Depressionen und posttraumatische Belastungsstörungen bei Angehörigen der begleitenden Sterbehilfe
Aerzteblatt.de berichtet am 04.10.2012 über Sterbehilfeorganisationen,
die Angehörigen einen harmonischen Abschied von Suizidwilligen versprechen.
Doch die Wirklichkeit sieht anders aus. Nach einer Studie in European
Psychiatry leidet jeder fünfte Augenzeuge eines assistierten Todes noch viele
Monate später an einer posttraumatischen Belastungsstörung oder seiner
Vorstufe. Jeder sechste zeigt Zeichen einer Depression.
Die Sterbehilfeorganisation Exit Deutsche Schweiz, die anders
als Dignitas nicht im Ausland tätig ist, hat nach eigenen Angaben 60.000
Mitglieder, die gewillt sind zu zahlen. Dafür hält die Organisation eine letale
Dosis Natrium-Pentobarbital bereit, die die Mitglieder abrufen können, wenn sie
sich zum Freitod entschieden haben.
Das Medikament wird am Tag des Todes, von einem freiwilligen
Mitglied der Organisation, zum gewünschten Ort gebracht und persönlich
überreicht. Umgeben von „den engsten Angehörigen“, heißt es auf dem
Internetportal der Sterbehilfeorganisation. Das suggeriert einen harmonischen
Abschied, der in guter Erinnerung bleiben soll.
Doch ganz so stressfrei scheint der assistierte Suizid für
die Augenzeugen nicht zu sein, wie eine Studie zeigt, die Birgit Wagner am
Universitätsspital Zürich durchführte. Die Autorin schrieb 167 Verwandte und
Freunde an die Augenzeuge des assistierten Selbsttodes von 111 Mitgliedern von
Exit Deutsche Schweiz waren. Insgesamt 85 Personen schickten die Fragebögen
zurück, in denen sich die Forscherin nach Symptomen der posttraumatischen
Belastungsstörung, komplizierter Trauer und Depressionen erkundigte.
Das Ergebnis zeigt, dass 13 Prozent der Augenzeugen des
assistierten Freitods, die Kriterien einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTSD)
erfüllen. Bei weiteren 6,5 Prozent lag eine unterschwellige PTSD vor. Bei 4,9
Prozent stellte Wagner eine komplizierte Trauer fest. Zeichen einer Depression
fand sie bei 16 Prozent der Zeugen des assistierten Freitods.
Dazu äußert sich der Ethiker Markus Zimmermann von der
Universität Fribourg, der aus langjähriger Erfahrung spricht, dass das Thema
assistierte Suizidhilfe viele Angehörige ein Leben lang begleitet oder diesen
Prozess nicht verkraften.