft für ein problematisches und pathologisches Verhalten“, sagte Thomasius.