Das Swipen durch kurze Videos kann die Langeweile verstärken

Das Swipen durch kurze Videos kann die Langeweile verstärken

Maximilian Klieber

In unserer hektischen Welt greifen viele Menschen in Momenten der Langeweile reflexartig zum Smartphone. Der schnelle Blick auf die neuesten Nachrichten oder das Scrollen durch kurze Online-Videos auf Plattformen wie TikTok, Instagram und YouTube soll für Ablenkung sorgen und Langeweile vertreiben. Doch eine aktuelle Studie legt nahe, dass genau dieses Verhalten das Gegenteil bewirken könnte.

Eine Forschergruppe hat herausgefunden, dass das kontinuierliche Swipen durch Videos nicht nur nicht gegen Langeweile hilft, sondern sie sogar verstärken kann. Die Ergebnisse der Studie, die im Fachmagazin Journal of Experimental Psychology veröffentlicht wurde, zeigen, dass Menschen, die die Möglichkeit hatten, Videos bei Langeweile schnell abzubrechen und zum nächsten Video weiterzuwischen, sich im Nachhinein deutlich unzufriedener und gelangweilter fühlten als diejenigen, die sich auf längere Videos konzentrierten.

Schnelles Scrollen vs. tiefes Eintauchen

Für die Studie wurden mehr als 1.200 Teilnehmer in mehreren Experimenten beobachtet. Die Versuchspersonen, meist Studierende, mussten in einem Szenario längere Videos ohne Unterbrechung anschauen. In einem anderen Szenario konnten sie bei aufkommender Langeweile schnell zu einem neuen Video wechseln, ähnlich wie es auf modernen sozialen Plattformen üblich ist.

Die Ergebnisse waren eindeutig: Während das konzentrierte Anschauen von längeren Videos zu einer tieferen Auseinandersetzung mit dem Inhalt und zu größerer Zufriedenheit führte, wurde das ständige Hin- und Herwechseln zwischen kurzen Clips als unbefriedigend empfunden. Studienleiterin Katy Tam von der University of Toronto erklärt: "Durch das ständige Wechseln verlieren die Inhalte an Bedeutung, weil die Menschen keine Zeit haben, sich wirklich damit auseinanderzusetzen oder sie zu verstehen."

Mehr Achtsamkeit für mehr Zufriedenheit

Die Studie empfiehlt daher, sich bewusst auf längere Inhalte zu konzentrieren, ähnlich wie bei einem Kinobesuch, bei dem man sich ganz auf einen Film einlässt. Tam betont: "Es kann auch beim Anschauen von Online-Videos mehr Freude aufkommen, wenn man sich intensiv mit einem einzelnen Video beschäftigt, anstatt ständig nach dem nächsten zu suchen."

Diese Erkenntnisse decken sich mit anderen Studien, die zeigen, dass das bewusste Erleben von Medieninhalten zufriedener macht als das bloße Konsumieren von unzähligen kurzen Clips. TikTok-Nutzer beispielsweise sehen oft hunderte Videos am Tag, jedoch nur für wenige Sekunden. Das mag zwar kurzzeitig unterhaltsam sein, hinterlässt aber oft ein Gefühl der Leere und steigert letztlich die Langeweile.

Die negativen Folgen der Langeweile

Langeweile wird von vielen Menschen als unangenehm empfunden. Sie löst oft Stress, Unruhe oder sogar depressive Verstimmungen aus. Frühere Studien haben gezeigt, dass Menschen in ihrer Not, Langeweile zu vermeiden, zu impulsiven Handlungen neigen – sei es durch Spontankäufe oder riskantes Verhalten.

Um der Langeweile entgegenzuwirken, greifen viele auf die schnelle Ablenkung durch das Smartphone zurück. Doch immer mehr Forschungsergebnisse zeigen, dass dieser Ansatz nicht der beste Weg ist. Anstatt sich in einer Flut von Reizen zu verlieren, könnte es hilfreicher sein, sich bewusst auf einzelne Aktivitäten zu konzentrieren oder die Langeweile sogar auszuhalten. Dies könnte zu neuen, weniger langweiligen Beschäftigungen führen – wie dem Beobachten der Umwelt oder einem spontanen Gespräch.

Die Studie hebt hervor: Weniger ist oft mehr – auch bei der Nutzung digitaler Medien.