Deutschland: Corona scheint Kinderarmut noch zu verschärfen

Christiane Jurczik

In Deutschland wachsen 2,8 Millionen Kinder und Jugendliche in finanzieller Armut auf. Das Problem ist der Politik seit Jahren bekannt, aber es ändert sich nichts. Bildungschancen sind ungleich verteilt. Homeschooling ist für viele der armen Kinder bislang nicht realisierbar. Das hat jetzt eine Studie der Bertelsmann Stiftung untersucht.

Seit Jahren sei der Kampf gegen Kinderarmut "eine der größten gesellschaftlichen Herausforderungen in Deutschland", so die Stiftung. Dennoch gebe es seit 2014 im bundesweiten Durchschnitt wenige Verbesserungen. Die Corona-Krise drohe das Problem noch zu verschärfen.

Fast die Hälfte der Kinder in Armut lebt in Wohnungen mit zu wenigen Zimmern und zu wenig Platz. Jedes vierte hat keinen Computer oder kein Internet zur Verfügung und etwa jedem siebten fehlt ein ruhiger Ort zum Lernen zu Hause. Unterricht ohne den Ort Schule ist für diese Kinder kaum möglich. Damit einhergehen weitere Einschränkungen im täglichen Leben: In den meisten dieser Familien können abgenutzte Möbel nicht ersetzt werden, sie können nichts sparen oder zurücklegen, haben kein Auto und fahren nicht in den Urlaub.

Die Lage wird sich in den kommenden Monaten zuspitzen, heißt es in der Studie: Die durch die Corona-Krise ausgelöste Rezession werde viele finanziell bereits schlechter gestellte Familien erst in die Armut treiben. Und die Armut werde sich in den jetzt schon armen Familien verstärken. Besonders Alleinerziehende und kinderreiche Familien werde das hart treffen.

Die Armut steigt mit der Kinderzahl. Knapp 20 Prozentder Familien mit drei oder mehr Kindern beziehen Sozialleistungen. Bei Alleinerziehenden mit mindestens drei Kindern sind es sogar zwei Drittel. Zwei von drei armen Kindernsind nicht nur kurzzeitig in finanzieller Not, sondern mindestens fünf Jahre ihrer Kindheit. Jedes zweite dieser Kindermacht sich Sorgen darüber, wie viel Geld seine Familie hat.

Große regionale Unterschiede

Regional gibt es extreme Unterschiede. Während in Ebersberg in Bayern nur etwa zwei von hundert Kindern von Armut betroffen sind, sind es in Gelsenkirchen in Nordrhein-Westfalen mehr als 40 Prozent der Unter-18-Jährigen. Besonders hoch ist der Anteil der armen Kinder auch in Stadtstaaten wie Berlin und Bremen, besonders niedrig im Südosten Deutschlands.

Ein Armutszeugnis für Deutschland

Insgesamt liegt die Zahl der Kinder in Armut seit Jahren mehr oder weniger stabil bei etwa 20 Prozent – auch in Zeiten wirtschaftlicher Hochs der vergangenen Jahre hat die Zahl also nicht signifikant abgenommen.

Jedes Kind, das in Armut lebt, ist eines zu viel. Auch in einem reichen Land wie Deutschland.

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